01.01.2010

Editorial

Von Novo-Redaktion

Der Mensch unterscheidet sich u.a. dadurch vom Tier, dass er bereit und in der Lage ist, Verantwortung zu übernehmen. Wir haben die Verfügungsgewalt über die belebte und unbelebte Natur. Wie wir diese ausüben und damit die Welt gestalten, ist eine wichtige und große gesellschaftliche Aufgabe.

Leider hat sich hier eine gewisse Eindimensionalität breitgemacht. Konkretes, differenziertes und offensives Gestalten steht mit dem Rücken zur Wand, während das pauschal plakative Schützen mehr und mehr den Raum füllt. Dies manifestiert sich konkret im emotional aufgeladenen Tierschutz und abstrakt im ideologisch überspitzten Klimaschutz in unterschiedlicher, aber gleichermaßen bedenklicher Weise. Wer fordert, Forschung müsse sich in einem vom Tierschutz gesteckten Rahmen abspielen statt umgekehrt, wertet das zutiefst menschliche Streben nach Erkenntnis und Ausweitung der Gestaltungsmöglichkeiten ab und degradiert den Menschen. Wären wir Menschen in erster Linie biologische Wesen, müsste man von Selbstverstümmelung sprechen. Thilo Spahl zeigt in seinem Artikel, dass mittlerweile auch in Deutschland die Forschungsfreiheit durch übertriebenen Tierschutz in Gefahr ist (S. 42). Er steckt den Rahmen ab für unser aktuelles Schwerpunktthema.

Sehr viel abstrakter geht es im Klimaschutz zu. Hier liegt der Kern des Problems nicht, wie von manchem „Klimaskeptiker“ offenbar vermutet, darin, dass industriefeindliche Kreise, verkappte Kommunisten oder wer auch immer sich konspirativ zum großen Klimaschwindel verabredet hätten. Vielmehr erwächst auch der Klimaschutzalarmismus und -aktivismus aus einer Geringschätzung des Menschen als Gestalter seiner Welt. Statt sich daran zu machen, die Welt auf steigende oder fallende Temperaturen vorzubereiten und gleichzeitig die technologischen Einflussmöglichkeiten durch „geo engineering“ massiv zu erweitern, wird sinnloser Verzicht gepredigt. Was dabei herauskommt, wenn grüne Denker die Religion bemühen, um diese Schnapsidee eines demutsvollen Energie- und Konsumverzichts zu popularisieren, analysiert Frank Furedi in diesem Heft (S. 24). Wie weit der fromme Anspruch und die konkrete Wirklichkeit bei der Umsetzung solcher Dogmen auseinanderklaffen können, thematisiert die investigative Reportage über Greenpeace Energy (S. 32).

Mit Blick auf die anhaltenden Diskussionen um den Bologna-Prozess und die Bildungsstreiks zeigt Jennie Bristow, dass sich hinter der Politisierung von Bildung auf dem Rücken von Schülern und Studenten die Autoritätskrise der Erwachsenen verbirgt (S. 18). Die intergenerative Verantwortung, Heranwachsende auf die vor ihnen liegende Welt vorzubereiten, wird dadurch untergraben. Alexander Horn kommentiert das Zurückdrängen von „knallharten“ Wirtschaftsfaktoren zur Messung des gesellschaftlichen Wohlstands (S. 70). Wenn Faktoren wie „Glück“ die Oberhand gewinnen, sei dies eine Revision des Fortschrittsbegriffs, argumentiert er.

Ein erfolgreiches 2010 und anregende Lektüre wünscht Ihr

Thomas Deichmann

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