13.01.2012

Politisch bis ins Mark

Analyse von Rob Lyons

Ein neues Buch zerstört den Mythos der Neutralität und Wissenschaftlichkeit des Weltklimarates der Vereinten Nationen (IPCC) und enthüllt seine wahre, diskussionstötende Rolle. Spiked-Redakteur Rob Lyons spricht mit der Autorin Donna Laframboise und stellt deren Buch vor

„Wir treffen uns hier in einer Zeit, in der die Treibhausgas-Konzentrationen in der Atmosphäre so hoch sind wie nie zuvor, in der die Anzahl der natürlichen Lebensräume, die durch die Auswirkungen des Klimawandels zerstört worden sind, höher ist als je und in der die Notwendigkeit zu handeln, so dringend und gleichzeitig möglich ist wie noch nie.“ So sprach Christiana Figueres, Vorsitzende der Rahmenkonvention der Vereinten Nationen zum Klimawandel (UNFCCC), als sie im Dezember die jüngste Show dieser Organisation im südafrikanischen Durban eröffnete. Ihre Worte zeigen, dass UN-Organisationen wie das Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC) alles andere als neutral und unabhängig, sondern in höchstem Grade ideologisiert sind. Das Anliegen, das den versammelten Regierungsdelegationen zur Abstimmung vorgelegt wurde, ist dringend, so hörten wir, weil die Treibhausgaskonzentrationen „niemals höher“ und ihre Auswirkungen niemals „größer“ waren, Gegenmaßnahmen aber „realisierbar“ seien (was zumindest dem Ausgang des Klimagipfels nach zu urteilen, wohl ebenfalls nicht der Wirklichkeit entspricht.).

Das UNFCCC ist eindeutig ein politisches Organ, das gebetsmühlenartig wiederholt, wer genau dafür zahlen soll, dass das planetenbedrohende Problem der globalen Erwärmung gelöst wird. Hingegen gilt das IPCC gemeinhin als ein Komitee, das einfach den besten Expertenrat der exzellentesten wissenschaftlichen Köpfe der Welt vereint.

In ihrem Buch The Delinquent Teenager Who Was Mistaken for the World’s Top Climate Expert (etwa: Der aufsässige Teenager, den alle für den besten Klimaexperten der Welt hielten, ein famoser Titel, der Komödianten weltweit hervorragendes Futter liefern wird) erläutert Donna Laframboise den Klimakonsens des IPCC und stellt die Menschen vor, die ihn produzieren. Das IPCC wird uns allenthalben als ein Gremium aus tausenden von Top-Wissenschaftlern dargestellt, die unermüdlich und selbstkritisch daran arbeiten, die besten fachbegutachteten Forschungsergebnisse und eine sorgfältige und unabhängige Überprüfung der Daten zur globalen Temperaturentwicklung und ihrer Konsequenzen zusammenzutragen. Bedauerlicherweise sieht die Wirklichkeit, wie Laframboise uns aufzeigt, etwas anders aus.

Während sie in einem Café bei der Spiked-Redaktion um die Ecke sitzt, erklärt mir Laframboise, wie sie dazu kam, ihr jüngstes Buch zu schreiben. Vormals Reporterin und Mitherausgeberin der kanadischen National Post, verließ sie das Blatt in den frühen 2000ern und wandte sich vom Journalismus ab, da sie das Gefühl hatte, es sei „Zeit für einen Wechsel“. Sie fährt fort: „Ich habe sieben oder acht Jahre lang nichts geschrieben, aber Anfang 2009 war ich dermaßen verärgert darüber, wie der Klimawandel in den Medien dargestellt wurde, dass ich begann, meine eigenen Nachforschungen anzustellen und mit dem Bloggen anfing.“

Laframboise fand heraus, dass sehr viel mehr Unsicherheit über den Klimawandel und seine Folgen besteht, als der Allgemeinheit weisgemacht worden ist. In ihrem ersten Buchprojekt ging es ihr darum, 10 Gründe zu benennen, warum wir in Bezug auf den Klimawandel die Ruhe bewahren sollten. Warum sie ihre Aufmerksamkeit dann aber auf das IPCC richtete, so erzählt sie mir, ist der Umstand, dass dieses Komitee als ein Prototyp betrachtet wird. Es ist das „goldene Kind, es hat den Friedensnobelpreis gewonnen. Folglich haben die UN weitere dem IPCC ähnliche Räte zusammengestellt: für Biodiversität, für Landwirtschaft und einen weiteren für Bodenverschlechterung. Und in jedem dieser Fälle scheinen sie zu versuchen, Wissenschaftler zu rekrutieren, die ihnen helfen sollen, eine globale Agenda zu diesen Themen zu verfolgen.“

