06.01.2015

Legal und Illegal im Visier der Prohibition

Essay von Frank Steffan und Michael Weigelt

Zu einer verfehlten Verbotspolitik gegenüber Substanzen wie Cannabis und Kokain gesellen sich auch restriktive Ansätze bei erlaubten Genussmitteln.Eine Kritik an der vorherrschenden Drogenpolitik.

Es bedarf keiner großartigen Insiderkenntnisse, um feststellen zu können, dass die Drogenpolitik der westlichen Welt grandios gescheitert ist. Fakt ist unzweifelhaft: Obwohl immer mehr Aufwand betrieben wird, um die weltweite Drogenproduktion zu reduzieren und deren Transport zu verhindern, werden immer mehr Drogen produziert, zu ihren Märkten transportiert und dort konsumiert. Diese Drogenpolitik hat lediglich bewirkt, dass sich im Laufe von vielen Jahrzehnten immer mehr hochkriminelle und hocheffiziente Organisationen gebildet haben, die durch den Handel mit illegalen Substanzen unfassbar reich und mächtig geworden sind. Der Öffentlichkeit wird jedoch von Anfang an vorgegaukelt, dass immer wieder wunderbare Erfolge bei der Bekämpfung des Schmuggels erzielt werden – beispielsweise durch die Verhaftung gefährlicher Drogenbosse oder durch die Beschlagnahmung von Lieferungen, dass somit durch polizeiliche Maßnahmen bislang das Schlimmste verhindert wurde.

Tatsächlich sind das die berühmten Tropfen auf den heißen Stein. Wird irgendwo eine Lieferung beschlagnahmt oder eine Organisation zerschlagen, wird bestenfalls der Weg für neue, cleverere Organisationen freigemacht. Weder die Mohn-, Coca- oder Hanfbauern noch die weltweit operierenden „Vertriebsorganisationen“ sind für den Konsum dieser Substanzen letztendlich ursächlich verantwortlich, es sind vielmehr die Konsumenten in Nordamerika und Europa, die durch ihre offenbar bestehenden Bedürfnisse den Handel in Schwung halten.

„Es ist typisch für die betriebene Augenwischerei der zuständigen Politik, dass ein bestehendes Problem schlicht verboten wird“

Es ist typisch für die betriebene Augenwischerei der zuständigen Politik, dass ein bestehendes Problem nicht ursächlich bekämpft, sondern schlicht und ergreifend verboten wird. Das Verbot beruhigt diejenigen, die im Drogenkonsum ein Problem oder gar eine gesellschaftliche Bedrohung sehen, erst recht, wenn sie selbst in keiner Weise betroffen, sprich ahnungslos sind. Ist etwas verboten, so ist es auch im Griff und quasi schon gelöst, so der verbreitete Irrglaube. Diese Sicht der Dinge wird bewusst von Regierungen, staatlichen Organisationen und von den Mainstream-Medien suggeriert und es ist der einfachste Weg, um Mehrheiten zu gewinnen.

Vollends kompliziert wird die Gemengelage noch dadurch, dass in der ganzen Debatte sehr unterschiedliche Substanzen auf eine Stufe gestellt werden und auch der Aspekt der legalen Drogen nicht unberücksichtigt bleiben kann. Alles zusammen ist höchst differenziert, aber gleichzeitig auch wiederum ursächlich miteinander verknüpft.

