08.10.2009

„Moderne“ Kunst: Was wir noch heute von längst vergessenen Werken lernen können

Von Malte Tobias Kähler

Es ist eine Binsenweisheit, dass Wohlstand allein aus Anstrengung resultiert. Der Umgang mit der Wirtschaftskrise lässt vermuten, dass dies in Vergessenheit geraten ist.

Auf der linken Seite der Lithographie erkennt man Menschen, die sich gegenseitig beim Versuch behindern, in der Luft schwebende Seifenblasen zu erhaschen. Auf diese Weise scheinen sie sogar ihre Arbeit vollends zu vergessen. Sucht der Betrachter des Bildes nach der Herkunft der Blasen, die so bezeichnende Namen wie „Das Kreditsystem“ oder „Spekulation“ tragen, dann entdeckt er in einer Höhle am Boden einen Teufel, der die Blasen aus seiner Pfeife emporschweben lässt. Unter dem Geschehen mahnt ein Schriftzug, dass dies der Weg in die Armut sei. Die gegenüber liegende Bildhälfte hingegen zeigt eifrig arbeitende Menschen vor ihren Manufakturen, die mit viel Fleiß reale Güter erschaffen, anstatt bloß den Blasen hinterherzulaufen. Darunter wird das Emblem durch einen aufmunterten Satz vervollständigt: „Dies ist der Weg zum Wohlstand“.

Die beschriebenen Szenen stammen aus einem Druck, den Nathaniel Currier und James Ives bereits im Jahre 1875 anfertigten. Und doch könnte der Scheideweg, vor dem die globalisierte Welt heute steht, kaum besser verdeutlicht werden als durch dieses alte Motiv. Die Krise stellt uns vor die Wahl, erneut den von „Blasen“ geprägten Weg der Vergangenheit zu beschreiten oder aber der hoffnungsvollen Mahnung von Currier und Ives Folge zu leisten. Dabei gossen die beiden Künstler lediglich die Binsenweisheit in ein Bild, dass Wohlstand allein aus Anstrengung resultiert. Sicherlich kann Prosperität nicht politisch verordnet werden. Dennoch wurde genau das in den letzten Jahren versucht, was schließlich maßgeblich zur Misere der vergangenen zwei Jahre beitrug.

Die Ursache der Krise – soviel ist wohl Konsens – lag ja darin, dass viele Menschen falschen Versprechungen (den „Blasen“) hinterher gelaufen sind. Umstritten ist dabei jedoch die Frage, warum sie das offenbar synchron über einen langen Zeitraum hinweg taten. Ungezügelte Märkte, so meinen die Einen, neigen von Natur aus zu wilden Spekulationen. Drum gilt es, sie unter verstärkte staatliche Kontrolle zu bringen. Blödsinn! – so die Anderen, die Regulierungen im Finanzwesen seien bereits heute erdrückend und außerdem fielen derart gewaltige Spekulationen nicht vom Himmel, etwas müsse sie verursacht haben… war also womöglich auch hier der Teufel mit im Spiel?

In der Tat kommen immer mehr Ökonomen zu dem Schluss, dass die jüngste Spekulationsblase bei Schrottpapieren und Immobilien im Wesentlichen einer zu lockeren Geldpolitik der staatlichen Notenbanken geschuldet war. Um die „Blase“ zu füttern, die sich ja dadurch auszeichnete, dass die Preise der Immobilien und weiterer Kapitalgüter immerzu und überschwenglich stiegen, war es notwendig, dass sich ein Großteil der Marktteilnehmer immens verschuldete. So konnten die ungeheuren Summen aufgebracht werden, welche die Preise dauerhaft in die Höhe trieben. Ein fortgesetzter Anstieg der Verschuldung ist auf freien Märkten allerdings durch die Bereitschaft der Sparer begrenzt, die die Schulden der ersten Gruppe ja durch ihren Konsumverzicht finanzieren müssen. Die private Ersparnis in den USA sank jedoch seit Jahren erheblich, weshalb der jüngste Boom nicht auf einer realen Basis fußen konnte. Vielmehr war er das Ergebnis einer künstlich gesteigerten Papiergeldproduktion, zentral orchestriert von den internationalen Notenbankern und dazu verdammt, schließlich in einer Scheinblüte zu enden.

