12.11.2015

Plädoyer für postfeministische Forschung

Essay von Monika Frommel

Im Bereich der Gender-Studien liegt einiges im Argen. Einseitigkeit und Dogmen in Teilen der feministisch orientierten Forschung. Sie wendet sich auch gegen Sprechverbote für politische unkorrekte Talkshowgäste und Naturwissenschaftler.

Wer Chancengleichheit von Männern und Frauen bejaht, hat dennoch keinen Grund, feministische Denkverbote zu akzeptieren. Als Frauenpolitik vor über 100 Jahren bedeutsam zu werden begann, ging es ihr um Befreiung. In den 1980er-Jahren entstand aber ein mittlerweile zum Dogma verkommenes Prinzip, wonach „Gender“ und „Sex“ kategorial zu trennen seien. Diese Trennung von sozialem und biologischem Geschlecht erschwert eine interdisziplinäre Zusammenarbeit in der Wissenschaft. Sie ist zudem überflüssig, da bereits die biologische Verschiedenheit von naturwissenschaftlicher Seite auf komplexe Zusammenhänge zurückgeführt wird.

Beenden wir also den sinnlosen Zwang zu Pro oder Contra, wenn es sich um jeweils unangemessen verengte Perspektiven handelt. Denn wir verstehen die komplexen Gender-Arrangements noch nicht. Deshalb haben wir auch das Problem der Vereinbarkeit von Beruf und Familie noch nicht gelöst, sondern tragen es als Ideal vor uns her. Hinzu kommt, dass wir bereits neue Probleme zu lösen haben, so dass es Zeit für eine faire Debatte und ein Ende der falschen Alternativen ist.

Sex und Gender als Kategorien

Folgendes Zitat eines gläubigen Soziologen macht deutlich, worum es geht. Untersuchen wollte er die Frage, warum eine Minderheit der Männer (etwa 18 Prozent) regelmäßig sexuelle Dienstleistung kauft. Der Autor sieht sich aber innerlich daran gehindert, diese Frage direkt anzugehen und beginnt stattdessen mit einer unverständlichen und umständlichen Einleitung zu Sex und Gender und der heiklen Frage nach der „männlichen“ Macht des Freiers: „Die Kategorie Geschlecht wird hierbei als soziales Konstrukt aufgefasst und das bipolare hierarchisierte Geschlechterverhältnis als manifester Ausdruck historisch gewachsener, gesellschaftlicher Prozesse und Strukturen begriffen“. [1]

„Gender und Sex können nur interdisziplinär erforscht werden“

Übersetzt soll mit der Kategorie „Gender“ lediglich verhindert werden, dass „Sex“ zu einfach, nämlich bipolar und hierarchisch gefasst wird. Patriarchale und homophobe (oder auch dritten Geschlechtern gegenüber feindselige) Einstellungen und Praktiken werden verworfen, eine offene empirische Annäherung an das Thema wird empfohlen. Im 21. Jahrhundert ist dies eigentlich selbstverständlich und bedarf keiner vertieften Begründung, denn niemand meint mehr, dass Frauen „von Natur“ zu eingeschränkten Lebensweisen verdammt seien. Der Begriff Antifeminismus wurde nicht ohne Grund bereits 1902 von Hedwig Dohm formuliert. Damals standen sich Feminismus und Antifeminismus unversöhnlich gegenüber. Spätestens mit dem Grundgesetz – dem Kampf um den Gleichberechtigungsgrundsatz – sind diese Zeiten überwunden.

Was bedeutet nun „Gender“? Gemeint ist die kulturelle Überformung biologischer Unterschiede. Sex ist (relativ) einfach zu bestimmen, Gender deutet auf komplexe Zusammenhänge. Wäre Gender hingegen nur ein soziales Konstrukt, wozu bedürfte es dann noch der Unterscheidung von Sex und Gender? Jeder könnte darüber entscheiden, ob er oder sie als Mann oder Frau oder Transgender oder was auch immer leben will. Aber wie sollte dies geschehen? Sollen Eltern für ihre Kinder das Etikett aussuchen? Was passiert dann in der Pubertät?