Cannabis

Ein ganz besonders skurril-tragischer Fall ist Hanf bzw. die aus der weiblichen Pflanze gewonnenen, THC-haltigen Substanzen Marihuana und Haschisch. Hanf ist in den letzten einhundert Jahren so derart stigmatisiert und tabuisiert worden, dass es im bürgerlichen Bewusstsein auf einer Gefährlichkeitsstufe mit Kokain und Heroin steht. Dieses extreme Tabuisieren hat dazu geführt, dass selbst die Abgabe von medizinischen Hanfprodukten als ausgesprochen gefährlich eingestuft wird. Dies obwohl – sinnvollerweise – allgemein akzeptiert wird, dass opiumhaltige Arzneien wie selbstverständlich an Kranke verabreicht werden können. Dem Opium wird somit allgemeinhin eine höhere heilbringende Wirkung zugeschrieben als Hanf! Das ist grotesk, aber die irrwitzige Realität. Selbst unheilbar erkrankten Krebspatienten wird bis heute verboten, THC-haltige Substanzen zu sich zu nehmen, obwohl sich ihr Leiden dadurch nachweislich lindert. Alleine die Tatsache, dass sich ein Rechtssystem aufschwingt, einem Todkranken vorzuschreiben, was für ihn gut oder schlecht ist, ihn „vor Gefahren“ zu schützen, ist im Grunde genommen grotesk. Das ist so aberwitzig wie die tatsächlich in manchen US-Staaten verbotene „letzte Zigarette“ für zum Tode Verurteilte.

Weder der Konsum von Haschisch noch von Gras machen im engeren Sinne körperlich abhängig. Alkohol kann demgegenüber sehr wohl körperlich abhängig machen, ist aber frei verkäuflich. Die Wirkung von Haschisch/Gras ist dämpfend, nie aggressionsfördernd. Die Wirkung von Alkohol kann demgegenüber verheerend aggressionssteigernd sein. Dennoch herrschen gerade in Kreisen, die man als gutbürgerlich bezeichnen könnte, geradezu panische Ängste vor Hanfprodukten aller Art. Wieso? Weil die angeblichen Gefahren jahrzehntelang verbreitet wurden – unermüdlich. Das Ergebnis dieser Beeinflussung ist beeindruckend und sehr schwer aufzubrechen.

„Es liegt kein kausaler Zusammenhang zwischen Haschischkonsum und anderem Drogenkonsum vor.“

Zwei beliebte Argumente werden im Fall von Hanf gebetsmühlenartig wiederholt: Es muss verboten bleiben, weil es eine „Einstiegsdroge“ sei. Tatsache ist demgegenüber: Wäre Cannabis nicht verboten, könnte es nicht mal theoretisch eine Einstiegsdroge sein. Erst das Verbot bringt Hanf in Verbindung mit anderen Drogen. Einem Dealer ist es nun mal völlig egal, womit er dealt, Hauptsache illegal und teuer. Nur so kann Haschisch in die Angebotspalette von Straßendealern gelangen und auf diesem Weg Konsumenten ggf. mit anderen Drogen in Kontakt bringen. Es liegt kein kausaler Zusammenhang zwischen Haschischkonsum und anderem Drogenkonsum vor. Selbst ein kausaler Zusammenhang zwischen Tabakrauchen und Haschischrauchen besteht nicht, obwohl fast jeder Kiffer vorher schon mal Tabak geraucht hat und zumeist weiterhin Tabak raucht. Die große Mehrheit der Tabakraucher kifft allerdings nicht. Aber nach der skurrilen Logik der Verbotsapostel müsste nahezu jeder Tabakraucher früher oder später mit dem Kiffen beginnen.

Das andere, gern angeführte Argument lautet: Wenn man Hanfprodukte legalisiert, läuft man akut Gefahr, dass über kurz oder lang alle bekifft in der Ecke liegen. Dann probiert es jeder, alle Dämme würden brechen, so das an die Wand gemalte Horrorszenario. Das klingt für dumpfe Gemüter sogar schlüssig, ist aber völliger Unfug, denn: Obwohl Alkohol frei zugänglich ist, an jedem Kiosk sich jeder Volljährige so viel Alkohol legal kaufen kann, wie er will, sogar so viel, dass er sich damit umbringen könnte, liegt nicht jeder besoffen in der Ecke! Im Falle einer Cannabis-Legalisierung würden diejenigen, die bisher kiffen, ihr Hanf legal beziehen oder anbauen können; nicht mehr und nicht weniger würde passieren. Selbst wenn ein paar Leute Cannabis probieren würden, weil es auf einmal legal ist, würden wir nicht in Zuständen wie in Sodom und Gomorra versinken. Erfahrungsgemäß zeigt sich sogar eher, dass legale Produkte an Reiz verlieren.

