05.05.2009

Klinsmann – der Fall des visionslosen Reformers

Von Matthias Heitmann

Dass Jürgen Klinsmann als Trainer beim F.C. Bayern München gescheitert ist, war weitaus weniger interessant als die Wellen, die seine Demission in den Medien schlug.

Die Häme, die sich über dem noch vor knapp drei Jahren als Reformer und „schwarz-rot-geiler“ Fußball-Messias gepriesenen Schwaben ergoss, passt ebenso zum gegenwärtigen gesellschaftlichen Klima wie die Niedergeschlagenheit, mit der die durch die Verpflichtung des alternden Trainers Jupp Heynckes nunmehr befürchtete „Restauration“ beim Rekordmeister kommentiert wurde.

Diese Niedergeschlagenheit ist nicht zuletzt eine Folge der emotionalen Überhöhung des „Phänomens Klinsmann“; sie symbolisiert das verspätete, aber nicht minder verkaterte Erwachen aus dem Fußball-Sommernachtstraum von 2006 – verspätet deshalb, weil Klinsmann damals der öffentlichen Entlarvung des um ihn entstandenen Mythos‘ durch seinen Rückzug unmittelbar nach der Weltmeisterschaft zuvor kam.

Dabei hätte eigentlich jedem, der den Film „Deutschland. Ein Sommermärchen“ gesehen und sich währenddessen nicht fortwährend die Deutschlandfahne vor die Augen gehalten hat, die Fadenscheinigkeit des Mythos‘ klar werden können: Der Film von Sönke Wortmann dokumentiert anschaulich, dass im WM-Trainergespann „Klinsi/Jogi“ der damalige „zweite Mann“ und heutige Bundestrainer Joachim Löw für Taktik und Spielintelligenz zuständig war, während Klinsmann die Rolle des Motivators und Phrasendreschers ausfüllte, der jedes Phrasenschwein zum Bersten gebracht hätte.

Für den begrenzten Zeitraum des Turniers war diese Arbeitsteilung durchaus erfolgreich. Noch wenige Wochen vor der WM hatte Fifa-Chef Sepp Blatter öffentlich die fehlende Fußball-Euphorie in Deutschland bemängelt. Gegen den nationalen Missmut mit markigen Sprüchen anzukämpfen, egal, wie oberflächlich und platt diese auch gewesen sein mögen, war ein zumindest kurzfristig erfrischendes Manöver von Klinsmann – aber auch eines, das ihn nicht automatisch in einen versierten und visionären Fußballlehrer verwandelte.

Im Alltag des Ligabetriebs angekommen zeigte sich, dass das Fehlen einer klaren Linie nicht durch einen aufgeblähten Betreuerstab und auch nicht dadurch übertüncht werden kann, dass man das Bayern-Trainingsgelände zu einem Wellness- und Selbstfindungszentrum für gestandene Fußballprofis umbauen und mit Buddha-Figuren ausstatten lässt. Ein naiv-trotziges „Yes, we can“ reicht eben nicht aus, um Dinge wirklich anders und besser zu machen. Die Parallele zur großen Politik zog auch Oskar Beck, der in der Tageszeitung „Die Welt“ für Klinsmann die treffende Bezeichnung „Westentaschen-Obama“ fand.

Alte Zöpfe abzuschneiden mag grundsätzlich eine gute Idee sein; wächst jedoch nichts nach, bleibt der Kopf kahl. In der Bundesliga offenbarte sich die Leere hinter Klinsmanns großen Worten bereits nach wenigen Monaten – dem Wettbewerb sei Dank! Schön wäre es, wir hätten ein so effizientes Entmystifizierungs-Werkzeug auch in anderen Bereichen.

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