Mit dem Ziel, die Wirtschaft nach der New-Economy-Blase wieder in Fahrt zu bringen, sorgte der zentral diktierte Leitzins, der ein historisches Niveau von einem Prozentpunkt aufwies, dann auch zunächst für einen phantastischen Aufschwung. Weil die Investoren das Geld für Kredite auf diese Weise beinahe hinterhergeworfen bekamen, konnten ihre Käufe von Immobilien und fragwürdigen Kreditverbriefungen dabei sogar als rational bezeichnet werden: Beteiligte ein einzelner Investor sich nicht an diesem lukrativen Spiel, so fand sich mit Sicherheit ein anderer dafür. Jahr für Jahr wuchsen die Preise von eigentlich wertlosen Papieren sowie der Wert mittelprächtiger Häuser wie durch ein perpetuum mobile angetrieben ins Astronomische – zumindest solange, wie der billige Kreditstrom der Notenbanken noch nicht versiegte. Ähnlich dem Pyramidenspiel des Wall-Street-Betrügers Madoff musste jedoch auch diese Wette irgendwann ein Ende finden: dann nämlich, als die „Einsätze“ – sprich: neue Kredite – durch die steigenden Leitzinsen immer teurer wurden. 

Als der Fluss des staatlichen Papiergeldes aus Sorge vor einer zunehmenden Inflation allmählich verebbte, nahm der Abschwung seinen Lauf. Eine Rezession, das ist nichts weiter als die Revolte des Marktes gegen die zuvor erfolgten Eingriffe in die Geldordnung. Man stelle sich vor, der Markt hätte die schadvolle Entwicklung nicht irgendwann korrigiert und die fehlgeleiteten Investitionen wären somit noch immer nicht als falsch entlarvt worden: womöglich würden dann auch heute noch „Lehman“-Zertifikate oder andere Schrottpapiere zu überhöhten Preisen verkauft werden. Unvorstellbar, wie viel mehr Leid ein Absturz der Kurse dann erzeugen könnte.

Zweifellos war der Crash von 2008 verheerend, aber er war nicht das Ergebnis freier Märkte, sondern die längst überfällige Bereinigung von den Fehlern der intervenierenden Geldpolitik. Denn in den vergangenen Monaten korrigierten die Menschen genau das, was zuvor durch die Eingriffe der Notenbanken aus den Fugen geraten war: Die Sparquote der Amerikaner, die in den Boomjahren noch negative Vorzeichen aufwies, erholte sich außerordentlich rasch – dort werden offensichtlich bereits Reserven geschaffen, mit denen ein neuer und nachhaltiger Aufschwung beginnen kann.

Es sind daher keinesfalls die Konjunkturpakete der Politiker, die uns allmählich aus der Krise führen, sondern die persönliche Anstrengung vieler millionen arbeitender und sparender Menschen. Zudem wird immer deutlicher, dass unser Währungssystem, das derzeit auf der wackeligen Basis eines beliebig vermehrbaren Papiergeldes steht, nur neue Krisen hervorrufen kann. In dem Glauben, die Wirtschaft adäquat planen zu können, unterliegen die sogenannten „Währungshüter“ dabei stets einer gefährlichen Hybris. Denn in ihren Elfenbeintürmen vergessen sie nur allzu oft das Leitmotiv der oben beschriebenen Lithographie: Nicht die Menge an vorhandenem Geld begründet den Wohlstand, sondern die Verfügbarkeit realer, erarbeiteter Güter. Das erfordert allerdings ehrliches Schaffen und vor allem private Ersparnisse, ohne die innovative Unternehmer kein Kapital für zukunftsfähige Projekte erhalten könnten. Die künstliche Vermehrung der „Schein“-Kredite durch das Zentralbankensystem kann die private Ersparnis indes nicht ersetzen. Es sorgt stattdessen für kurzfristige Blasen, die allein durch „Liquidität“ gefüttert werden – ein Wort, das wenig mehr ist als ein Euphemismus für das bitter klingende „Gelddrucken“.

Das ausgerufene Ende der Krise stellt uns somit vor eine Entscheidung: Entweder bejubeln wir weiterhin die konzertierten Aktionen der Notenbanken und strecken unsere Hände bereitwillig der nächsten Blase entgegen (die sich womöglich im Gefilde der Staatsanleihen vor unseren Augen auftut). Oder wir schränken die Macht der Währungsbehörden, die Geldmenge beliebig zu erhöhen, endlich durch den „Anker“ einer Golddeckung ein und besinnen uns wieder auf die zeitlose Botschaft des eingangs erwähnten Kunstwerkes.

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