Bevor sie tiefer in die Materie einstieg, so Laframboise, habe sie wie die meisten Menschen angenommen, dass das IPCC „verlässlich, vertrauenswürdig und professionell“ sei. Sie fügt hinzu: „Je mehr ich über das IPCC forschte, umso mehr kam es mir wie ein Kind vor, das man gehätschelt hat, dem man zwar Regeln gab, denen es folgen sollte, das aber keinerlei Konsequenzen zu erwarten hatte, wenn es sie nicht befolgt. Und nun ist es erwachsen und hat sich zu einem Problem entwickelt, kollektiv, für uns alle.“
In ihrem Buch nimmt Laframboise die gängigen Behauptungen über das IPCC unter die Lupe. Eine ist, dass der IPCC-Bericht das Produkt der weltweit besten Experten sei. In Wirklichkeit haben die führenden Autoren des IPCC keine Dissertation zu ihrem Thema vorgelegt, geschweige denn sind sie weltweit führende Experten. Andere Forscher, die für Kapitel des Berichts verantwortlich waren, besitzen Fachwissen in gänzlich anderen Gebieten als dem, das sie im IPCC-Bericht behandelt haben. Für den Begutachtungsprozess bedeutet das, dass man als Autor eines Kapitels führende Experten ruhigen Gewissens ignorieren kann, wenn sie Kritik äußern.

Ein weiterer Bestandteil der Legende über das IPCC ist, dass seine Berichte auf der besten verfügbaren Forschung beruhen. In Wirklichkeit herrscht eine eklatante Abhängigkeit von sogenannter „grauer Literatur“ – Material, das in fachbegutachteten Zeitschriften überhaupt nicht auftaucht. Dieses Material besteht zum Teil einfach aus Artikeln aus Illustrierten oder der Propaganda von Umweltorganisationen. Das berühmteste Beispiel hierfür ist die sogenannte „Himalayagate-Affäre“, die auf der im Jahre 2007 aufgestellten Behauptung aufbaute, dass Gletscher, die für die Wasserversorgung von Milliarden Menschen lebenswichtig sind, bis 2035 vollständig verschwunden sein werden.

Nichts könnte dringender sofortiges Handeln erfordern als das. Allerdings könnte auch kaum etwas wirklichkeitsferner sein. Die Gletscher werden wohl noch Hunderte von Jahren existieren, wie durch Fachbegutachter hervorgehoben wurde – die dann ignoriert wurden. Jedenfalls wurde Anfang 2010 offenbar, dass die falsche Prognose einem Dokument entstammte, das von Umweltaktivisten des WWF verfasst worden war, die wiederum ein früheres Interview aus dem Magazin New Scientist zitiert hatten.

Im März 2010 beschloss Laframboise zu überprüfen, wie viele Referenzen des IPCC-Berichts von 2007 sich auf nicht fachbegutachtete Quellen stützten. Mit Hilfe von Freiwilligen unter den Lesern ihres Blogs fand sie heraus, dass 30 Prozent der Referenzen des Berichts Zeitungs- und Zeitschriftenartikel waren, weiterhin unveröffentlichte Masterarbeiten, Berichte von Umweltgruppen und sogar Pressemitteilungen. Das ist kaum vertrauenerweckend, zumal, da sie ebenfalls feststellte, wie die Gschaftlhuber des IPCC ihre Verbindungen mit Fachzeitschriften ausnutzten, um die „richtige Sorte“ Forschung in den Druck zu bekommen, just zum richtigen Zeitpunkt, um ihre Ansichten in den IPCC-Berichten zu untermauern – und um die „falsche Sorte“ Forschung von den Meriten einer fachbegutachteten Veröffentlichung fernzuhalten.

Immer und immer wieder behauptet das IPCC, das eine zu tun, während es in Wahrheit etwas ganz anderes tut. Beispielsweise erklärt es, es gebe für jeden IPCC-Bericht ein Schlussdatum, bis zu dem Forschungsergebnisse berücksichtigt werden, weil natürlich Fachgutachter Zeit benötigen, um die Kapitel zu bearbeiten und zu kommentieren, in denen die jeweiligen Forschungsergebnisse genannt werden. Diese Termine werden aber regelmäßig ignoriert, so dass die Kapitel sich auf Forschungen beziehen, die nach dem Enddatum publiziert wurden. Das Ergebnis ist, dass diese Teile der IPCC-Berichte von den Gutachtern nicht einmal kommentiert werden können. Dies war besonders augenfällig in Bezug auf den sogenannten „Stern Review“, ein Papier im Auftrag der britischen Regierung, das Ende des Jahres 2006 berichtete, sofortiges Handeln zur Bekämpfung des Klimawandels sei wesentlich billiger als die Anpassung an steigende Temperaturen. Viele Referenzen aus dem Stern Review wurden in den IPCC-Bericht 2007 eingearbeitet – obwohl das offizielle Enddatum für berücksichtigungsfähiges Material bereits der Januar 2006 gewesen war. Es verwundert nicht, dass eine politisch so hilfreiche Publikation ihren Weg in den Bericht fand, obwohl ihre Berücksichtigung den Regeln des IPCC zuwiderlief.

