13.05.2009

Grün ist die Krise

Von Matthias Heitmann

„Grün dreht das“ – so lautete das Motto des Parteitages von Bündnis 90 / Die Grünen. Das einzige, was sich am letzten Wochenende im Velodrom in Berlin drehte, waren jedoch die Grünen, und sich drehten sich in erster Linie um sich selbst und in der Hoffnung, auf diesem Wege ihre eigene Achse wiederzufinden.

Das ist an sich nichts wirklich Neues: Seit ihrer Verbannung in die Opposition tun die Grünen dies, ohne allerdings dadurch bei den Wählern den Eindruck zu erzeugen, als Partei unverzichtbar zu sein. Im Gegenteil: Ihre Rolle als unverzichtbare Mehrheitsbeschaffer haben sie eingebüßt, und halbwegs realistischen Regierungskonstellationen, in denen sie tatsächlich gebraucht würden, erklären sie selbst eine Absage. Was will Grün also drehen außer Däumchen?

Der Berliner Parteitag hat auf eindrucksvolle Art und Weise bewiesen, dass sich die Grünen als eine – wie man auch immer zu ihr gestanden haben mag – die politische Landschaft ergänzende Partei mit einem eigenständigen Profil überlebt haben. Da konnte man noch so stolz den US-Präsidenten Barack Obama während des Parteitages auf die Leinwand projizieren und die mehr oder minder tauglichen Krisenbewältigungsstrategien der Auto- und Chemieindustrie als Beleg dafür aus dem Hut zaubern, dass grünes Denken „in den hegemonialen Diskurs der Republik“ eingedrungen sei, wie es Fritz Kuhn formulierte. Fakt ist: Barack Obama ist kein Grüner, und grünes Denken dominiert schon seit längerem den politischen Diskurs in Deutschland; es ist mittlerweile in allen politischen Strömungen sogar so mehrheitsfähig, dass eine grüne Partei nicht mehr gebraucht wird.

Das macht es für die Partei auch so schwer, ein eigenständiges Profil zu entwickeln, um die Notwendigkeit ihrer Existenz unter Beweis zu stellen. Hierzu bedürfte es vor allen Dingen neuer inhaltlicher Impulse. Doch gerade diese fehlen. Tatsächlich sind die Grünen die Partei in Deutschland, die sich am wenigsten bemüht, in Zeiten des Umbruchs und der Krise neue Antworten und Perspektiven zu entwickeln. Stattdessen sehen sie sich irrigerweise als die „Gewinner der Krise“, da ihre seit jeher gepredigten Forderungen nach Verzicht nun bitterer Alltag werden. Die Inhalte des angeblich so revolutionären „Green New Deal“ reichen von ökologischen Alltäglichkeiten, wie sie heute beinahe in jeder Partei formuliert werden, bis zu völlig abstrusen Versprechungen wie etwa die Schaffung von einer Millionen neuer Jobs in Ökobranchen und in der Bildung. Sie sind ein bloßes Sammelsurium wohlfeiler Floskeln, um das Mittelklassen-Klientel zu beruhigen, und kaum dazu geeignet, ein eigenes Profil zu schärfen.

Interessanterweise scheint für die Grünen der einzige Weg der „Profilschärfung“ der ins wahlarithmetische Abseits zu sein. Unvereinbarkeit zu betonen, wo keine Übereinstimmungen existieren, ist grundsätzlich ein durchaus legitimes Mittel zur Profilierung. Problematisch wird es jedoch, wenn diese nicht inhaltlicher, sondern rein von Polemik und persönlicher Abneigung geprägt ist. Die FDP, die von den Grünen aufs Heftigste bekriegt wird, existiert schon lange nicht mehr. Die künstliche Abgrenzung von Westerwelles Mannen lässt diese weitaus (neo-)liberaler und anti-grüner erscheinen, als sie eigentlich sind. Dass Westerwelle diese Steilvorlage dankbar aufnimmt, sollte angesichts seiner guten Aussichten, auf diesem Wege eine schwarz-gelbe Koalition zustande zu bringen, nicht weiter überraschen.

Die grüne Abgrenzung von der Partei „Die Linke“ ist nicht nur in den eigenen Reihen umstritten, sondern auch noch schwammiger. Beide setzen in der Überwindung der Krise auf die Macht des Staates. In ihrer Analyse der Ursachen der Wirtschaftskrise bewegen sich die Aussagen der Grünen auf unterstem intellektuellem Niveau – mehr als die Kritik an „gierigen Bankern und Spekulanten“ war auf dem Parteitag kaum zu vernehmen. Auch die Forderung nach einem Mindestlohn von 7,50 Euro lässt eine Totalabsage an die Linken (Gysi und Lafontaine fordern 10 Euro Mindestlohn) als einen verzweifelten Versuch erscheinen, sich als eigenständige Kraft zu präsentieren. Die Bündnisgrünen sitzen nicht nur zwischen allen Stühlen – eine vergleichsweise komfortable Position –, sondern mit allen Parteien auf derselben Bank, und sie laufen Gefahr, unter den Tisch zu rutschen. „Aus der Krise hilft nur grün“, formulierte der Parteitag mit aufgesetztem Selbstbewusstsein. Tatsächlich aber ist die Krise grün.

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