01.03.2010

Editorial

Von Novo-Redaktion

Großspurige Appelle für grundlegenden Wandel gibt es zuhauf: Das Zeitalter der fossilen Energiequellen, der Atomtechnik, des menschengemachten Klimawandels, des zügellosen Konsums, der ausufernden Kreditwirtschaft oder der autoritären Erziehungsstile sollen wir hinter uns lassen. Angesichts der Finanz- und Wirtschaftskrise wird angemahnt, die Marktwirtschaft neu zu strukturieren. „Green Economy“ lautet das neue Zauberwort, für das sich der Aufbruch am Ende lohnen soll.

Dabei geht es nicht nur um erneuerbare Energien oder ökologischen Ackerbau. Hinter der „Grünen Wirtschaft“ steht ein Gesellschaftsmodell, das sich klar zur Abkehr vom Fortschritts- und Wachstumsstreben früherer Generationen bekennt. Hoch im Kurs steht eine neue Ethik des Verzichts, gepaart mit sanften Techniken und Demut vor der Natur. Man wirbt für Anerkennung natürlicher Grenzen des Wachstums, der Ressourcen und der menschlicher Ambitionen. Liegt hier tatsächlich die bessere Zukunft? Darüber wollen wir mit unserem „Alternativen Kopenhagen-Manifest“ (S. 24) eine breite Debatte anstoßen.

Im Zentrum der Diskussion steht heute der Begriff „Nachhaltigkeit“ als rhetorisches Passepartout für den wachstumsskeptischen Konsens, dem auch die Industrie inzwischen zu folgen verspricht. Die größten Chancen hat demnach alles, was den menschlichen „Fußabdruck“ auf der Erde mindert. Selbst Innovation begründet man heute mit der Notwendigkeit, uns nachhaltig an drohende Horrorszenarien anzupassen. So soll die Atomkraft uns neuerdings vor der Klimakatastrophe retten, die Gentechnik vor der vermeintlichen Bevölkerungsexplosion.

Das Primat der Nachhaltigkeit transportiert Angst vor Freiheit, Kreativität und Tatkraft. Es ist ein großer Fortschrittshemmer, denn es unterwirft immer weitere Wirtschafts- und Lebensbereiche immer dichteren Regulationsnetzen. Letztlich besagt es, man solle alles unterlassen, was Risiken birgt. Jede nur theoretisch vorstellbare Änderung sogenannter natürlicher Gleichgewichte soll heute sorgsam abgewogen (die Sicherheits- und Risikoforschung boomt) und am besten völlig ausgeschlossen werden. Nachhaltigkeit wirkt „wie eine mentale Zwangsjacke“, heißt es dazu im Manifest.

Welche irren Zustände diese Zwangsjacke erzeugen kann, schildert Hermann Hinsch in seinem „Märchen über die Asse“ (S. 50). Wie sich die Wissenschaften dabei zusehends in Dienst nehmen lassen, beschreiben Günter Ropohl (S. 40) und aus anderer Perspektive Frank Furedi (S. 34). Für Einspruch dürfte der Beitrag von Günter Keil sorgen, für den immer wieder neu aufgewärmte Technikversprechen wie die vom Elektroauto und Wüstenstrom ein „Fluch“ sind (S. 53). Zudem widmen wir uns auch dem Thema Religion: Lars Klinnert setzt sich kritisch mit den evangelikalen Christen auseinander (S. 90).

Ein Hinweis zum Schluss: Verpassen Sie nicht unsere Internetbeiträge im Novo-Blog. Dort kommentierte in den letzten Wochen u.a. unsere Redakteurin Sabine Reul die „Steinbach-Krise“ und den Einsatz von Diebesgut in der Steuerfahndung.

Anregende Lektüre und gute Diskussionen wünscht Ihr

Thomas Deichmann

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