Laframboises Buch enthält zahlreiche weitere Details, doch keines kann wirklich überraschen. Denn das Ziel des IPCC ist es nicht, Wissenschaft neutral zu überprüfen, sondern ein Debatten-Killer zu sein, ein „Halt-die-Klappe“ für jeden, der mit der zugrundeliegenden politischen Agenda nicht übereinstimmt. Tatsächlich liefert das IPCC die wissenschaftliche Legitimation für eine bereits festgelegte politische Agenda – statt umgekehrt den politischen Prozess mit neuen unvoreingenommenen Erkenntnissen zu versorgen.
Ist der ganze Prozess schon politisiert, gibt es ein Zurück mehr. Wenn die Schlussfolgerungen einer angeblich neutralen Begutachtung bestimmenden Einfluss auf politische Entscheidungen nehmen sollen, ist es sicher unmöglich, von irgendjemandem zu erwarten, er möge neutral bleiben. Ein Beispiel ist die Art, in der grüne Lobbygruppen Autoren für den IPCC rekrutiert haben. Laframboise nennt exemplarisch 78 mit dem IPCC verbundene Autoren, die zugleich Mitglieder des Klimarates des WWF sind. Von diesen sind 23 führende koordinierende Autoren des IPCC – also die Leute, die für die einzelnen Kapitel der IPCC-Berichte verantwortlich sind. „Meine Damen und Herren“, schreibt Laframboise, „das IPCC wurde infiltriert.“

Das widerlegt die Behauptung des IPCC, es sei unparteiisch. „Das IPCC ist in vielfacher Hinsicht so etwas wie ein Richter“, so die Autorin. „In einem Mordprozess zum Beispiel sollte es immer zwei Seiten geben – Anklage und Verteidigung – und das Urteil durch den neutralen Richter zum Abschluss der Verhandlung. Käme aber heraus, dass der Richter jede Nacht mit der Anklagevertretung durchgefeiert hat, wären wir wohl alle der Meinung, dass das ein Problem ist, weil es eine Kommunikationsebene zwischen den beiden gab, an der nicht alle Prozessbeteiligten teilhaben konnten.“ Wenn die bewussten Wissenschaftler auch nur den geringsten Sinn für ihre Rolle als neutrale Schiedsrichter hätten, sollten sie Distanz zu den Lobbyisten wahren und nicht mit ihnen ins Bett gehen.

Zum Thema globale Erwärmung sehen wir zur Zeit eine deutliche Unsicherheit in Bezug darauf, was die Zukunft bringen könnte, und viele mögliche politische Wege, die wir einschlagen könnten, um mit klimarelevanten Problemen umzugehen. Der wahre Auftrag des IPCC ist es, diese Unsicherheit zu beseitigen und durch ein Weltuntergangsszenario zu ersetzen, mit dem man die politische Debatte kurzschließen kann. „Die Wissenschaft ist sich einig“ wurde 2007, als der letzte Bericht des IPCC herauskam, zu einem Mantra. Jeder, der es wagte, „Der Wissenschaft“ zu widersprechen, wurde als „Leugner“ und „Flach-Erder“ abgestempelt. Laframboise hat der Welt mit ihrem Buch einen Gefallen getan, weil sie detailliert darlegt, auf welch schwachen Grundlagen der sogenannte „Klima-Konsens“ beruht. Das heißt nicht, dass wir in Zukunft keine Umweltprobleme erleben werden – obwohl die Erfahrungen mit der Farce des IPCC unsere Skepsis schärfen sollten. Doch es sollte uns anregen, diese möglichen Probleme sehr viel kritischer in Relation zu dem Aufwand an Zeit, Ressourcen und gesellschaftlicher Konzentration abzuwägen, die auf Grundlage der überaus fragwürdigen Aussagen des IPCC aktuell in die Bekämpfung des Klimawandels investiert werden.

Dieses Abwägen zwischen verschiedenen Faktoren nennt man Politik. Es ist ein anstrengender, frustrierender, aber absolut grundlegender Prozess, der unter keinen Umständen von jemandem zum Stillstand gebracht werden darf, der mit einem Heiligen Buch wedelt und eine versteckte Agenda hat.


 

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