21.05.2013

Institutionalisierte Demokratieverhinderung

Kommentar von Lucas Schoppe

Gegen die Quote im Parteiensystem. Man sollte sich auf die Chancengleichheit und nicht auf ein geschlechtliches Gleichgewicht berufen. Warum Männern Ämter versagen und Frauen aufdrängen? Nicht das Geschlecht, sondern das Engagement sollte maßgebend sein.

Kommt die Frauenquote? Als diese Frage in den vergangenen Wochen heftig diskutiert wurde, war es kaum von Bedeutung, dass wir längst Frauenquoten haben – nicht in Aufsichtsräten, sondern in den demokratischen Parteien. Deren Erfahrungen mit der Quote spielten bei den Debatten eine erstaunlich geringe Rolle. Dabei hat jemand, der im Bundestag eine Partei ohne Quote wählen möchte, tatsächlich keine Wahl – dort sind allein die Parteipositionen der FDP noch nicht quotiert. Ob man ansonsten also für oder gegen Mindestlöhne, für oder gegen steigende Steuersätze, Finanztransaktionssteuern, stärkere Förderungen erneuerbarer Energien oder anderes stimmt – in jedem Fall gibt man die Stimme für die Frauenquote in den Parteien ab. Dabei ist es keineswegs selbstverständlich, dass die Quoten in den Parteien nicht diskutiert und in Frage gestellt werden.

„Die Quotenpolitik baut auf einem elitären Demokratieverständnis auf.“

Die Quotenpolitik baut auf einem elitären Demokratieverständnis auf, demzufolge demokratische Prozesse zwar schön und gut sind, aber erst gebändigt werden müssen, damit auch etwas Gutes dabei herauskommt. Das ist nicht nur deswegen problematisch, weil die Parteipositionen dabei auf sehr ungerechte Weise verteilt werden, sondern vor allem, da diese Politik insgesamt den demokratischen Austausch in den Parteien verhindert.

Auf der einen Seite konkurrieren relativ viele Männer um relativ wenig Posten, so dass unter den gegenwärtigen Bedingungen der deutschen Parteipolitik (unter denen jemand, der sich irgendwie angreifbar macht, kaum eine Chance hat) ein enormer Konformitätsdruck entsteht. Wer etwa offen gegen die Geschlechterpolitik der Partei opponiert, schmälert seine Aufstiegschancen erheblich. Bei Frauen gibt es andererseits auf vielen Ebenen sogar zu wenig Kandidatinnen für die verfügbaren Posten, so dass eine demokratische Kontrolle hier weitgehend zurückgeschraubt wird. Angesichts solcher Strukturen ist fast ausgeschlossen, kontroverse Themen, wie etwa Geschlechterpolitik, offen zu diskutieren – selbst und gerade dann, wenn es um so schwerwiegende Probleme geht wie die Verletzung von Grund- und Menschenrechten durch die Politik der eigenen Partei. Ihrem demokratischen Auftrag, für den sie immerhin erhebliche Summen aus Steuermitteln erhalten, können die Quotenparteien so nicht gerecht werden.

Ganz im Gegenteil – sie werden regelrecht zu Institutionen der Verhinderung demokratischer Prozesse. Da das Engagement an der Basis zum überwiegenden Teil von Männern getragen wird, die Quote aber gerade die Möglichkeiten von Männern wesentlich begrenzt, ist die Frauenquote ein Instrument, mit dem sich das Parteiestablishment gegen Impulse und Konkurrenten von der Basis schützen kann. Die Quote – einmal eingeführt – trägt und reproduziert sich selbst.

Dass das in Kauf zu nehmen sei, weil ja im Gegenzug Frauen gefördert würden, ist zudem ein fragwürdiges Argument. Schließlich verdanken die Quotenfrauen ihren relativ einfachen Zugriff auf einflussreiche Positionen eben gerade dem Missverhältnis einer relativ großen Anzahl von Posten auf der einen und relativ wenig Kandidatinnen auf der anderen Seite. Sie haben also ein starkes Interesse daran, Frauen eben nicht zu fördern. Möglicherweise sind gerade die Selbstverpflichtungen der rot-grünen Parteien auf feministische Verhärtungen, auf Quotenpolitik und die Ausgrenzung von Männerinteressen, Bestandteil einer Abschottungspolitik – nicht-feministischen Frauen werden in diesen Parteien Hürden aufgebaut, die geeignet sind, sie von einem Parteiengagement abzuhalten.

