26.06.2015

Laudato Sí: Der Papstflüsterer und die große Transformation

Kommentar von Thilo Spahl

Der deutsche Öko-Berater von Papst Franziskus möchte die Demokratie lenken. Im Papst findet er eine neue Werbefigur für seine Vision: Weniger Menschen, die obendrein ärmer sind und die alle auf Joachim Schellnhuber hören. Thilo Spahl lässt sich nicht von Klimapäpsten lenken

Prof. Dr. Dr. h.c. Hans Joachim Schellnhuber CBE ist ein Mann mit einer Mission. Er ist Vorsitzender des Wissenschaftlichen Beirats der Bundesregierung Globale Umweltveränderungen (WBGU) und damit der Mann hinter der Klimakanzlerin. Jetzt hat er einen gefunden, der noch besser Werbung für die gute Sache machen kann als Frau Merkel: den Papst. Der Physiker und Klimafolgenforscher hat ihn maßgeblich beraten und durfte im Vatikan die Umweltenzyklika vorstellen, in der eine „ökologische Umkehr“ [1] gefordert wird. Schellnhuber selbst bevorzugt den Begriff der „großen Transformation“ [2] (zu einer „klimaverträglichen Weltgesellschaft“).

Laut Schellnhuber hat der Papst mit der Enzyklika „eine Art Regierungserklärung“ [3] vorgelegt. Man fragt sich, welche Regierung sich hier erklärt. Die Antwort findet man in dem Hauptgutachten des WBGU „Welt im Wandel: Gesellschaftsvertrag für eine Große Transformation“ aus dem Jahr 2011 [4]. Die Protagonisten dieser großen Transformation sind der „gestaltende Staat“ und die „Pioniere des Wandels“. Uns im Volk bleibt die passive Rolle der Mitzunehmenden. Zwei solche Pioniere haben nun offenbar die Regierungserklärung für den „gestaltenden Staat“ vorgelegt.

Für den Papst ist der Konsum das Problem, für Schellnhuber der Mensch. Er antwortet mit Rücksicht auf seinen neuen Verbündeten zwar auf die Frage nach der „Bevölkerungsexplosion“, Menschen seien „doch kein Übel“. In der Comicfassung [5] seines großen Projekts, die dazu dienen soll, das WBGU-Gutachten zu popularisieren, sieht das allerdings ganz anders aus. Hier werden die sieben Milliarden Menschen als vier Mann hoch übereinander gestapelter Menschenberg auf einem untergehenden Boot gezeichnet und bilden den Einstieg in eine Bildfolge, die den Planeten als industrielle Müllkippe zeigt.

„Für den Papst ist der Konsum das Problem, für Schellnhuber der Mensch“

Im Anschluss sehen wir, woher die Rettung naht. Wir betreten mit dem Helden „John Schellnhuber“ das „energieoptimierte“ Gebäude des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung und erfahren, dass der WBGU seit dem Jahr 1994 planetare Leitplanken entwickelt hat, innerhalb derer wir uns bewegen müssen, wenn die Zivilisation nicht ausgelöscht werden soll. Auf eine ist man besonders stolz. Mit Blick auf die Erdkugel (das Bild ist unten abgeschnitten. Man sieht nicht, ob er sie in Händen hält) erklärt Schellnhuber, dass die zwei Grad Klimaschutzleitplanke international von vielen Ländern aufgegriffen wurde.

Im nächsten Bild taucht unvermittelt Barack Obama im Oval Office auf. Er telefoniert mit jemandem (es wird wohl Schellnhuber sein, dem er berichtet) und beteuert, dass er sehr beunruhigt sei, dass der Fortschritt, den man gemacht habe, nicht so substanziell ist, wie er sein müsste.

Die wissenschaftliche Erklärung für das zwei-Grad-Ziel liefert im folgenden Bild ein Kranker im Bett, dessen Kopf eine schwitzende Weltkugel ist. Wir lernen, dass ein Anstieg der Körpertemperatur um zwei Grad deutliches Fieber bedeute und ab 40 Grad ein Organ nach dem anderen versage, bis schließlich das ganze menschliche System zusammenbreche. Und wenn es bei unserem Körper so ist, wird es wohl beim Planeten nicht anders sein, oder?

