09.01.2014
Grüne NGOs: Pillen vor die Säue
Von Sabine Leopold
Der BUND hat den erwarteten Skandal zur Grünen Woche präsentiert: In der Massentierhaltung werden Sauen systematisch mit Hormonen behandelt, und das führe zu Gefahren für Mensch und Umwelt. Die Agrarjournalistin Sabine Leopold wirft einen kritischen Blick auf die Argumente des Öko-Verbandes
Am Dreikönigstag tourten nicht nur Sternsinger durch deutsche Lande. Auch BUND-Agrarexpertin Reinhild Benning war auf Achse. Fleißig arbeitete sie sich durch die Redaktionen aller großen Medien, um Radiohörer, Fernsehzuschauer und Zeitungsleser mit den Ergebnissen einer Studie zu konfrontieren: Im Auftrag des BUND, so erklärt die Organisation auf ihrer Website [1] zusammenfassend, deckte Prof. Dr. Bernhard Hörning von der Hochschule für nachhaltige Entwicklung Eberswalde auf, dass in der „industriellen Massentierhaltung“ Zuchtsauen systematisch und weitgehend unkontrolliert mit Hormonen behandelt würden, was zu einer erheblichen gesundheitlichen Gefährdung des Menschen und zu nachhaltigen Umweltproblemen führe. [2]
Tatsächlich legt Hörning hinreichend korrekt dar, wie mit Hilfe biotechnischer Maßnahmen die Reproduktionsrhythmen von Sauen hormonell synchronisiert werden. Und anhand von Untersuchungen aus dem europäischen und nichteuropäischen Ausland (deren Vergleichbarkeit mit hiesigen Bedingungen zumindest in Frage gestellt werden könnte) schlussfolgert er, dass diese Substanzen möglicherweise in erheblichem Umfang von den behandelten Sauen ausgeschieden und in den Trinkwasserkreislauf eingetragen werden.
Gründe für diese biotechnischen Maßnahmen, so der Autor der Studie weiter, seien anvisierte (unmäßige) Leistungssteigerungen und das Bestreben, den Betreuungsaufwand je Sau zu reduzieren, damit Kosten zu sparen und Profite zu maximieren.
Oberflächlich betrachtet sind viele der aufgezählten Fakten nicht von der Hand zu weisen – wenn auch oft inkonsequent hinterfragt und einseitig beleuchtet. Sehr tief gingen Hörnings Recherchen zum Thema allerdings nicht.
Aus schwachen Argumenten werden hanebüchene Tatsachen
Doch während sich die Studie zumindest noch um eine grundlegende Sachlichkeit bemüht, dient die Zusammenfassung des BUND offensichtlich nur der Stimmungsmache mit oberflächlichen Parolen.
Setzen wir uns mit einigen der „Schlussfolgerungen“ auseinander:
Das mag sein, liegt aber nicht an irgendeiner kruden Geheimhaltung. Biotechnische Maßnahmen beim Schwein sind seit 40 Jahren Praxis und werden sowohl von Landwirten als auch von der Fachpresse offen diskutiert.
Diese Aussage soll wohl erneut unterstreichen, dass hier im Geheimen Verbote unterlaufen werden. Richtig ist natürlich, dass sowohl die Präparate als auch die Behandlungsmaßnahmen gesetzlich geprüft, korrekt zugelassen und seit langem auf ihre Praxissicherheit hin überprüft sind. In der DDR wurde Biotechnik bereits ab den siebziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts großflächig eingesetzt (darauf weist auch Hörning hin). Auffälligkeiten hinsichtlich der weiter unten vom BUND aufgezählten gesundheitlichen Folgen (erhöhte Krebsraten bei Brust- und Hodenkrebs, mangelnde Fruchtbarkeit bei Männern, extreme Frühreife bei Mädchen) gab es – verglichen mit der Bundesrepublik – seltsamerweise nicht, obwohl die damals eingesetzten Präparate noch weit unsicherer waren.
„In der DDR wurde Biotechnik bereits ab den siebziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts großflächig eingesetzt. Auffälligkeiten hinsichtlich der vom BUND aufgezählten gesundheitlichen Folgen gab es seltsamerweise nicht.“
Hier weiß man nicht mal, wo man beginnen soll, so viele Falschaussagen häufen sich in nur einem Satz: Selbstverständlich werden durch die Hormone nicht unnatürliche Ferkelzahlen erzeugt (obwohl das tatsächlich auch die Studie selbst schon behauptet). Die steigenden Wurfgrößen sind in allererster Linie Ergebnis intensiver Zuchtarbeit. Die Hormone zielen nicht auf eine höhere Anzahl ovulierter Eizellen ab, und schon gar nicht werden durch diese Praxis mehr tote oder lebensunfähige Ferkel geboren.
