29.06.2009

Her mit dem Klonfleisch!

Von Thilo Spahl

Der bayerische Gesundheitsminister Markus Söder betont, er sei aus ethischen Gründen gegen jede Vermarktung von Klonfleisch: „Wir wollen in Bayern kein Klonfleisch.“ Seine Partei- und Bundeskollegin Ilse Aigner sieht die Angelegenheit ebenfalls „aus ethischen Gründen“ sehr kritisch.

Ebenso der Chef der Bundesvereinigung der Deutschen Ernährungsindustrie, Jürgen Abraham: „Es gibt kein Klon-Fleisch auf deutschen Tellern – und das bleibt auch einige Jahre so! Die Ernährungsindustrie in Deutschland lehnt Klon-Fleisch zurzeit aus ethischen Gründen ab.“ Welche ethischen Gründe könnten gemeint sein?

„Block House“-Vorstand Dirk Block (34 Steakhäuser in Deutschland) gibt einen Hinweis: „Wir werden kein geklontes Rindfleisch anbieten, da die Natürlichkeit unserer Steaks im Vordergrund steht.“ Und Martin Rücker (28), Sprecher von Foodwatch, sagt, was er immer sagt: „Wo Klon-Fleisch drin ist, muss auch Klon-Fleisch drauf stehen.“ Wo blabla drauf steht, muss auch blabla drin sein.(Alle Zitate nach BILD.de, http://www.bild.de/BILD/ratgeber/gesund-fit/2009/06/23/klonfleisch/die-neuen-plaene-der-lebensmittel-industrie.html)

Sich auf „ethische Gründe“ zu berufen, ist immer eine feine Sache. Nur, nicht jeder ist in Sachen angewandte Tierzuchtethik wirklich bewandert. Woher kommen all die schönen Steak- und Milchlieferanten eigentlich? Sie werden natürlich gezeugt. Aber natürlich nicht von dahergelaufenen Promenadenmischungen, sondern von ausgewählten prächtigen Zuchtbullen. Die haben ihren Spaß auf der künstlichen Kuh, und hinterher werden mit ihrem Sperma Tausende von echten Kühen befruchtet. Der kanadische Bulle Starbuck hat 685.000 Portionen Sperma geliefert, die in 45 Ländern verkauft zu rund 200.000 Nachkommen führten. Das ist die konventionelle Methode.

Mittlerweile können diese Prachtbullen aber auch geklont werden (im Jahr 2000 erblickte Starbuck 2 das Licht der Welt), auf dass die Spermaquelle wiedergeboren werde und noch viele Tausende weitere Kühe besamt werden können. Die Nachkommen dieser Tausenden von Kühen liefern uns Milch und Fleisch. Für dieses Fleisch hat man sich offensichtlich den Begriff „Klonfleisch“ ausgedacht. (Die Methode ist ausbaufähig. Auch im Positiven! Man könnte z.B. einen Bullen mit Demeter-Gemüse füttern und die besten Stücke seiner Enkeltiere als Rudolf-Steiner-Filet verkaufen.)
Warum sollte sich jemand – sagen wir Marc Widmann von der Süddeutschen Zeitung (wo es offenbar der halben Redaktion schon vor geklonten Schweinshaxen graut) – dafür interessieren, aus welchem tiefgekühlten Portiönchen das Spermium stammt, mit dem die Mutter der Kuh, aus deren Milch sein Jogurt gemacht wurde, gezeugt wurde? Mir fällt kein vernünftiger Grund ein. Ihm wahrscheinlich auch nicht, aber dennoch ist er der Meinung, die uns auch schon Martin Rücker mitgeteilt hat: „Das Fleisch ihrer Nachkommen muss in jedem Fall klar gekennzeichnet sein – damit die Verbraucher selbst entscheiden können, was auf ihrem Teller landet.“ Und wenn sich neben dem Kotelett auf seinem Teller noch schnell eine Mücke niederlässt, dann will er bestimmt auch gerne, dass an ihrem Beinchen ein Barcödchen befestigt ist, das lückenlos ihren Stammbaum über die letzten fünf Generationen dokumentiert. Das klingt albern; das Problem ist aber, dass man sich offenbar dafür nicht schämt.

Thilo Spahl ist Novo-Ressortleiter Wissenschaft und Technik. Zuletzt publizierte er mit Thomas Deichmann in der neuen dtv-Reihe „einfach wissen“ die beiden Bände “Das Wichtigste über Mensch und Gesundheit” sowie “Das Wichtigste über Natur und Technik”.

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