Dass in der Enzyklika das Zwei-Grad-Ziel nicht explizit genannt wird, findet Schellnhuber in Ordnung. Der Papst müsse sich nicht „ins operative Klima-Geschäft einmischen“. Dieses Geschäft sieht er offenbar als seine Aufgabe und die der Politiker, wobei er klare Vorstellungen zur Arbeitsverteilung hat: „Die Rolle der Klimaforschung bleibt weiterhin, die Problemfakten auf den Tisch zu knallen und Optionen für geeignete Lösungswege zu identifizieren. Die Rolle der Politik ist es dann, den Bürgerwillen zu mobilisieren, um wissensbasierte Entscheidungen umzusetzen“, sagte er in einem früheren FAZ-Interview [6].

So ähnlich steht es auch im Gutachten: „Die kolossale Herausforderung für die Modernisierung repräsentativer Demokratien besteht nun darin, zur Gewinnung von zusätzlicher Legitimation mehr formale Beteiligungschancen zu institutionalisieren, diese zugleich aber an einen inhaltlichen Wertekonsens nachhaltiger Politik zu binden, damit ‚mehr Partizipation‘ im Ergebnis nicht zu ‚weniger Nachhaltigkeit‘ führt.“

Wie sollen wir das nennen? Demokratie 2.0? Der Mensch denkt, Gott lenkt? Und wer übernimmt die Rolle Gottes auf Erden? Doch wohl der, der die planetarischen Leitplanken definiert, die unseren Weg bestimmen sollen. Solange wir uns daran halten, erlaubt Herrn Schellnhuber sogar Wachstum: „Ich habe nichts gegen Wirtschaftswachstum, wenn es eben die planetarischen Leitplanken nicht durchbricht.“ Um das zu gewährleisten, ist ein laut Gutachten „klimapolitisches Mainstreaming der Staatsorganisation“ notwendig.

„Wenn man die Armen fragt, hat der Klimawandel keine Priorität“

Das Wachstum darf nur nicht dazu führen, dass die Armen reich werden. Zu ihrer Entlastung führt er im FAZ-Interview an: „Wenn wir uns die Emissionen anschauen, dann trägt die Masse der armen Menschen fast nichts zum Anstieg der Treibhausgase bei.“ Doch diese Unschädlichkeit endet natürlich genau da, wo arme Menschen beginnen, Wohlstand anzustreben. Hier ist er sich offenbar mit dem Papst einig, der Armut für eine Tugend hält und die „Welt des wütenden Konsums“ überwinden will. Ziel ist es nicht, den Armen zu Wohlstand zu verhelfen, sondern laut Enzyklika „den Ausgeschlossenen ihre Würde zurückzugeben und sich zugleich um die Natur zu kümmern.“ Was jedoch, wenn die nicht nur ihre Würde, sondern auch Autos, Straßen, Magnetresonanztomographen, Strom aus der Steckdose und Flugreisen wollen?

Schellnhuber sagt, man müsse „das Umweltproblem durch die Linse der Schwachen und der noch Ungeborenen“ betrachten. Doch genau das tut er nicht. Denn wenn man die Armen der Welt nach den wichtigsten Problemen befragt, hat der Klimawandel keine Priorität. Im My World Survey der Vereinten Nationen [7], an dem 7,5 Millionen Menschen teilgenommen haben, landet das Ziel Klimaschutz abgeschlagen auf dem letzten Platz. Schaut man sich nur die knapp drei Millionen Stimmen aus den ärmsten Ländern an, ist das Ergebnis noch deutlicher. Nur bei der Gruppe der sehr reichen Länder kommt es immerhin auf Platz zehn von 16, und in Westeuropa auf Rang fünf. Außer einer sehr kleinen westlichen Elite will verständlicherweise niemand gigantische Summen in einen schnellen Umbau der globalen Energiesysteme investieren. Da haben die Politiker in den zu schaffenden „zentralen Arenen globalen Regierens“ [8] wohl noch viel Motivationsarbeit vor sich.

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