Es kann doch nicht ernsthaft bestritten werden, dass sowohl Geschlecht als auch Alter auf beobachtbaren Grundlagen basieren. Geschlecht ist u.a. die Folge bedeutsamer genetischer, hormoneller und medizinisch darstellbarer Unterschiede. Zusammen mit dem Phänomen des Alterns führen diese – um nur ein Beispiel herauszugreifen – zu völlig unterschiedlichen Lebensweisen, etwa bei der Reproduktion, wo sie am deutlichsten in Erscheinung treten. Man denke nur an die relativ kurze reproduktive Phase bei Frauen (ovarielles Altern ist bereits in einem frühen Lebensalter von 30 Jahren und gelegentlich schon früher feststellbar), während Männer noch im hohen Alter zeugen können. Zwar wird dies erkauft durch ein durchschnittlich früheres Altern der Männer, aber unbestritten sind diese biologischen Tatsachen, wenngleich beeinflussbar, unumstößlich.

„Die traditionelle Genderforschung trennt Politik nicht klar von Wissenschaft“

Dies wiederum bedeutet, dass Gender und Sex nur interdisziplinär erforscht werden können. Außerdem können keine direkten politischen Schlussfolgerungen aus einzelnen empirischen und/oder kulturellen Besonderheiten gezogen werden, denn bei wissenschaftlichen Kontroversen gilt die Regel, dass sich empirische und normative Konzepte kategorial unterscheiden (Dichotomie von Sein und Sollen) und von Politik zu trennen sind. Im Gegensatz zu sozialen Werturteilen und moralischen Präferenzen folgt Politik einer Eigenlogik. National wird sie demokratisch legitimiert und international durch Vereinbarungen geprägt, was zu Kompromissen nötigt. Konkrete Frauenpolitik kann also weder aus abstrakten Prinzipien noch aus Tatsachen abgeleitet werden. Dies ist für die traditionelle Genderforschung ein Problem, weil sie weder Sein und Sollen klar trennt noch Politik von Wissenschaft.

Genderstudien unter der Lupe

Dies zeigt sich, wenn man Genderstudien unter diesem Aspekt einmal genauer liest. Ziemlich übereinstimmend schlagen sie folgende Annahmen vor:

  • Diese Studien müssen kritisch sein und Herrschaftsbedingungen aufdecken, und zwar Herrschaft von Männern über Frauen,
  • sie müssen gesellschaftliche Widersprüche benennen (etwa den Anspruch auf Gleichheit bei empirisch feststellbarer Ungleichheit) und außerdem eine
  • Anleitung zur politischen Praxis sein. [2]

Besonders problematisch ist die Politisierung des Faches angesichts der EU-finanzierten Drittmittelforschung. Denn dort gelten die hier kritisierten Grundsätze. In den Massenmedien hat man sich erst recht daran gewöhnt, dass angeblich wissenschaftlich abgesicherte Ergebnisse direkt zu politischem Handeln führen sollen.

Gleichheit wird dabei, was bedenklich ist, als Ergebnisgleichheit konzipiert und nach diesem Maßstab statistisch gemessen. Chancengleichheit wird zwar politisch postuliert, aber in ihren Konsequenzen ebenfalls nur stark vereinfacht diskutiert. Der Zugang zu Bildung und Einfluss ist nämlich sehr viel schwerer zu bestimmen als Ergebnisgleichheit. Letztere kann man berechnen, blockierte Chancen hingegen nur beschreiben. Was genau die Gründe für massive Ungleichheit sind, bleibt somit kontrovers.

Einfacher lassen sich Konsequenzen aus den in unterschiedlichen Feldern gewonnenen statistischen Berechnungen ableiten. Sie beziehen sich ebenfalls nicht auf die Kategorie Gender, sondern auf das biologische Faktum „Frau“ oder „Mann“ (also die Kategorie Sex). Gezählt werden – anders als behauptet – nicht Lebensstile, sondern nichts anderes als Verteilungen zwischen Männern und Frauen (ggf. nach Gruppen aufgeschlüsselt). Statistisch messbare Ungleichheit konstatieren fast alle Studien. Dennoch wissen wir noch lange nicht, woran dies liegt.

