08.09.2009

Gut gedüngter Regulierungswahn

Von Erich Grantzau

Horst Seehofer (CSU) blies einst zum Kampf gegen überflüssige Regeln. In der novellierten Düngemittelverordnung (DüMV) dominieren nun leider realitätsferne Überregulierungen.

Der ehemalige Bundeslandwirtschaftsminister Horst Seehofer (CSU) blies einst zum Kampf gegen überflüssige Regeln. In der novellierten Düngemittelverordnung (DüMV) dominieren nun leider auch realitätsferne Überregulierungen.

Der Schutz des Bodens ist eines der primären Ziele der Umweltschutzpolitik. Mit derlei Programmatik wird suggeriert, dass unsere Böden seit jeher mit Kunstdüngern und Pestiziden verseucht werden. Die Statistiken besagen das Gegenteil: Der Aufwand an mineralischen Düngemitteln in der BRD ist in den vergangenen 30 Jahren drastisch gesenkt worden. An mineralischem Phosphat wurde um über 80 Prozent, an mineralischem Kalium um mehr als 70 Prozent und an Stickstoff um etwa 30 Prozent eingespart. Auch der Aufwand an Pflanzenschutzmitteln verringerte sich um rund ein Drittel.
Diese positive Entwicklung – bei gleichbleibend hohem Ertragsniveau – verdanken wir nicht ökologisch verbohrten Umweltaktivisten, sondern in erster Linie den Agrarwissenschaftlern, die im Verband Deutscher Landwirtschaftlicher Untersuchungs- und Forschungsanstalten „VDLUFA“ zusammengeschlossen sind – also Fachleuten, die sich für nachhaltigen Bodenschutz engagieren, ohne die wirtschaftlichen Erfordernisse von Landwirtschaft und Gartenbau aus den Augen zu verlieren. So stellen sie sich derzeit der Aufgabe, den Einsatz organischer Dünger im Sinne des verbesserten Bodenschutzes zu regulieren. Doch diese wie andere Initiativen durch die Agrarforschung werden in Kreisen des politisch motivierten Umweltschutzes nicht wahrgenommen, weil dort eine andere Agenda dominiert.

Auf der Jagd nach Schadstoffen
Wer den üblichen Meldungen aus Kreisen des Umweltschutzes glaubt, gewinnt den Eindruck, dass die Vergiftung unserer Umwelt apokalyptische Ausmasse annimmt. Die positiven Daten zur Luft- und Gewässerreinhaltung sprechen eine andere Sprache. Betrachtet man die Entwicklung von Cadmium und Dioxinen in Klärschlämmen, so ist festzustellen, dass die Gehalte dieser unerwünschten Stoffe in kurzer Zeit um über 90 Prozent gesenkt werden konnten. Das heißt, der sachgerechte Einsatz von Klärschlamm als Sekundärrohstoffdünger in der Landwirtschaft führt heute zu keiner Vergiftung des Bodens. Eine weitere positive Entwicklung ist einer Schrift von 2008 des Bundesumweltministeriums (BMU) zu entnehmen. In der Broschüre „Dioxin- und PCB-Einträge in Lebensmitteln vermeiden“ heißt es, dass die Dioxin-Emissionen in der Zeit von 1990 bis 2000 um über 85 Prozent reduziert werden konnten.
Umfangreiche Untersuchungen bezüglich der Anwendung von Kompost als Bestandteil von Kultursubstraten zeigen, dass bei der Anwendung dieses Sekundärrohstoffdüngers nahezu ausschließlich die Gehalte an Hauptnährstoffen und die daraus resultierenden Salzgehalte sowie die pH-Werte negativ auf die Nutzpflanzen einwirken können. Als Schadfaktoren kommen auch hier Schwermetalle wie Cadmium längst nicht mehr in Betracht (Weinhold 1998). Die erhöhten Cadmium-Gehalte in Baumrinden (vorrangig von Koniferen), die auf sauren Standorten gewachsen sind, zeitigen ebenfalls keinerlei negative Wirkungen auf Nutzpflanzen. Umfangreiche Untersuchungen von Standorten, die mehrfach und langjährig mit Rindenmulch abgedeckt wurden, belegen, dass keinerlei Anreicherung von Cadmium im Boden zu verzeichnen ist.

Die Suche nach den bösen Giften
Die neuen Regelungen (RAL-Gütesicherung) erlauben die Anwendung von Rindenerzeugnissen (mit dem natürlicherweise enthaltenen Cadmium und anderen Schwermetallen) in den verschiedenen Bereichen des Gartenbaus. Doch trotz überprüfbarer Sachverhalte führen die in der novellierten Düngemittelverordnung (DüMVO) verschärften Grenzwerte für Cadmium in Baumrinden nun zum Aus für die stoffliche Verwertung dieses bewährten Rohstoffes, der in der Forst- und Holzwirtschaft anfällt. Auch die in der neuen DüMVO geforderte Bestimmung des Gesamtgehaltes an Magnesium in Torfen als wichtigen Rohstoff für die Substratherstellung ist überflüssig. Praxisfremd und im Hinblick auf eine Relevanz für die Umwelt vernachlässigbar sind überdies Forderungen nach Pflichtdeklarationen von 0,004 Prozent Kobalt- oder 0,0005 Prozent Selen-Anteilen. Die neue DüMVO ist unterm Strich nicht viel mehr als ein Beleg für ausufernden Regulierungswahn, um alles, was auch nur im Entferntesten als „giftig“ bezeichnet werden könnte, zu verbannen.