„Die Freigabe von Hanf ist nichts weiter als eine Frage der Rationalität“

Die Allgemeinheit wird ein ums andere Mal mit obskuren Scheinargumenten konfrontiert, die in sich so absurd sind, dass man zunächst sprachlos bleibt. Ein Beispiel: In einer Talkshow mit Moderator Markus Lanz gastierte die Ex-Nachrichtensprecherin Nina Ruge. Sie wurde als „Expertin in Sachen jugendliche Drogenkonsumenten“ vorgestellt und gab zum Thema Cannabis-Legalisierung folgendes zu bedenken: Sie sei absolut dagegen, Cannabis zu legalisieren, denn es gibt ja bereits zwei legale Drogen, sprich Alkohol und Tabak. Somit würde man sich noch ein drittes Problem ins Haus holen! Riesenapplaus im Publikum. Nach dieser wirren Logik bräuchte man im Umkehrschluss nur die beiden erlaubten Probleme, also Alkohol und Tabak, verbieten und wir wären alle Probleme endlich los!

Wir sind für eine völlige Freigabe von Hanfprodukten. Der beste Weg wäre der legale Eigenanbau und die kontrollierte Abgabe über staatliche Stellen. Die Freigabe von Hanf ist nichts weiter als eine Frage der Rationalität. Nüchtern und emotionslos betrachtet, würde kein Weg daran vorbei führen, zumal die Vorteile für alle groß wären. Die einzigen, die sich mit aller Macht dagegen sträuben, sind Dealer und Dealerorganisationen. Genau deshalb haben große und kleine Dealer mit massiven Spenden dazu beigetragen, dass 2011 der Volksentscheid zur Freigabe von Hanf im US-Bundesstaat Kalifornien haarscharf scheiterte. Dealer und Verbotsapostel konnten sich zum wiederholten Male zuprosten, weil eine Legalisierung gemeinsam verhindert wurde.

Kokain

Im Vergleich zu Hanf ist Kokain brandgefährlich. Dennoch stellt sich die Frage, ob ein Verbot wirklich sinnvoll bzw. wirkungsvoll ist. Die Summen, die durch die Produktion, den Transport und den Vertrieb von Koks generiert werden, sind so immens, dass sie die Haushaltsvolumina von zahlreichen, nicht eben kleinen Staaten übersteigen. Organisationen wie ehedem das Medellin-Kartell und/oder das weiterhin aktive Kali-Kartell in Kolumbien sind durch den Handel mit Kokain unfassbar reich und mächtig geworden. Alle Versuche, das Problem mit den klassischen Mitteln zu bekämpfen, sind gescheitert. Die klassischen Gegenmittel sind: immer mehr Manpower, immer mehr Hightech, immer mehr Geld und vor allem auch immer mehr Befugnisse für Drogenbekämpfungsorganisationen wie die US-amerikanische DEA – zu Lasten der bürgerlichen Freiheiten.

„Eine Legalisierung von Kokain würde die kriminellen Strukturen völlig austrocknen.“

Trotzdem gelangt immer mehr Kokain auf die Märkte in den USA und in Europa. Wird ein Krakenkopf abgeschlagen, wachsen zahlreiche neue nach. Der Krieg ist auf diese Weise definitiv nicht zu gewinnen. Die Öffentlichkeit wird allerdings in dem Glauben gelassen, dass man alles im Griff habe. Es wird permanent verkündet, dass ein Stopp der bisherigen Strategie unweigerlich in die pure Anarchie führt. Eine Legalisierung von Kokain würde aber zunächst einmal nur eins bewirken: Das völlige Austrocknen der kriminellen Strukturen. Wie man – ohne riskante Nebenwirkungen – eine intelligente Abgabe an Konsumenten regeln kann, würde eine Menge Kreativität erfordern, aber es wäre die Anstrengung allemal wert.