Nehmen wir das Beispiel der Erwerbsungleichheit. Frauen verdienen 22 Prozent weniger, bereinigt, wenn man Teilzeit herausrechnet, sind es 7 Prozent. [3] Unterhaltsansprüche, Zugewinn- und Versorgungsausgleich sowie Transferleistungen werden nicht berücksichtigt, weil sie kein Einkommen im Sinne der Studie sind. Sie zu berücksichtigen würde nämlich eine völlig andere, sehr viel kompliziertere Studie verlangen. Schon dies zeigt, dass vorläufige Berechnungen sich nicht dazu eignen, ungerechte Verhältnisse anzuprangern und direkte politische Folgerungen zu ziehen. Beides geschieht aber, besonders deutlich etwa, wenn die pauschale Höhergruppierung typischer Frauenberufe (mit hohen Teilzeit-Anteilen) verlangt und mittels Streiks durchgesetzt wird, was dann zu paradoxen Wirkungen führt (Kommunen können die Mehrkosten nicht bezahlen und eine Umverteilung ist nicht durchsetzbar). Empörung ist zwar öffentlichkeitswirksam, aber nicht unbedingt ein verlässlicher Indikator für kluge Politik.

„Gender ist keine eigenständige Kategorie, sondern ein Interpretationsrahmen für statistische Differenzen“

Weitere Einwände gegen zu schlichte Annahmen dieser Art drängen sich auf. Akzeptiert man, dass solche Studien sich nicht an Gender, sondern an Sex orientieren, weil immer nur Frauen und Männer im biologischen Sinn gezählt werden, wird deutlich, dass Gender keine eigenständige Kategorie ist, sondern ein Interpretationsrahmen für statistische Differenzen. Niemand käme auf die Idee, „Hausmänner“ aus der Gruppe der „Männer“ herauszunehmen und kinderlose oder allein lebende Karrierefrauen aus der Gruppe der „Frauen“. Lebensstile kann man nicht als „weiblich“ oder „männlich“ bezeichnen. Man kann sie auch nicht quantitativ messen und vergleichen, desgleichen nicht komplexe Gender-Arrangements.

Ernstzunehmende Studien müssten also konstatieren, dass die gemessenen Ungleichheiten erst interpretiert werden müssen und politische Folgerungen vor einer interdisziplinär zu leistenden Analyse zu kurz gegriffen sind. Das Zusammenspiel empirischer Daten, sozialer Konstrukte und politischer Postulate setzt etwas mehr an theoretischer Fundierung voraus, als die rituelle Beschwörung der Kategorie Gender leisten kann. Wieso wiederholen das fast alle Studien? Es ist sicher nicht die Macht „der Männer“ über „die Frauen“, sehr viel eher sind es die Drittmittelgeber der europäischen Gleichstellungspolitik, die derlei Rituale verlangen.

Bevor dem näher nachgegangen wird, fragen wir nach dem historischen Sinn dieser kategorialen Trennung. Sie stammt aus den 1970er-Jahren, wurde in den 1980er-Jahren verfestigt und mit einem Jargon belegt, der „Männer“ und „Frauen“ wie homogene Gruppen thematisierte. Die Feministen dieser Generation konnten auf die philosophische Analyse von Simone de Beauvoir [4] verweisen. Damals war es noch nötig zu betonen, dass niemand als „Frau“ geboren werde, denn damals wurden noch immer aus biologischen Unterschieden männliche Privilegien legitimiert. Aber die Zeit für solche Strategien war eigentlich schon nach 1945 vorbei, was Simone de Beauvoir sogar betont hat. In der Gegenwart verfestigt sich die Unschärfe dieser These mehr und mehr zu einer Ideologie. Langsam merken wir, dass geheuchelt wird.

Denk- und Sprechverbote

Nicht ohne Grund widmete die Zeit in ihrem Feuilleton dem Thema „Denkverbote“ Anfang September breiten Raum. [5] Anlass war der Hart-aber-fair-Talk über Gender Mainstreaming, der vom Frauenrat bemängelt und vom WDR hasenfüßig nachträglich zensiert werden sollte. Allerdings musste die ARD nicht zufällig die Entfernung aus der Mediathek wieder rückgängig machen. Dies hat den paradoxen Effekt, dass nun jede und jeder weiß, dass die „Gender-Lobby“ groteske Rituale der Bevormundung pflegt.

In dieser am 3. März ausgestrahlten und am 7. September 2015 wiederholten und für künftige Debatten bahnbrechenden Sendung sprach Sophia Thomalla aus, was in ihren Augen „normale“ moderne Frauen und Männer fühlen, nämlich Überdruss am „Gender-Blabla“. Da sie eine muntere, emanzipierte und sicher nicht stromlinienförmig angepasste Schauspielerin ist, außerdem erfolgreich und nicht auf Arbeitslosenunterstützung angewiesen, spricht sie sicher nicht für alle. Aber ihre Freude über die vielfältigen Möglichkeiten von Frauen im 21. Jahrhundert ist ein Beispiel dafür, dass Chancengleichheit zwischen gut ausgebildeten Frauen und Männern mittlerweile gegeben ist, nimmt man die höheren Etagen der Wirtschaftsbosse bzw. -manager einmal aus.

