27.08.2012
Keine großen Leuchten
Analyse von Christoph Lövenich
Christoph Lövenich bringt Licht ins Dunkel des EU-Glühbirnenverbots. Die neuen Energiesparlampen sind ineffizient und umweltschädlich. Es geht eigentlich um staatliche Bevormundung. Der Text ist ein Vorabdruck der im nächsten Monat erscheinenden nächsten Printausgabe von NovoArgumente
Zum 1. September, es ist schon alljährliches Ritual geworden, werden wieder Glühbirnen verboten. Diesmal alle mit über sieben Watt Leistung. In der EU dürfen sie ab dann nicht mehr in den Handel gebracht werden [1]; auch die Schweiz zieht nach. Damit ist der 2009 begonnene Prozess noch nicht an sein Ende gelangt, in wenigen Jahren geht es auch den Halogenlampen an den Kragen. [2]
Keine Energieersparnis
Den offiziellen Begründungen zufolge soll der Wechsel von Glühbirnen zu angeblich effizienteren Leuchtmitteln den Stromverbrauch und damit den Kohlendioxidausstoß in der Europäischen Union merklich verringern. [3] Nachteil der altbewährten Glühbirne sei der Umstand, dass sie 85 bis 90 Prozent ihres Energieverbrauchs in die Wärmeerzeugung stecke, während dies bei der Kompaktleuchtstofflampe (KLL, auch „Energiesparlampe“ genannt) nicht der Fall ist.
Hier nun stellt sich der durchschnittlich mit gesundem Menschenverstand Gesegnete bereits eine Frage: Was passiert denn nach einer Umstellung auf KLL mit der fehlenden Wärme? Gerade während der kühleren Jahreszeiten dürfte Wärmeausfall doch durch stärkeres Heizen ausgeglichen werden. Und genau dies geschieht, wie diverse Forschungsinstitute ermittelt haben: Durch den Wärmeersatzeffekt, also höhere Heizkosten, sinkt die behauptete Energieeinsparung von 75–80 Prozent auf vielleicht gerade einmal 25 Prozent. Österreichische Wissenschaftler ergänzen, dass durch das von vielen Menschen als zu kalt empfundene Licht der KLL diese dazu neigen könnten, dem empfundenen Mangel durch eine höhere Raumtemperatur entgegenzusteuern, also noch mehr zu heizen. Da außerdem der Produktionsaufwand höher liegt und die Entsorgung zusätzlich zu Buche schlägt (dazu später mehr) ergibt sich für die KLL eine insgesamt schlechtere Umweltbilanz. Ferner kann der Energieverbrauch dort ansteigen, wo sie aus Sicherheitsgründen ständig brennen müssen, weil sie im Gegensatz zur Glühbirne einer Anlaufzeit bedürfen, in der sie ihre volle Stärke erst „hochfahren“ müssen. Im Übrigen nimmt der Verbrauch bei höherer Effizienz von Leuchtmitteln grundsätzlich zu (Rebound-Effekt). Im Ergebnis führt ein breiter Umstieg von der Glühbirne zur KLL jedenfalls mittelfristig, wie auch eine niederländische Forschungseinrichtung feststellte, zu einem erhöhten Gesamtenergieverbrauch und ebensolchem CO²-Ausstoß. [4]
Nachteile der KLL
„Energiesparlampen“ sparen also unterm Strich keine Energie, halten dafür aber ein großes Spektrum an Nachteilen für die Verbraucher bereit. Die schlechte Strahlwirkung lässt selbst die Bundeskanzlerin jammern, dass die KLL „noch nicht so ein helles Licht“ abgeben. [5] Innovationsprofessor James Woudhuysen fühlt sich bei ihrem Einsatz an die gespenstische Szenerie der „Addams Family“ erinnert. [6] Besonders beeinträchtigt sind Sehbehinderte und Kunstmuseen, von der Unfallgefahr in schlecht illuminierten Treppenhäusern und Kellerabgängen ganz zu schweigen. Man muss hellere Lampen erwerben als von den Herstellern empfohlen, um genügend