Richtig ist dagegen, dass (auch) dank synchronisierter Brunsten und Geburten Tierverluste verringert werden. Eine Ringauswertung der Rheinischen Ferkelerzeugerverbände zeigt (trotz deutlich gestiegener Wurfgrößen im vergangenen Jahrzehnt) sinkende Verlustraten bei den Neugeborenen. Das ist unter anderem der Tatsache geschuldet, dass durch synchronisierte Abferkelungen eine fast lückenlose Geburtsüberwachung möglich ist – selbst in Betrieben ohne angestellte Arbeitskräfte. Das wiederum verbessert die Ferkelversorgung enorm, sorgt für deutlich bessere Überlebensraten und fördert eindeutig den Tierschutz.
Was übrigens in der schriftlichen Zusammenfassung nicht auftaucht, erklärte Frau Benning mündlich in mehreren Interviews: Die hohe Anzahl Ferkel führe selbstredend zu Versorgungsengpässen und folgerichtig auch dazu, dass Jungtiere einfach in großem Stil totgeschlagen würden.
Wer hätte nicht auch noch auf diesen hanebüchenen Zusammenhang gewartet…
Das ist durchaus denkbar, aber die Studie belegt weder, dass das geschieht, noch in welchem Umfang diese Austräge erfolgen. Der Autor mutmaßt nur, dass es wohl so sein müsse, und die BUND-Zusammenfassung macht daraus eine Tatsache.
Möglich (auch wenn „ist davon auszugehen“ eine wenig fundierte Schlussfolgerung ist), doch sagt dies erstens nichts über die Ursprünge dieser Hormonbelastung aus (dazu kommen wir später noch), und zweitens widerspräche das der mündlichen Aussage von Reinhild Benning in einem Interview mit dem Berliner Sender RadioEins am 6.1.2014 [3], nach der bäuerliche Familienbetriebe biotechnische Methoden aus Rücksicht auf den Verbraucher natürlich nicht anwendeten. Intensive Schweineregionen (also nach BUND-Aussagen die am stärksten hormonell belasteten Gebiete) finden sich vor allem in der Gegend um Vechta, dort aber konzentrieren sich in erster Linie Familienbetriebe.
Ganz richtig. Das allerdings sagt absolut nichts über die Ursprünge dieser Substanzen aus. Der BUND lässt hier einfach zwei unabhängige Aussagen aufeinander folgen und nimmt den kausalen Zusammenhang, den sich der Leser daraus bastelt, billigend in Kauf – oder genauer: Er beabsichtigt ihn!
Und hier wären wir bei der eigentlichen Unzulänglichkeit der BUND-Studie und der daraus gezogenen Schlüsse: In Deutschland werden rund zwei Millionen Zuchtsauen gehalten. Nach Expertenschätzung werden etwa 20% dieser Tiere brunststimuliert und/oder brunstsynchronisiert und/oder geburtensynchronisiert – also hormonell behandelt. Das sind hochgerechnet 400.000 Sauen.
„Rund 80% aller deutschen Frauen zwischen 20 und 30 nehmen die Antibabypille. Und auch deren Ausscheidungen gelangen nach Klärung in den Trinkwasserzyklus.“
Gleichzeitig nehmen nach Schätzungen der Universität Bremen rund 80% aller deutschen Frauen zwischen 20 und 30 die Antibabypille, in den Altersgruppen darunter und darüber sind es entsprechend weniger, dennoch dürfte sich die Anzahl der Menschen, die nahezu täglich Hormone schlucken, im zweistelligen Millionenbereich bewegen. Und auch deren Ausscheidungen gelangen nach Klärung in den Trinkwasserzyklus. Eine hormonelle Belastung von Grund- und Oberflächenwasser zu erheblichen Teilen auf die Tierhaltung zu schieben, darf zumindest für höchst fragwürdig gehalten werden.
Jedes Mittel ist recht für eine neue Kampagne
Der BUND zeigt auch mit dieser Studie, dass ihm nahezu jedes Mittel Recht ist, deutsche Landwirte zu diskreditieren (ja, dazu gehören auch Sauenhalter mit mehr als 500 Sauen). Nach dem viel diskutierten, unsäglichen Video gegen den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln (Sie erinnern sich: die eingegrabenen und von einem Flugzeug mit Gift besprühten Babys) musste offenbar rechtzeitig zur Internationalen Grünen Woche ein neues Skandalthema her. Und folgerichtig lädt die Organisation auch direkt unter ihrem Brandbrief (und ebenso natürlich bei jedem der zahlreichen Interviews) zur Demo vor dem Kanzleramt ein. Thema: „Wir haben die Agrarindustrie satt“.
Ja, und satt wirkt es in der Tat, wenn man als NGO regelmäßig in generalstabmäßig organisierten Kampagnen über eine moderne Landwirtschaft herzieht, die in erster Linie unser Land mit (nachgewiesenermaßen) gesunden und hochwertigen Lebensmitteln versorgt.