„Der Gesamteindruck der Hart-aber-Fair-Sendung war eine Blamage für ideologisierte Formen der Gender-Studies“

Was Thomalla stört, war allen Zuhörern klar. Die eingeladene Gender-Forscherin hatte sich verbissen mit einem Nebenthema gequält, dem angeblich ideologischen Gehalt des generischen Maskulinums (Künstler „statt Künstlerinnen und Künstler“, um beim Beruf von Frau Thomalla zu bleiben). Angesichts der massiven Probleme, die wir in den nächsten Jahrzehnten mit Vertreibung, Flucht und Einwanderung, bitterer Armut und Klimaveränderungen haben und lösen müssen, erscheint uns die Veränderung historisch tradierter Sprachformen relativ unwichtig, zumal alle amtlichen Schriftstücke seit den 1990er-Jahren gender-korrekt (und gelegentlich sprachlich gekünstelt) bereinigt wurden.

Der Gesamteindruck der Sendung war also eine Blamage für ideologisierte Formen der Genderstudies und eine offene Kritik an machtbewussten und bevormundenden frauenpolitischen Ritualen. Dass ein leiser Protest – geäußert von einer Privatperson – hier zu Lande prompt mit einem Denkverbot belegt werden könnte, damit rechnete an diesem Abend niemand, so dass plötzlich die Empörung groß war, als der Frauenrat sich mit solch einer Beschwerde beim WDR und dann auch bei der ARD – zumindest kurzfristig – durchsetzen konnte.

Biologie

Ein Einzelfall ist dieses Denkverbot freilich nicht. Am 25. August 2015 beschwerte sich der AStA der Universität Kassel, weil der Professor für Evolutionsbiologe Ulrich Kutschera ein Radio-Interview gegeben hatte, in dem er die Idee des „Gender Mainstreaming“ kritisiert und die Differenz der Geschlechter hormonell-chromosomal und – was erheblich weiter reicht – evolutionsbiologisch in Frage gestellt hatte. Deswegen musste sich Kutschera vor dem Präsidium der Universität verantworten. Er geht davon aus, dass Feministen zwingend die empirisch gemeinte Annahme unterstellen, Männer und Frauen seien gleich und Unterschiede soziale Konstruktionen. Er nimmt also den kulturalistischen Genderbegriff in sein biologisches Wissenschaftsmodell bewusst nicht auf. Muss er das denn, wenn er eine ernsthafte und vollständige Aussage über Geschlechtsunterschiede machen will?

Die Antwort ist zumindest in Europa, wo Kreationisten keinen Einfluss haben, ziemlich einfach. Auch das Fach Evolutionsbiologie sollte interdisziplinär angelegt sein. Dies bedeutet lediglich, dass Fachvertreter ihre Prämissen methodologisch reflektieren. Ich kann nicht entscheiden, ob Kutschera das tut, sehe aber, dass die Kritik an ihm unsachlich ist. Er kritisiert Genderstudien, weil diese in Überschätzung der eigenen Dogmen seinem Fach die Berechtigung absprechen. Diese Kritik steht ihm nicht nur zu, er muss sie formulieren, denn die aktuellen populären (der Zusatz ist wichtig) feministischen Studien haben seit den 1980er-Jahren nicht gelernt, mit anderen Fächern ins fachliche Gespräch zu kommen. An einer „Frauenfeindlichkeit“ der Universitäten kann das nicht liegen, zumal Genderstudies fast immer Drittmittel-Forschung bedeuten.

„Was spricht gegen die empirische Feststellung einer evolutionsbiologischen Verschiedenheit von Geschlechtern?“

Die Polemik gegen „Biologie“ muss Biologen stören und sie müssen ihre Einwände formulieren. Hinzu trat der Vorwurf der sich feministisch dünkenden Gegenseite, Kutschera zeige ein zu plattes Verständnis von „ Gender“ und „Gleichheit“; in der Geschlechterforschung gebe es mittlerweile ganz unterschiedliche Ansätze. Diese würden von Kutschera „gnadenlos vereinfacht“. Dies ist unrichtig. Es gibt zurzeit keinen interdisziplinären Ansatz, der die verschiedenen Wissenschaften unter Beteiligung von Feministen miteinander ins Gespräch bringt. Stattdessen wird wechselseitig polemisiert.