Ausleuchtung zu gewährleisten, außerdem dunkeln die KLL schnell nach. Ihre angepriesene lange Lebensdauer erreichen sie nur, wenn sie jedes Mal mindestens 15 Minuten eingeschaltet bleiben und so selten wie möglich ausgeschaltet werden, denn ihre Schaltfestigkeit lässt extrem zu wünschen übrig. Dimmen oder mit Zeitschaltungen und Bewegungsmeldern koppeln lassen sich meist nur teurere Spezialversionen. Sie enthalten Elektronikbauteile, die nicht nur beim Wegwerfen Verschwendung bedeuten, sondern sich auch überhitzen können. Außerdem können Probleme mit sperrigem Format und der Einpassung in vorhandene Fassungen auftreten. Nicht nur Atmosphäre und subjektives Wohlgefühl leiden unter den KLL, sondern auch der Geldbeutel, erst recht nach ihrer Verteuerung im zeitlichen Zusammenhang mit dem Inkrafttreten von Glühbirnen-Verboten. [7]
In Sachen Effizienz können sie mit den guten alten, ach so „primitiven“ Glühbirnen also überhaupt nicht mithalten. Berüchtigt sind die Pseudo-Sparlampen für ihren Quecksilber-Gehalt. Zeitgleich mit Bemühungen von Umweltministern, Quecksilber (laut UN-Umweltbehörde „eines der tödlichsten Gifte, die es gibt“) [8] auf internationaler Ebene zu ächten, und dem Verbot quecksilberhaltiger Thermometer in der EU zwingt man paradoxerweise den Haushalten derartigen Giftmüll auf. Nun sollte man nicht in modische Hysterie verfallen und die kleinen Quecksilbermengen in den Leuchten zu einer erheblichen Gefahr hochstilisieren. Aber ein geringes Risiko, den Menschen von der Obrigkeit aufoktroyiert, wiegt schwerer als ein selbstgewähltes Risiko. [9] Gleiches gilt für andere tatsächliche oder behauptete Gesundheitsgefährdungen durch diese Lampen, wie Phenolausdünstungen und Strahlung, der Kinder und Schwangere nach Empfehlungen diverser Behörden gar nicht und übrige Menschen nur im Abstand von mindestens 30 Zentimetern ausgesetzt werden sollten.[10] Man sollte KLL nicht verbieten, aber sie vorzuschreiben, wo keine Not vorliegt, geht entschieden zu weit. Bei der Produktion, die ganz überwiegend in China stattfindet, treten aufgrund der dortigen Quecksilbermengen Vergiftungen auf, so dass man von einem erheblichen volkswirtschaftlichen Schaden sprechen kann. [11]
Auch bei der Entsorgung in Deutschland wird Arbeitsschutz nicht gewährleistet, etwa bei Glasbruch in Gitterboxen während des Transports der weggeworfenen KLL, die oftmals über hunderte Kilometer quer durch Deutschland befördert werden, was wiederum der Umweltbilanz unzuträglich ist. Die meisten solcher Lampen landen erst gar nicht auf dem als fachgerecht etikettierten, offiziell vorgeschriebenen Entsorgungsweg, sondern im Hausmüll. Einer europäischen Studie zufolge tragen Energiesparlampen bei der Müllverbrennung zu erheblichen Schadstoffemissionen bei. Bestimmte Reste des Quecksilber-Abfalls werden übrigens unterirdisch endgelagert – ironischerweise genau wie die bei so vielen „Sparlampen“-Befürwortern verhassten nuklearen Abfälle. [12]
Unterbelichtete Politik