Wissen Sie, was sie tun?
In UBA-Schriften (z.B. „Kompostfibel“ oder „Gartenfibel – Umweltschutz im Garten“) wird für Haus- und Hobbygärten empfohlen, Kompost ohne jede Einschränkung anzuwenden. Doch damit gibt es reale Probleme, die aber nicht in die Programmatik für heimelig-grüne Gartenpflege passen. Betrachtet man die seit Jahrzehnten vorliegenden Nährstoffanalysen von Haus- und Hobbygärten (Grantzau, 2007), so ist unschwer festzustellen, dass die Flächen heute hochgradig überdüngt sind –  vor allem dann, wenn ihnen langjährig Kompost verabreicht wurde. Unbegrenzte Kompostdüngung führt aber nicht nur zur Überdüngung mit Hauptnährstoffen, sondern bewirkt gleichzeitig eine Anreicherung von Schwermetallen in den Gartenböden. Und die vom UBA autorisierten Düngeempfehlungen begünstigen zusätzlich eine unerwünschte Anreicherung mit organischer Substanz. Arbeiten aus der FH-Weihenstephan (Meinken) belegen, dass zu hohe Gehalte an organischer Substanz zu einer starken Nitratbelastung der Böden und des Grundwassers führen. Bei den überdüngten Gärten in der BRD handelt es sich übrigens um eine nicht zu unterschätzende Fläche von ca. 850.000 Hektar.

Nachhaltiger Unfug
Auf großes Unverständnis stieß bei Agrarfachleuten der Slogan „Gleiches zu Gleichem“, mit dem UBA-Vertreter die Anreicherung von Schwermetallen in den Böden verhindern wollten. Das Prinzip besagt, dass auf Böden nur solche Stoffe (zum Zwecke der Düngung) aufgebracht werden dürfen, deren „Schadstoffgehalte“ niedriger sind als die Gehalte im Boden selbst. Man spricht klug von „Nachhaltigkeit“, was nicht nur in diesem Zusammenhang schierer Unfug ist. Ernterückstände, welcher Pflanzenart auch immer, dürfen nun streng genommen überhaupt nicht mehr in die jeweiligen Böden eingearbeitet werden. Der Grund: Die Gehalte an Cadmium z. B. sind wegen des Transferfaktors zwangsläufig und auf ganz natürliche Weise höher wie die ursprünglichen Gehalte im Boden, auf dem die Pflanzen gewachsen sind. Ohne dieses „un-nachhaltige“ Prinzip ist übrigens Pflanzenwachstum nicht möglich, weil jede Pflanze darauf angewiesen ist, Mineralstoffe aus dem Boden anzureichern und dies unabhängig davon, ob die Nährstoffe in organischer oder mineralischer Form zugeführt wurden. Der VDLUFA und seine Agrarexperten haben nachgewiesen, dass das UBA-Umweltbürokratenpapier „Gleiches zu Gleichem“ überzogen und ökonomisch nicht umsetzbar ist (VDLUFA 2002).

Der Fehler liegt im System
Wie kann es sein, dass eine Behörde derartigen Fehleinschätzungen unterliegt und zudem fragwürdige Düngeempfehlungen herausgibt? Eine Antwort darauf findet sich möglicherweise in der Besetzung leitender Funktionen in Umweltbehörden mit Juristen. Dass sie bei der Ausübung ihrer Arbeit naturwissenschaftliche Unkenntnis an den Tag legen, zeigte jüngst eine Pressemitteilung des Bundesamts für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL). Darin wurden die für Pflanzen, Tiere und Menschen lebensnotwendigen Schwermetalle wie Kupfer, Zink und Nitrat in einem Atemzug mit langlebigen Organochlorverbindungen, Mycotoxinen, Resten von Tierarznei und Pflanzenschutzmitteln genannt und kurzerhand zu unerwünschten Stoffen in pflanzlichen und tierischen Lebensmitteln deklariert. Abhilfe kann hier wohl nur geschaffen werden, wenn „grüne Brillen“ und politisch motivierte Regulierungswut von natur- und agrarwissenschaftlichem Sachverstand abgelöst werden.

Erich Grantzau ist Fachjournalist mit den Schwerpunkten Agrar und Umwelt, sowie freier Mitarbeiter von Fachzeitungen.

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