11.08.2015

Großwildjagd: Löwe Cecil tot, Sack Reis fällt um

Kommentar von Klaus Alfs

Im Simbabwe wurde jüngst ein Löwe bei einer Jagd getötet. Im Sommerloch der westlichen Welt löste dies eine Welle der Empörung aus. Einen Grund dafür verortet Klaus Alfs in der lebensfremden Verniedlichung gefährlicher Wildtiere aus anderen Kontinenten

Als am 7. Juli 2015 die Dokumentation Hannes Jaenicke im Einsatz für Löwen im ZDF 1 ausgestrahlt wurde, kam jede Hilfe des Schauspielers für Cecil bereits zu spät. Der laut diverser Medien „bei Touristen beliebte Löwe“ war am 1. Juli in Simbabwe von einem Touristen und Hobbyjäger ins Jenseits expediert worden. Ein US-Zahnarzt namens Walter Palmer hatte mit zahntechnikfremdem Utensil offenbar leicht schielend auf den Löwen angelegt und diesen mit einem Pfeil durchbohrt. Doch das Opfer fiel dem Dentisten nicht wie ein Patient dankbar zu Füßen, sondern quälte sich noch mindestens 24 Stunden lang waidwund durch die Gegend, bis ihn Mitglieder des Jagdtrupps per Gewehrschuss von seinem Leiden erlösen konnten.

Das ist übel. Die Forscher aus Oxford trauern um ihr schönes Halsband, das sie dem Tier einst zu Forschungszwecken feierlich verliehen hatten. 2 Auch der 13-jährige Löwe selbst wurde um sein wohlverdientes Ende beim Kampf mit einem Rivalen gebracht. Insider meinen zu wissen, dass Cecil möglicherweise schon von einem jüngeren Konkurrenten Namens Jericho entmachtet worden war und gerade ein erfülltes Restleben als gefährdeter Einzelgänger begonnen hatte. 3 Der glücklose Schütze hat also vielleicht verhindert, dass andere Mitgeschöpfe wie Hyänen, Geier und allerlei Wirbellose dem Löwenrentner irgendwann ans Fell gehen, um ihn nach ökologischer Vorschrift in seine Einzelteile zu zerlegen und ohne Rückstände zu beseitigen.

Jericho, das neue Alphamännchen, dem wohl bald das Gedächtnis-Halsband aus Oxford verliehen wird, pfeift indes auf das Schicksal des alten Rudelführers. Der neue Lion King wird wahrscheinlich seine genetische Pflicht erfüllen und Cecils niedliche Nachkommen töten – so wie Cecil es vermutlich mit den Jungtieren seines Vorgängers getan hat. Nett ist das nicht, zumal Tierrechtler gerne behaupten, Tiere seien nicht weniger ethisch als Menschen. 4 Ungeachtet aller Ethik gehört der Infantizid schlichtweg zur Löwenroutine. Zahnarzt hin, verfehlter Schuss her – in naher Zukunft hätte für Cecil und seine Kinder ohnehin das letzte Stündlein geschlagen. Das Malheur mit Palmers Armbrust ist daher insgesamt so bestürzend wie der sprichwörtliche Sack Reis, der in China umfällt und manches Kleintier plättet.

„In naher Zukunft hätte für Cecil und seine Kinder ohnehin das letzte Stündlein geschlagen“

In den Wochen nach der waidmännischen Blamage scheint allerdings auf dem Planeten nichts los gewesen zu sein. Die Medien machten jedenfalls derart viel Wind um diesen banalen Fall mutmaßlicher Wilderei, dass ein Sturm der Entrüstung über den „Löwen-Killer“ hereinbrach. Der jagdfreudige Zahnarzt mit dem Knick in der Pupille ist inzwischen angeblich abgetaucht 5, an Einfahrt und Garagentor seines Ferienhauses in Florida tobten sich Cecil-Fans aus. 6

Liest man die Worte Ingrid Newkirks, könnte man fast meinen, Palmer sei der neue Salman Rushdie, über den eine Tierrechtler-Fatwa verhängt wurde. Die Gründerin und Präsidentin der berüchtigten Organisation PETA meinte in einem kurzen Statement, Palmer müsse „ausgeliefert, angeklagt und möglichst gehängt werden.“ 7 Vielleicht auch in anderer Reihenfolge? Opernfreunde denken hier unwillkürlich an den Haremswächter Osmin aus Mozarts Entführung aus dem Serail. Dieser fordert mit grimmiger Übermotivation: „Erst geköpft, dann gehangen, dann gespießt auf heiße Stangen!“

Geht nun die Angst um, dass es Jägern bald genauso ergehen könnte wie Cecil? Die US-Airlines Delta und American befördern ab sofort keine Trophäen von Löwen, Leoparden, Büffeln und Elefanten 8 mehr. Wenn fanatische Tierschützer der Jagdbeute ansichtig werden, drehen sie womöglich durch und kapern die Maschinen. Trophäen von kleineren Tieren fallen hingegen weniger auf und interessieren außer Zollbeamte kein Aas.

