02.12.2022

Kanadas Euthanasiegesetze sind ein moralischer Skandal

Von Kevin Yuill

Titelbild

Foto: Katrina_S via Pixabay / CC0

Der Tod wird heute als Lösung für die Probleme des Lebens betrachtet.

Kanada hat die zweifelhafte Ehre, weltweit die Nummer eins in Sachen Euthanasie zu sein. Im Rahmen seines Programms zur medizinischen Sterbehilfe (MAID) wurden in Kanada im vergangenen Jahr mehr Menschen mit tödlichen Injektionen getötet als in jedem anderen Land der Erde – viele von ihnen waren arm, obdachlos oder verzweifelt. Und bald, ab März 2023, werden tödliche Injektionen jedem angeboten, der seine psychischen Probleme als unerträglich einstuft.

Der jüngste Fall von Amir Farsoud hat Kanada und die Welt schockiert und viele Kanadier dazu veranlasst, das System der Sterbehilfe, das sich in den letzten zehn Jahren entwickelt hat, in Frage zu stellen. Farsoud ist ein behinderter 54-Jähriger, der von seinem Hausarzt die Genehmigung zur Sterbehilfe erhalten hat. Er beantragte MAID, weil er kurz davorsteht, obdachlos zu werden und kein Geld hat. Er braucht nur noch eine Unterschrift seines Arztes, dann kann er in 90 Tagen getötet werden. In einem verstörenden Interview mit der in Toronto ansässigen Zeitung City News sagte er letzten Monat: „Ich will nicht sterben. Aber noch weniger als sterben will ich obdachlos sein." Nachdem sich der Bericht über Farsoud verbreitet hatte, beschuldigten viele auf Twitter Kanada, „arme Menschen buchstäblich umzubringen". Sogar der Leiter von Dying with Dignity Canada – ein führender Euthanasie-Befürworter  – sah sich gezwungen zu sagen, dass der Fall eine Schande für die Nation sei.

Doch dieser schreckliche Fall ist keine Ausnahmeerscheinung in Kanada. Er ist ein Produkt der scheinbar unaufhaltsamen Ausweitung des MAID-Programms. Euthanasie wurde erstmals 2016 legalisiert und war zunächst nur für unheilbar kranke Erwachsene oder Menschen, deren Tod „hinreichend absehbar" ist (in der Praxis kann dies bedeuten, dass sie nur noch wenige Jahre zu leben haben), verfügbar. Im Jahr 2019 waren zwei Prozent aller Todesfälle in Kanada auf MAID zurückzuführen. Im Jahr 2020 stieg dieser Anteil auf 2,5 Prozent aller Todesfälle, und im Jahr 2021 war MAID für 3,3 Prozent aller kanadischen Todesfälle verantwortlich. Für dieses Jahr wird mit einem weiteren Anstieg gerechnet, da der Anspruch auf MAID im Jahr 2021 auf Personen ausgeweitet wurde, deren Tod nicht „hinreichend absehbar" ist. Eine einfache Behinderung oder körperliche Schmerzen reichen nun aus, um Anspruch auf MAID zu haben. Laut City News ist dies der Grund, warum Farsoud, der an Rückenschmerzen leidet, wahrscheinlich die Voraussetzungen erfüllt. Und im März 2023 wird Euthanasie auch für diejenigen möglich sein, die nur an psychischen Krankheiten leiden.

Im Gegensatz zu anderen Ländern, die Sterbehilfe legalisiert haben, wie Belgien und die Niederlande, sind kanadische Ärzte nicht gezwungen, andere medizinische oder soziale Möglichkeiten zu finden, die das Leiden eines Patienten lindern können. Es reicht aus, wenn ein Patient sagt, sein Leiden sei unerträglich. In einem Artikel des World Medical Journal heißt es dazu: „Kanada [...] hat jetzt wohl das am weitesten geöffnete staatlich geförderte Suizidsystem der Welt."

Fälle wie der von Farsoud waren offenbar weder für die kanadische Regierung noch für das Parlament oder den Obersten Gerichtshof „hinreichend absehbar". Die Legalisierung der Sterbehilfe wurde tatsächlich vom Gericht initiiert. Im Jahr 2015 forderte es eine Gesetzesänderung, weil es der Meinung war, dass das Verbot der Sterbehilfe die Grundrechte der Kanadier beeinträchtige. Es stellte fest, dass „eine freizügige Regelung mit ordnungsgemäß konzipierten und verwalteten Sicherheitsvorkehrungen in der Lage wäre, gefährdete Menschen vor Missbrauch und Fehlern zu schützen". Das erste Gesetz zur Sterbehilfe wurde dann 2016 vom Parlament verabschiedet.

In meinem Buch aus dem Jahr 2013, „Assisted Suicide: The Liberal, Humanist Case Against Legalisation", habe ich davor gewarnt, dass schon die Freigabe der Sterbehilfe bei unheilbaren Krankheiten im Endstadium „die Büchse der Pandora" öffnen könnte. Wenn Sterbehilfe mit der „Linderung von Leiden" gerechtfertigt wird, dann sollten wir erwarten, dass „immer mehr Kategorien" von Menschen „die Anerkennung ihres Leidens verlangen, indem sie für sich selbst Sterbehilfe fordern". Die Kategorien haben die Tendenz, sich zu auszuweiten, und diejenigen, die darauf bestehen, Sterbehilfe nur Menschen mit unheilbaren Krankheiten im Endstadium zugänglich zu machen, müssen sich darauf einstellen, auf diese Forderungen derjenigen zu antworten, die aus guten Gründen ihr eigenes Leiden aufzeigen können". Genau das ist geschehen.

„Die kanadische Regierung und die Gerichte betrachten den Tod als ein angemessenes Mittel zur Linderung von Leiden.“

Tragische Fälle wie der von Farsoud werden nur noch häufiger auftreten. Die kanadische Regierung und die Gerichte betrachten den Tod als ein angemessenes Mittel zur Linderung von Leiden – und als bloße Frage der freien Wahl. Und in manchen verzweifelten Situationen scheint der Tod die einzige „Wahl" zu sein, die jemand hat, der unter Armut und Behinderung leidet (beides geht oft Hand in Hand).

Es gibt ermutigende Anzeichen dafür, dass Fälle wie der von Farsoud die Kanadier für die Schrecken von MAID sensibilisieren. Sein Fall sollte nicht als Ausnahme oder als unglückliche unbeabsichtigte Folge einer ansonsten vernünftigen Politik betrachtet werden. Kanada treibt tatsächlich einige seiner armen und behinderten Bürger in den Tod.

Kanada mag bei der Sterbehilfe weltweit führend sein, aber dies ist nicht nur ein kanadisches Problem. Kanada hat die Logik der Euthanasie und des assistierten Suizids einfach rücksichtsloser und schneller verfolgt als andere. Das muss der Welt eine Warnung sein. Wenn der Tod als Lösung für die Übel des Lebens angeboten wird, was können wir dann noch erwarten?

 


 

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