Es stellt sich nun die Frage, wie unterbelichtet EU-Organe sein müssen, die ein nutzloses, dafür aber mit einem riesigen Beipackzettel an Nebenwirkungen behaftetes Produktverbot dekretieren. Tatsächlich traf der Umweltausschuss des Europäischen Parlaments Anfang 2009 diese Entscheidung, ohne dass eine umfassende Ökobilanz und gesundheitsbezogene Gutachten vorgelegen hätten. Leuchtmittelkonzerne, „grüne“ Lobbyorganisationen [13], Eurokraten und regulierungshungrige Politiker, insbesondere der Grünen, hatten sich in einem undurchsichtigen Verfahren geeinigt und dabei bewusst sogar darauf verzichtet, dass Europaparlament als Ganzes, in einer Plenarsitzung, darüber abstimmen zu lassen. Wesentlicher Initiator war zwei Jahre zuvor der damalige deutsche Bundesumweltminister Sigmar Gabriel gewesen, der auf ein entsprechendes Verbot in Australien mit Druck auf Brüssel reagierte, diesem doch bitte nachzueifern. [14] Mit der Keule des „Klimaschutzes“ wurden kritische Fragen hinweggefegt, obwohl selbst hauptamtliche Klimafunktionäre wie Ottmar Edenhofer, Chefökonom des Potsdam-Instituts für Klimafolgenforschung, das Ganze im Vorfeld schon als „Unfug“ [15] durchschaut hatten. Denn selbst wenn man der zeitgenössischen Klimareligion mit ihrem CO2-Dogma zu folgen bereit wäre, müsste man schnell erkennen, dass bei der häuslichen Beleuchtung, die nur 1–2 Prozent des Energieverbrauchs von Haushalten ausmacht [16], keine nennenswerten Einsparungseffekte zu erzielen sind. Laut einer Berechnung gilt das sogar, wenn sämtliche Haushalte auf ewig ganz dunkel blieben. [17]
Hauptprofiteure sind die Leuchtmittelherstellerkonzerne. Zum einen ist der Absatz von KLL durch das Glühbirnenverbot deutlich angestiegen, zum anderen aber auch die Glühbirnen-Bevorratung, die bei vielen wohl noch so lange anhält, bis innovativere Leuchtmittel wie LED & Co. den KLL den Rang abgelaufen haben. Sollten dann passenderweise die „Sparlampen“ ihrerseits aus gesundheitlichen bzw. umweltpolitischen Gründen verboten werden, müssen die Verbraucher für die neuen Leuchtmittel nochmals in die Tasche greifen.
Wünschenswert wäre jedoch, sie könnten eigene, freie Entscheidungen über die Anschaffung von Leuchten treffen, zumal in diesem Fall das offizielle Ziel einer Ressourcenschonung dadurch auch besser erreicht würde als durch den KLL-Zwang. Aber trotz massiver Kritik an dieser offensichtlichen europaweiten Groteske, breit getragen in den Medien und z.B. Gegenstand eines im Kino gezeigten Dokumentarfilms [18] sowie eines Buches [19], regt sich in der etablierten Politik nur sehr wenig Protest gegen das absurde Verbot. Zu groß ist die Versuchung, einmal erreichte Durchgriffe in die Privatwohnungen der Menschen als Geländegewinne auf dem Weg zu weiterer Bevormundung – nicht zuletzt im Namen des ominösen Klimaschutzes – zu verbuchen und halten zu wollen. Die von einer „Elektrischen Widerstandsgenossenschaft“ im rheinischen Niederzier auf den Markt gebrachten „Heatballs“, als Heizgeräte einzusetzende Glühbirnen, wurden dementsprechend gerichtlich gestoppt. [20]
Licht am Ende des Tunnels?
Den Menschen ihr nach über einem Jahrhundert angestammtes Licht zu nehmen, und das auch noch ohne ernsthafte Rechtfertigung sowie zu ihrem vielfachen direkten und indirekten Nachteil, stellt einen bemerkenswert tiefen Eingriff in die persönliche Lebenssphäre dar. Ob er zur Gewöhnung an weitere Unterdrückung beiträgt, oder dazu, dass das Fass bei den Bürgern irgendwann überläuft, lässt sich noch nicht absehen. Immerhin kommt ein Lichtblick aus Neuseeland, die Abschaffung des dortigen Glühbirnen-Verbots nach zwei Jahren beweist etwas für die EU eher Untypisches: Unsinnige Regelungen können nicht nur eingeführt, sondern auch wieder beseitigt werden.