Heroin

Bei Heroin hat es erstaunlicherweise sogar im ideenarmen Deutschland einige Modellversuche gegeben, die zumindest Anlass zu einem gewissen Optimismus geben. Heroin ist für mafiöse Organisationen mindestens genauso lukrativ wie Koks. Die politische Dimension ist allerdings noch pikanter. Ohne Mohnanbau keine Opiate, und Mohnanbau wird nun mal in machtpolitisch ausgesprochen delikaten Gegenden betrieben: Afghanistan, Iran, Türkei, Kurdengebiete, Südostasien etc. Im Handel mit Heroin mischen häufig alle möglichen Geheimdienste mit, um sich und ihre Aktionen zu finanzieren oder um Machtsphären zu sichern. Doch auch hier gilt nach unserer Einschätzung: Beim Heroin stellen sich letztendlich die gleichen Fragen wie beim Kokain. Nur ein Abkoppeln der kriminellen Vertriebsstrukturen von den Konsumenten kann zu einer spürbaren Linderung der Probleme führen.

Tabak und Alkohol

Es wird in der Betrachtung oft zwischen legalen und illegalen Drogen unterschieden. Die legalen Drogen sind bekanntermaßen Alkohol und Tabak. Dabei ist erstaunlich, wie sich die jeweiligen Interessenlagen auseinanderdividieren lassen. Damit ist beispielsweise gemeint, dass Konsumenten von Hanf zwar vehement die Legalisierung ihrer „Droge“ (völlig zu Recht) fordern, aber oftmals absolut nichts dagegen haben, wenn Tabak so verboten und verfolgt werden würde, wie es Hanf aktuell ist. Demgegenüber empfinden sich pure Zigarettenraucher zwar zunehmend verfolgt und gegängelt, aber sie erkennen in der Regel nicht die Gefahr, dass „ihr“ Tabak auf dem Sprung in genau die Illegalität ist, in der sich Cannabis bereits seit langem befindet. Eine Interessensgleichheit mit „Kiffern“ sehen „bürgerliche“ Raucher schon mal erst recht nicht. Dass sie beide von den gleichen Verbotsfetischisten bedroht und verfolgt werden, wird hier wie da übersehen. Es wäre aber dringend an der Zeit, dass all diejenigen, die die unterschiedlichsten Konsumgewohnheiten haben, sich gegenseitig zumindest akzeptieren lernen und im ureigenen Interesse einander helfen und sich Prohibitionsbestrebungen gemeinsam entgegenstemmen.

In Sachen Tabakrauchen fordern wir eine klare Trennlinie zwischen dem Schutz von Nichtrauchern und dem Gängeln, Erziehen und Zwangsmissionieren von Rauchern. Auch wenn durchaus entgegen dem veröffentlichten Mainstream die Gefährlichkeit vom sogenannten „Passivrauchen“ zu bezweifeln ist, und dieser nur als juristisch notweniger Hebel für Rauchverbote dient, so ist durchaus einzusehen, dass nicht wie selbstverständlich allerorten geraucht werden sollte. Die Grenze zwischen verständlichen Regelungen und Terror ist jedoch dann überschritten, wenn Nichtraucher keinerlei echten oder eingebildeten „Gefährdungen“ ausgesetzt sind, z.B. wenn nur im Nachbarraum weiter geraucht wird. Auch wenn darüber hinaus in kleinen Kneipen, die als Raucherkneipen gekennzeichnet sind, geraucht wird, dann besteht für keinen Nichtraucher irgendeine Gefährdung. Er kann sein Bier eine Ecke weiter rauchfrei genießen. Dennoch wurde dies im vorvergangenen Jahr in Nordrhein-Westfalen gesetzlich untersagt.

„Die bisherigen Rauchverbote sind lediglich der Auftakt zu noch wesentlich rabiateren Regelungen“


Die Öffentlichkeit muss sich darüber im Klaren werden, dass die bisherigen Rauchverbote lediglich der Auftakt zu noch wesentlich rabiateren Regelungen sein werden, wenn der Entwicklung nicht Einhalt geboten wird. Es mag heute noch als ausgeschlossen erscheinen, aber spätestens dann, wenn in ganz Deutschland das Rauchen in der gesamten Gastronomie verboten ist, werden die nächsten Schritte eingeleitet: Rauchverbot auf der Straße und zwar absolut überall, auch in Parks, an Haltestellen, dann auch im Auto. Es könnte ja mal ein Kind mitfahren und zur Sicherheit des Fahrers. Schließlich folgt der massive Eingriff in die echte Privatsphäre, sprich in die Wohnung. Erste Urteile gibt es bereits. Wird diese Entwicklung nicht jetzt in Deutschland gestoppt, werden wir in wenigen Jahren US-amerikanische oder australische Verhältnisse haben.