„Ist die Quote erst einmal eingeführt, bleibt sie auch – sogar und gerade dann, wenn sie sich als schädlich oder sinnlos erweist“

Ein klassisches Argument gegen den Vorwurf, die Frauenquote sei undemokratisch, verweist darauf, dass durch die Quote demokratische Prozesse ja überhaupt erst ermöglicht würden. Wenn es keine „kritische Masse“ von Frauen in der Partei und auf Parteipositionen gäbe, würden Frauen weitestgehend marginalisiert und könnten zu demokratischen Prozessen faktisch nichts beitragen. Daher sei es wichtig, sie eine Weile durch die Quote zu unterstützen. Angesichts der Erfahrungen der Parteien mit der Quote lässt sich heute jedoch sicher sagen, dass dieses Argument irreführend ist. Die Quote ist nicht einfach eine politische Aktivierungsenergie, die vorübergehend erforderlich ist, um Frauen in handlungsfähige Positionen zu bugsieren. Ist die Quote erst einmal eingeführt, bleibt sie auch – sogar und gerade dann, wenn sie sich als schädlich oder sinnlos erweist. In der SPD beispielsweise war sie 1988 beim Parteitag in Münster nur unter der Bedingung einer zeitlichen Begrenzung eingeführt worden – und diese Begrenzung wurde dann 2003 beim Parteitag in Bochum ohne weitere Diskussionen aufgehoben. Zu den Privilegien der Quotenprivilegierten gehört es eben auch, dass sie durch die Quote auf Machtpositionen geschoben werden, von denen aus sie Bedrohungen ihrer Privilegien abwehren können.

Warum aber haben die rot-grünen Parteien keine Angst davor, dass Männer von einem Engagement und einer Wahl abgeschreckt werden könnten? Einfach anzunehmen, Männer hielten die Quotenpolitik grundsätzlich für vernünftig, scheint angesichts der erheblichen Gegenargumente kaum angebracht. Diese Politik ergibt nur dann einen Sinn, wenn man ihr einmal mehr ein überaus klischeehaftes Geschlechterverständnis unterstellt. Offenkundig baut sie darauf, Männer seien von den verschiedensten Interessen geleitet – sei es das der sozialen Gerechtigkeit, des Umweltschutzes, des Atomausstiegs, des Mindestlohns oder anderes – und daher bereit, die Quoten schlicht in Kauf zu nehmen, während die Quoten den Frauen zugleich einen erheblichen Wahlanreiz bieten würden. Das bedeutet: Hinter der Quote steht die stillschweigende Annahme, dass Männer sich durch Gemeininteressen, Frauen sich aber nur durch Fraueninteressen engagieren ließen.

Ein tatsächliches Gleichgewicht wäre aber – falls man es überhaupt für demokratisch sinnvoll erachtet – nur auf zwei Wegen erreichbar: Entweder müssen sich immer mehr Männer aus der Politik verabschieden (das kann nicht wünschenswert sein und wird wohl auch eher nicht gewünscht, selbst wenn es manchmal anders aussieht), oder es wäre ein größeres Engagement der Frauen erforderlich. In der Verkennung dieses einfachen Zusammenhangs suggeriert die Quote den Frauen jedoch, auch ohne ihr eigenes Engagement sei für ihre Interessen gesorgt, denn dazu seien die Männer ja ohnehin bereits verpflichtet. Und das ist gleich doppelt unverantwortlich: Einerseits verhindert die Quotenpolitik sowohl bei eingelullten Frauen als auch bei abgeschreckten Männern ein demokratisches Engagement, und andererseits werden überkommene Geschlechterklischees festgeschrieben.

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