01.03.2012
Editorial
Von Novo-Redaktion
Ob es nun um die Schuldenkrise in Europa geht oder um das Weltklima: Stets ist die Rede davon, es gebe keine Alternative zur Herrschenden Politik. Wo es scheinbar keine anderen Lösungen gibt, erübrigt sich auch jeder Diskussion. Mitunter wird sie sogar als schädlich und verantwortungslos angesehen - es könnten sich dadurch schließlich Zweifler ermütigt fühlen und das, was als Konsens angesehen wird, wieder in Frage stellen. Sei es die CO2-Reduzierung, die Sparpolitik oder die zunehmende Durchregulierung unseres Alltags: Die Autoren von NovoArgumente sind leidenschaftliche Zweifler und sie glauben daran, dass der Status Quo dringend hinterfragt werden muss. Wer nach Alternativen sucht - hier sind sie.
Nichts ist so symptomatisch für den Zustand heutiger Politik wie die Diskussion um die Krise Europas. Was als „europäische Vision“ gelobt wurde, hat sich als Sparclub entpuppt, in dem sich Deutschland und Frankreich den Vorsitz teilen. Von dem, was einst großspurig „europäische Innenpolitik“ hieß, sind vor allem Umstrukturierungsdiktate übrig, die die wirtschaftlich stärkeren Staaten den schwächeren aufnötigen. Statt Zukunftsplänen gibt es Krisenmanagement ohne Ende. Einzig positiv an der Krise ist, dass nun ungeschminkt zu Tage tritt, wie dürftig das europäische Projekt schon lange war.
Die Europäische Union erweist sich immer mehr als ein Bürokratenapparat, der unter weitgehendem Ausschluss der Öffentlichkeit Regeln entwirft, für die er keine Rechenschaft ablegen muss. Je schärfer die Krise wird, desto weiter rückt dieses Gebilde von den Bürgern Europas ab. Die Bundesregierung versucht nicht, Rückhalt für ihre Politik zu gewinnen, sondern setzt stur einen Maßnahmenkatalog durch. Die Bestrebungen Griechenlands, per Referendum die Bürger über die Zukunft des eigenen Landes entscheiden zu lassen, wurden von der Bundesregierung jäh unterbunden.
In dieser Ausgabe von NovoArgumente haben wir der Euro-Krise ein langes Kapitel gewidmet. Unsere Autoren und Redakteure stellen sich unter Europa mehr vor als einen Zwangsverwaltungsapparat. Europa gehört seinen Bürgern. Sie müssen darüber bestimmen, wie der Kontinent organisiert sein soll. Wir brauchen keine Krisengipfel hinter verschlossenen Türen, sondern öffentliche Teilhabe. Denn nur in einer Gesellschaft mit kontroversem und offenem Diskurs können auch Lösungen gefunden werden, die gemeinsam getragen werden. NovoArgumente sieht sich als Beitrag zu solchen Diskussionen. Wir wollen Auseinandersetzung und Reibung, wir wollen landläufige Annahmen konfrontieren und neue Wege aufzeigen, wo bislang nur Einbahnstraßen markiert sind.
In Zusammenhang mit den Schwierigkeiten in der EU muss auch über Wachstum diskutiert werden. Ob Investoren wieder Vertrauen in Griechenland setzen, dürfte sehr davon abhängen, ob die Wirtschaft wächst. Aber Wachstum ist paradoxerweise ein Begriff, der von der Agenda der Politik gerutscht ist. Vielen gilt es sogar als gefährlich. Wir wollen den Wachstumsbegriff zurück in die Europa-Diskussion bringen – und auch anderen ritualisierten Debatten neuen Schub verleihen.
Wir durchleuchten die Argumente der Regulierungslobby, die mit immer neuen Verboten und Regelungen betreffs Alkohol, Glücksspiel und Tabak das Recht der Bürger beschneiden, über ihren eigenen Lebensstil zu entscheiden. Wir werfen die Frage auf, warum das weltweite Bevölkerungswachstum heute vor allem unter negativem Vorzeichen diskutiert wird. Und wir widmen uns der so genannten Protestkultur, die zwar für sich beansprucht, 99 Prozent der Menschen zu vertreten, es aber ablehnt, dazu Stellung zu nehmen, welche Ziele sie vertritt.
Die Autoren von NovoArgumente beziehen deutlich Stellung, auch wenn es zuweilen ungewöhnliche Standpunkte sind. Nicht alles, was man hier liest, wird einem gefallen. Manches wird zu spontanem Widerspruch anregen. Dann ist es gut, dann ist es ein Anfang. Engagierte Diskussionen können wir brauchen.