Diejenigen, die Prohibition wollen und vorantreiben, sind in aller Regel Menschen, denen es zuallererst darum geht, anderen den Genuss im weitesten Sinne zu verunmöglichen. Um welchen Genuss es sich dreht, ist zumeist egal und austauschbar. Diejenigen, die es fertig gebracht hatten, in den USA zwischen 1919 und 1933 den Alkohol zu verbieten, wollten auch ein völliges Rauchverbot durchsetzen. Die Prohibitionsbefürworter in den USA, denen es gelang, den Alkohol zu verbieten, waren außerdem mindestens ebenso radikale Hanfgegner. Während dieser Zeit begann die dramatische Verteufelung von Hanf in den USA, mit Folgen, die bis heute nachwirken. Eine Ironie des Schicksals ist zweifellos die Tatsache, dass in den letzten Jahren gleich mehrere US-Bundesstaaten den Cannabiskonsum umfassend legalisiert haben!

Alkohol wiederum ist absolut legal und bis heute zumindest in Deutschland noch gesellschaftlich unantastbar. Prohibitionisten werden sich dieses Themas früher oder später ebenfalls verstärkt annehmen. Die Vorgehensweise ist stets die gleiche. Es kann sehr gut sein, dass irgendwann alkoholischen Produkten die gleiche gesellschaftliche Ächtung bevorsteht wie Tabak. Die Gesellschaft muss sich grundsätzlich fragen, ob Moralaposteln und Psychopathen die Macht eingeräumt wird, in das Leben aller eingreifen zu können oder nicht. Das ist die Kardinalfrage.

Grüne

Eine besondere Rolle spielen die Grünen. Sie gelten im allgemeinen Bewusstsein bis heute als besonders freakig, irgendwie auch hippiemäßig, auf jeden Fall als liberal und tolerant. Dies alles ist seit geraumer Zeit ein sagenhafter Etikettenschwindel. Die „Grünen“ sind heute die Verbotspartei überhaupt. Man muss es aber noch wesentlich schärfer formulieren: Die „Grünen“ sind die Prohibitionspartei schlechthin, eine durchaus militante Organisation, die ihre Ziele durch knallharten Law-and-Order-Einsatz umsetzen will und im Falle der Macht auch umsetzen wird. Die „Grünen“ wollen durch extreme Verbote die „rauchfreie Gesellschaft“ und sind diesbezüglich zu allem bereit, bis hin zum Totalverbot von Tabak.

Die „Grünen“ wähnen sich als moralisch überlegen und dazu berufen, Menschen den Weg zum Glück zu weisen – auch gegen deren Willen. Es ist deshalb auch nur typisch, dass die „Grünen“ 1998, als sie damals in die Bundesregierung mit der SPD eintraten, das sogenannte Hanfsamen-Verbot durchdrückten, das die deutsche Hanfszene fast vollständig um ihre Existenzgrundlage brachte! Das weiß heute kaum noch jemand, aber man sollte sich dringend daran erinnern. Damals wie heute schreiben die „Grünen“ in ihr Programm irgendwelche schwammigen Formulierungen zur Legalisierung und betreiben – einmal an der Macht angelangt – eine gegenteilige Politik.