Was spricht gegen die empirische Feststellung einer evolutionsbiologischen Verschiedenheit von männlichen, weiblichen (und dritten) Geschlechtern im Sinne von „Sex“? Eine kluge feministische Theorie kann das doch nicht in Verlegenheit stürzen! Also liegt es an den real existierenden Versionen von Gender Mainstreaming. Denn sie vertreten die These, dass die Kategorie Gender der „Kern der feministischen Lehre“ sei, und haben damit das Postulat, dass „Geschlecht“ nichts Biologisches, sondern ausschließlich sozial bedingt (konstruiert) und anerzogen sei, zu einer Glaubenslehre gemacht, die sich ihrerseits interdisziplinärer Verständigung sperrt. Wer „Gleichheit“ so konzipiert, sieht in einer Analyse der Geschlechtsunterschiede des Menschen mit Blick auf die unterschiedlichen Geschlechtshormone und Hormonausschüttungen einen Angriff auf die eigenen Dogmen.

Dabei wissen – so argumentiert Kutschera – Biologen, Humangenetiker und Mediziner schon aus der Alternsforschung, dass das männliche Geschlechtshormon Testosteron wesentlich mitverantwortlich dafür zeichnet, dass Männer im Schnitt fünf Jahre früher sterben als Frauen. „Männer sind für ein kürzeres Leben selektiert“, zitiert er den Biologen Björn Schumacher [6].

„Antifeminismus und ritueller Feminismus sind beide überholt“

Noch deutlicher wird das Dilemma bei der Reproduktion. Evolutionsbiologisch ist das kleine Zeitfenster der weiblichen reproduktiven Fähigkeiten sinnvoll gewesen. Mütter wurden nicht überstrapaziert und Großmütter hatten noch Kraft und Kompetenz für die Versorgung ihrer Enkelkinder. Mit der Antibabypille und der langen Ausbildung von modernen Frauen wird ovarielles Altern zum Problem, da sie sehr spät Kinder bekommen wollen und dann leider biologisch dazu nicht mehr in der Lage sind. Daran ändert auch die ausgefeilteste Kinderwunsch-Therapie wenig, denn auch sie funktioniert nur, wenn eine Frau noch entwicklungsfähige Eizellen hat (worüber sie mit Mitte 30 – je nach individuellen Besonderheiten – eben nicht mehr verfügt).

Fazit

Wie wir die sozialen Konsequenzen dieser biologischen Fakten kulturell verarbeiten werden, ist noch offen. Aber eines wird klar: „Sex“ hat unmittelbare kulturelle Folgen, „Gender“ ist nicht nur ein Konstrukt, sondern zumindest auch ein je zeit- und kulturbedingtes Reagieren auf Tatsachen, die kulturell verarbeitet werden müssen. So wissen Frauen, dass sie sich früher entscheiden müssen, ob und von wem sie Kinder haben wollen oder nicht, als die jeweiligen Partner. Damit ist schon ein erster Unterschied gesetzt. Wie wir damit umgehen, ist freilich offen.

Noch lebt die real praktizierte Genderforschung und desgleichen die darauf folgende Frauenpolitik von Denkverboten und ist dennoch inzwischen eine wissenschaftliche Macht – in Deutschland gibt es inzwischen etwa 200 Lehrstühle – und wegen ihrer Nähe zur staatlichen Politik auch eine politische Macht. Sie hat ihre Unschuld verloren. Diese Erkenntnis ist relativ neu und muss wissenschaftlich und politisch Konsequenzen haben. Einmal entzaubert, muss man neue Wege gehen. Ich sehe sie in einer interdisziplinären und somit postfeministischen Forschung. Politisch entspräche ihr eine reflexive Integrationspolitik. Denn die schlechtesten Chancen haben schon jetzt schlecht ausgebildete junge Männer der unteren Schichten. Die Gefahr des Antifeminismus sehe ich nicht, wenn diese Öffnung erfolgt, denn Antifeminismus und ritueller Feminismus bedingen sich. Beide können überwunden werden. Wir können froh sein, dass beide überholt sind. Aber die Kriterien der Wissenschaftsförderung bilden das nicht ab. Das muss sich ändern.

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