14.10.2010

Ja, es gibt gute Nachrichten! Ohne Risiken und Nebenwirkungen.

Von Matthias Heitmann

Glaubt man der Armee der fremd- oder selbsternannten psychologischen Berater, so beginnt für die 33 chilenischen Bergleute nach dem Ende des zweimonatigen Albtraums nun erst das eigentliche Leiden.

Anstatt sich der Tatsache zu erfreuen, dass die unter Tage Eingeschlossenen allesamt befreit werden konnten, und das Menschheitsbewusstsein zu genießen, das sich rund um den Globus angesichts des Happyends für einen kurzen Moment bahnbrach, sahen sich etliche Beobachter berufen, auf die kommenden Probleme hinzuweisen. Einfache Freude über das gute Ende einer bösen Geschichte oder gar ein wenig Stolz ob der Tatsache zu empfinden, dass Menschen zu solchen Leistungen – sei es das Überleben in mehreren Hundert Metern Tiefe über eine so lange Zeit oder aber das Bewältigen technischer Schwierigkeiten bei der Bergung – in der Lage sind, passt einfach nicht in den heutigen Zeitgeist, der im Scheitern schwelgt und das Betrauern und Bedauern von Opfern als Schlüsselkompetenz kultiviert. Entsprechend groß war das Erstaunen, dass es „so gut wie keine Zwischenfälle“ bei der Bergung gegeben habe, ganz so, als seien Zwischenfälle keine Zwischenfälle, sondern der Normalfall. Fast schon irritiert zeigten sich manche westlichen Beobachter, dass die Erretteten aufrechten Ganges der Rettungskapsel entstiegen und freudestrahlend ihren Familien in die Arme fielen. Dass Menschen, denen Schlimmes wiederfahren ist, dieses aus eigener Kraft überwinden und hieraus sogar so etwas wie persönliche Stärke gewinnen können, hat in dieser Weltsicht keinen Platz und gilt seinerseits als Symptom schwerwiegender Traumatisierung.


Wenn die Rettung der 33 Bergleute uns etwas lehren sollte, dann, dass es sich lohnt, an das Potenzial des Menschen zu glauben. Dies gilt sowohl für die Individuen, die es verstanden, sich in der Extremsituation unter Tage so zu organisieren, dass sie überlebten, als auch für die Menschen an der Erdoberfläche, die hofften und den Mut nicht verloren. Es ist zwar bedauerlich, dass derartige Glücksgefühle nur sehr selten – und wenn, dann meist in Zusammenhang mit Katastrophen – den wie ein Schimmelpilz das menschliche Leben und Denken überwuchernden misanthropischen Zeitgeist durchstoßen, doch dieser Umstand macht es nur noch wichtiger, diese Momente zu zelebrieren. 33 Menschen wurden aus der Tiefe der Erde gerettet – möge Ähnliches mit unserer Achtung gegenüber der Menschheit ebenfalls gelingen!


Lesen Sie hierzu auch den Artikel von Brendan O’Neill auf Sp!ked Online.

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