Neue Wege beschreiten

Es bedarf keiner machtbesoffenen Weltverbesserer, die unter dem Deckmantel des „Nur-das-Beste-Wollen“ Verbote durchsetzen und zementieren und es bedarf auch keiner Gutmenschen, die ebenfalls das Beste für die armen, verführten Menschen wollen, um die bestehenden Drogenprobleme zu lösen. Will man die Probleme wirklich lösen, dann bedarf es ganz neuer Denkansätze, die nicht von vornherein als Teufelswerk diskreditiert werden. Egal, um was es auch gehen mag, die Ursachen für Drogenkonsum sind vielfältig, sie reichen von purem Spaß, gelegentlichem Ausprobieren bis hin zu knallharter Abhängigkeit. Aber diese Ursachen sind nun mal da und lassen sich nicht verbieten. Tatsache ist auch, dass jeder menschliche Organismus anders reagiert. Es gibt Menschen, die nur durch das unregelmäßige Trinken von Bier zu Alkoholikern werden und es gibt im Gegensatz dazu Menschen, die über einen langen Zeitraum täglich härteste Drinks zu sich nehmen und keine Alkoholiker werden. Es gibt Menschen, die tatsächlich nur gelegentlich Zigaretten rauchen, die Dosis nicht erhöhen müssen, immer wieder problemlos aussetzen können und es gibt andere Menschen, die binnen kürzester Zeit immer mehr Zigaretten rauchen (müssen), weil sie regelrecht körperlich abhängig geworden sind.

„Es gibt kontrollierte Kokser und sogar Gelegenheitsjunkies“

Auch wenn es völlig gegen die Political Correctness verstößt, so muss hinzugefügt werden, dass es sich bei allen illegalen Drogen genauso verhält. Es gibt kontrollierte Kokser und sogar Gelegenheitsjunkies. Etwas anders ist es bei Cannabis, da lassen sich die klassischen, körperlichen Suchtsymptome gar nicht feststellen, wohl aber kann es zu einer psychischen Abhängigkeit kommen. Hier läge der erste Ansatz für eine seriöse und auf echte Lösungen zielende Beschäftigung mit der Drogenproblematik. Es müsste wissenschaftlich untersucht werden, warum der eine Mensch, ohne je eine Zigarette geraucht zu haben, an Lungenkrebs erkrankt und der andere täglich zwei Schachteln wegraucht und 90 Jahre alt wird. Warum gerät der eine Mensch nach geringem Heroinkonsum in eine völlige Abhängigkeit und der andere über einen langen Zeitraum gar nicht? Was für Schlüsse lassen sich daraus ziehen, wie erklärt es sich und was kann jeder Einzelne daraus für sich lernen?

Es ist wahrscheinlich keine schlechte Idee der Piratenpartei, ein Schulfach „Drogen, Drogenerfahrungen, Rauschkunde“ – oder wie auch immer man das genau bezeichnen will – einzurichten. Jeder Jugendliche muss sich darüber im Klaren sein, dass sein Organismus so oder so reagieren könnte, man muss sich der Risiken bewusst sein. Nur so lassen sich programmierte Auswüchse verhindern. Natürlich kann es auch dann, wenn Menschen wertfrei aufgeklärt und Drogen legal sind, zu Auswüchsen kommen. Natürlich neigen nicht gerade wenige Menschen dazu, die ganze Hand zu nehmen, wenn man ihnen den kleinen Finger reicht. Aber: Sie würden es so oder so tun, egal ob legal oder illegal. Es ist unmöglich, das Ziel einer „drogenfreien Welt“ oder einer „rauchfreien Welt“ zu erreichen. Das kann man bedauern oder auch nicht, aber es ist eine Tatsache. Man sollte versuchen, die bestmöglichen Wege zu gehen, den Tatsachen ins Auge schauen.

Der Irrglaube, dass mit einem Verbot gleichzeitig das Problem schon beseitigt wäre, stellt das eigentliche Problem dar. Es dient der Beruhigung derjenigen, die damit nicht direkt konfrontiert sind und es demonstriert die vermeintliche Handlungsfähigkeit der Staatsorgane. Die Wahrheit ist demgegenüber oftmals verdammt unangenehm und sie ist vor allem gegenüber der Verbotslogik wesentlich schwieriger zu vermitteln. Aber das Aufbrechen der bisherigen Denkweisen ist dringend erforderlich.


Dieser Artikel ist zuerst in der Novo-Printausgabe (#118 - II/2014) erschienen. Kaufen Sie ein Einzelheft oder werden Sie Abonnent, um die Herausgabe eines wegweisenden Zeitschriftenprojekts zu sichern.

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