15.03.2023

Korruption und Filz in der EU

Von Sabine Beppler-Spahl

Titelbild

Foto: European Parliament via Flickr / CC BY 2.0

Zahlreiche Skandale lassen die EU als eine korrupte und intransparente Institution erscheinen.

Nächstes Jahr sind Europawahlen. Der genaue Termin ist noch nicht bekannt, aber vorsorglich hängen – zumindest in Berlin – bereits die ersten Werbeplakate, auf denen steht: „Einheit, Sicherheit & erneuerbare Energien. You are EU“. Werbung hat die EU bitter nötig, denn gut läuft es in Brüssel nicht. Das Image der EU leidet mehr denn je, seit eine Reihe von Korruptionsskandalen an die Öffentlichkeit gedrungen ist.

Da ist zum einen der Katar-Skandal, der sich zwischenzeitlich auch auf Marokko ausgeweitet hat. Der Fall, bei dem die belgische Polizei bisher über 20 Privatwohnungen durchsucht und vier Personen festgenommen hat – darunter Eva Kaili, die frühere Vizepräsidentin des EU-Parlaments – ist noch längst nicht ausgestanden. Die Säcke von Bargeld, die im Zuge der Ermittlungen gefunden und beschlagnahmt wurden, erinnern an einen billigen Fernsehkrimi.

„Besonders pikant für von der Leyen sind die Berichte über die privaten SMS-Nachrichten zwischen ihr und Pfizer-Chef Albert Bourla."

Als wäre das nicht schon genug, kommt noch ein weiterer Skandal hinzu, der niemanden Geringeres betrifft als Ursula von der Leyen – die Präsidentin der EU-Kommission. Im Februar wurde bekannt, dass die amerikanische New York Times die Europäische Kommission verklagt hat, weil diese sich weigert, Textnachrichten freizugeben. Dabei handelt es sich um Nachrichten, die von der Leyen mit dem Pfizer-Chef Albert Bourla ausgetauscht haben soll. Anders als im Falle des Katar-Skandals geht es nicht um Bestechung. Wohl aber um die Frage, wie die EU mit öffentlichen Geldern umgeht, und warum von der Leyen mutmaßlich die EU-Richtlinien bei der Beschaffung der Impfstoffe ignorierte.

Bereits im September letzten Jahres hatte der EU-Rechnungshof Unregelmäßigkeiten bei der Beauftragung von 1,8 Milliarden Impfdosen festgestellt und kritisiert, dass von der Leyen die vorgeschriebenen Kontrollinstanzen ausgehebelt habe. Im November nahm die EU-Staatsanwaltschaft Ermittlungen auf. Kostete jede Impfung im Jahr 2020 noch 15,50 Euro, zahlte die Kommission 2021 4 Euro mehr (also 19,50 Euro pro Impfung). Insgesamt geht es bei dem Vertrag um ein Volumen von 35 Milliarden Euro. Besonders pikant für von der Leyen sind die Berichte über die privaten SMS-Nachrichten zwischen ihr und Albert Bourla.

Die Klage der New York Times erfolgte nun, da alle Anfragen von Journalisten, die die umstrittenen Absprachen und den Austausch der SMS-Nachrichten betreffen, unbeantwortet blieben. Wie der britische Juraprofessor Andrew Tettenborn in einem Beitrag für die britische Zeitung The Spectator schrieb, reichen die Ausreden von der Wahrung der Privatsphäre über die Behauptung, dass keine Gespräche dieser Art jemals offiziell aufgezeichnet wurden – bis hin zu bedauernden Andeutungen, dass sie inzwischen ohnehin gelöscht worden sein könnten. Tatsächlich hatte die EU-Kommission zuvor auch schon der EU-Ombudsfrau Emilie O’Reilly die Einsicht in die fehlenden Textnachrichten verweigert und behauptet, sie seien wegen ihrer „kurzlebigen Natur“ nicht aufbewahrt worden.