„Den von wilden Tieren entfremdeten Individuen der Überflussgesellschaft ist schon lange jene Vernunft abhandengekommen, welche in Simbabwe noch zu herrschen scheint“

Derweil werden kritische Stimmen aus Simbabwe laut. Diese äußern großes Befremden darüber, dass der Tod eines Löwen so viel Empörung erzeugen kann, während die wirtschaftliche Not sowie der Hungertod vieler Landsleute kaum einen Hund hinter dem Ofen hervorlocken. „In Simbabwe herrscht gerade eine Mischung aus Verwirrung und Frustration darüber, dass sich Medien aus aller Welt auf ein Thema stürzen, das so ziemlich die geringste Sorge der simbabweschen Bevölkerung darstellt“, schreibt der Journalist Joseph Maramba aus Harare. 9

Marambas Artikel müsste die selbsternannten Chefankläger zum beschämten Schweigen zwingen oder sie wenigstens dazu bewegen, zwei Gänge herunterzuschalten. Doch den von wilden Tieren entfremdeten Individuen der Überflussgesellschaft ist schon lange jene Vernunft abhandengekommen, welche in Simbabwe noch zu herrschen scheint. Laut Maramba begegnen seine Landsleute Tieren „eher mit Faszination als mit Vermenschlichung. Sie schreiben ihnen nicht Rechte und Gefühle zu, die sie Menschen zugestehen.“

Wo man tatsächlich in der Nachbarschaft von wilden und gefährlichen Tieren lebt, hat man nun einmal eine andere Sicht auf seine Mitwesen. Es gibt – welch ein Frevel! – sogar Simbabwer, die sich über den Abschuss von Cecil öffentlich freuen, so zum Beispiel der Biologiestudent Goodwell Nzou. In Simbabwe, sagt er, weint niemand um Löwen. 10 Und das, obwohl Panthera Leo doch die „einzige gesellige Katzenart“ ist, wie der Naturschutzbund Deutschland (NABU) betont. 11 Der NABU fordert zum „Internationalen Tag des Löwen“ am 10. August, ein EU-weites Einfuhrverbot von Löwentrophäen.. Wer das gesellige Beisammensein mit den lieben Kätzchen trotz Ringelpiez noch immer schnöde ablehnt, kann gar nichts anderes als sein als ein Unhold.

„Dürfen Afrikaner denn einfach so Löwen hassen?“

Hiesige Tierbefreier kommen angesichts jener Unbelehrbarkeit ins moralische Schwitzen. Dürfen Afrikaner denn einfach so Löwen hassen? Und wenn ja, warum dürfen sie das? Weil „die da unten“ rückständige Exemplare der Gattung Mensch sind und ohnehin nichts begreifen? Oder muss sie die Empörung genauso treffen wie weiße und reiche Hobbyjäger? Wenn man partout keine anderen Sorgen im Leben hat, kann man als Aktivist nächtelang mit seinesgleichen über solche brennenden Fragen diskutieren, und verbales Ausländerklatschen de luxe betreiben.

Die Sommerloch-Posse um den guten König der Tiere und den bösen König der Zahnkronen lehrt vor allem, wie abgehoben die Debatte um den Tierschutz in unseren Breiten ist. Sie zeigt erneut, dass „Tierliebe“ mit genuinem Interesse an Menschen in keinem positiven Zusammenhang steht. Die Behauptung von Tierrechtlern, eine ontologische und rechtliche Aufwertung von Tieren würde nicht zu Lasten des Menschen gehen, ist grotesk und falsch.

Elefanten werden im Westen geliebt und verniedlicht. Die EU hat gerade ein Importverbot für Jagdtrophäen von Dumbo und Co. verabschiedet. 12 Doch da, wo sie leben – etwa in Indien, wo sie auf Grund ihrer „Heiligkeit“ nicht gejagt werden dürfen –, richten Dickhäuter mitunter große Schäden in Pflanzungen an 13, verwüsten Dörfer, plündern Vorräte 14, töten Menschen 15. Entsprechend verhasst sind die „geselligen Tiere“ bei ihren menschlichen Nachbarn. 16 Auch Büffel oder Flusspferde finden wenig Sympathie. Diese töten mehr Menschen, als es Löwen tun.

„Jagd ist oft einfach notwendig, sofern menschliches Wohlergehen dem der Tiere vorgezogen werden soll.“

Genössen solche Lebewesen dem Willen der Tierrechtler gemäß auch noch menschliche Grundrechte auf Leben, Freizügigkeit, Unversehrtheit, müsste man sie umfassend medizinisch versorgen und anderweitig päppeln. Man dürfte sie nicht gewaltsam daran hindern, in Plantagen oder Wohngebiete einzudringen. Denn nur in akuter Notwehr soll es ja nach Wunsch der Tierbefreier erlaubt sein, Mitgeschöpfe zu töten. Die Lieblinge der hiesigen Tierschützer könnten sich auf Kosten von anderen Tieren und von Menschen munter vermehren. Ewiger Friede auf Erden und allgemeines Wohlgefallen wären damit sicher ausgeschlossen.

Die Frage, ob Großwildjäger dem Naturschutz eher nutzen oder schaden, will sorgfältig geprüft sein. Auch der WWF war ursprünglich bloß eine Vereinigung adeliger Großwildjäger, die den Naturschutz betrieben, um ungestört jagen zu können. 17 Dass dabei nur Schlechtes für den Artenschutz herausgekommen sei, kann nicht ernsthaft behauptet werden.

Man mag – wie der Verfasser dieser Zeilen – die Jagd abscheulich finden. Doch man muss redlicherweise zugeben, dass dies nicht mehr als ein Geschmacksurteil sein kann. Jagd ist oft einfach notwendig, sofern menschliches Wohlergehen dem der Tiere vorgezogen werden soll. Menschen zu verurteilen, die Tiere jagen, ist sehr billig. 18 Die Gemüter sollten sich also schleunigst wieder beruhigen und den wirklichen Problemen zuwenden. Ein globales Trauerjahr für Cecil wäre da wenig hilfreich.

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