Wer sich an Frau von der Leyens Zeit im Verteidigungsministerium erinnert, kann über die Löschung der Nachrichten kaum überrascht sein. Bis heute ist der Beraterskandal der Bundeswehr, in den sie als Verteidigungsministerin verwickelt war, nicht vollständig aufgeklärt. Auch in diesem Fall wurde die Staatsanwaltschaft aktiv. Und auch damals sollen wichtige Daten vom Diensthandy der Ministerin gelöscht worden sein.

„Immer schwerer wird es für EU-Unterstützer, die vielen Probleme dieser Institution nur als seltene Ausrutscher darzustellen."

Die beiden Skandale – Katar und Pfizer – sind unterschiedlich gelagert. Sie lassen jedoch die EU als eine intransparente und korrupte Institution erscheinen. Die Wahrscheinlichkeit, dass die Wahrheit im Pfizer-Skandal zutage treten wird ist ziemlich gering. Die Vorwürfe werden, wie  Tettenborn schreibt, das bleiben, was sie sind: Vorwürfe. Von der Leyens Kritiker werden ihr weiterhin schmutzige Deals vorwerfen. Ihre Unterstützer werden sagen, sie habe, in der Zeit der Not, nach bestem Wissen und Gewissen gehandelt.

Immer schwerer aber wird es für EU-Unterstützer, die vielen Probleme dieser Institution nur als seltene Ausrutscher darzustellen. Eva Kaili mag über erhebliche kriminelle Energie verfügen. Der Skandal betrifft aber keinesfalls nur sie und einzelne Randpersonen, sondern er trifft das Herz des Brüsseler Establishments. In ihn verwickelt sind hochrangige Funktionäre wie Luca Visentini, der Chef des Internationalen Gewerkschaftsbundes, der seinen Sitz in Brüssel hat und Pier Antonio Panzeri, der 15 Jahre lang Abgeordneter des EU-Parlaments war und zuletzt den Vorsitz im Unterausschuss für Menschenrechte innehatte. Dass eine ganze Gruppe EU-naher Personen glaubte, mit solchen Machenschaften davon kommen zu können, spricht für eine tiefgehende Kultur der Straflosigkeit.

Und was von der Leyen betrifft, die auch innerhalb der EU immer stärker unter Druck gerät, so mag sie eine besonders ungeschickte oder unaufrichtige Politikerin sein. Doch, dass sie, nach all den Skandalen in ihrer Zeit als Verteidigungsministerin überhaupt einen solchen Posten bekam, zeigt, wie intransparent die EU schon immer war. Ihre Ernennung erfolgte nach der letzten EU-Parlamentswahl im Jahr 2019, obwohl ihr Name als mögliche Kommissionspräsidentin im Wahlkampf nicht ein einziges Mal gefallen war.

Die EU-Behörden agieren weitgehend losgelöst von jeglicher demokratischen Kontrolle und das ist das Grundproblem dieser Institution. Deswegen hat Tettenborn Recht, wenn er schreibt: „Wenigstens haben wir in Großbritannien ein Mittel gegen eine regierende Schicht, die wir der Vetternwirtschaft und der Bestechlichkeit für schuldig halten. Wir können sie abwählen, was wir nächstes Jahr vielleicht auch tun werden. Bei der halbdemokratischen EU ist dies problematischer, und die politischen Ergebnisse sind möglicherweise weniger vorhersehbar und langfristiger.“

Noch steht kein Termin für die EU-Wahlen im nächsten Jahr fest. Wir sollten sie aber zum Anlass nehmen, eine ernsthafte und kritische Debatte über diese Institution anzustoßen.  

jetzt nicht

Novo ist kostenlos. Unsere Arbeit kostet jedoch nicht nur Zeit, sondern auch Geld. Unterstützen Sie uns jetzt dauerhaft als Förderer oder mit einer Spende!