11.09.2013

GreenTec Awards: Revue der Belanglosigkeiten

Von Thilo Spahl

Ökoinnovationen dienen der Befriedigung niedriger Erwartungen. Wenn plötzlich jemand in ganz andere Dimensionen vordringt, ist die Irritation groß. Dieses Jahr musste bei der grünen Jubelveranstaltung doch tatsächlich ein Kernreaktor umschifft werden. Ein Kommentar von Thilo Spahl.

„Im Rahmen einer glamourösen Gala fand am 30. August in der Hauptstadtrepräsentanz der Deutschen Telekom in Berlin die jährliche Preisverleihung der GreenTec Awards [1], Europas größtem Umwelt- und Wirtschaftspreis, statt. In Anwesenheit von führenden Vertretern aus Wirtschaft, Wissenschaft, Politik und Medien wurden die innovativsten grünen Produkte, Projekte und Umwelttechnologien in insgesamt acht Kategorien mit einem GreenTec Award ausgezeichnet“, so die Zusammenfassung der Veranstalter.

Wer sich für die Glamourkomponente interessierte – und das werden wohl die meisten gewesen sein, die sich mit der ganzen Angelegenheit befasst haben – dem wurden einige Namen präsentiert, von denen unsereins entweder noch nie etwas gehört hat oder gerne nie etwas gehört hätte: „Der grüne Umweltgipfel des Jahres hat viele Prominente nach Berlin-Mitte gelockt. Zu den Laudatoren zählten die beliebte Moderatorin und Jurymitglied Sabine Christiansen, das Top-Model Franziska Knuppe, die Köchin Sarah Wiener, der Stifter und ehemalige Fußballprofi Christoph Metzelder sowie die Moderatoren Mareile Höppner, Nela Panghy-Lee und Stefan Gödde.“

„Wer sich für die Innovationen interessiert, wurde natürlich enttäuscht.“

Und auch wer sich für die Innovationen interessiert, wurde natürlich enttäuscht. Die „innovativsten grünen Produkte, Projekte und Umwelttechnologien“ sind ein Solar-Wäschetrockner (so was hieß früher Leine und war 2000 Euro billiger), ein Mikrokraftwerk auf Brennstoffzellenbasis (Erfindung der Brennstoffzelle ereignete sich im Jahr 1838), die gute Absicht, mit geeigneten Booten Plastikmüll aus dem Meer zu sammeln (nennt man heute „Marine Littering“), ökologisch korrekte Musik (ein Typ namens Rea Garvey ist „Ausnahmekünstler, der in seinem Schaffen gute Musik mit berührenden, aufrichtigen und authentischen Texten mit beispielhaftem Umweltengagement zusammenbringt, was ihn zu einem würdigen Preisträger des Green Music Award 2013 macht“), noch eine Brennstoffzelle, diesmal für lärmreduzierten Flugzeugbetrieb am Boden (Airbus), eine moderne Mitfahrzentrale (heißt heute „Social Mobility Network“), eine besonders kreative Werbetexterinterpunktionsleistung namens „Think Blue. Factory.“ (Effizienzprogramm bei VW mit verbesserter Hallenbelüftung und dergleichen), eine Internetplattform, auf der man alte Gewürzpackungen verschenken kann, statt sie in den Müll zu werfen (www.foodsharing.de, in Kassel werden mir gerade 250 g Reis mit Ablaufdatum April 2013 angeboten, sollte man vielleicht mal vorbeifahren und abholen), Filter zur Reinigung von Straßenabwasser (zur Erhaltung der „lebensnotwendigen Ressource Wasser für die Bevölkerung und zukünftige Generationen“). Und zu guter Letzt noch ein neuer Typ von Kernreaktor, der sicher ist, Atommüll verbrennen kann und die Welt dauerhaft mit CO2-freiem, billigen Strom und Treibstoff versorgen kann.

Nein, das war natürlich ein Scherz. Das Berliner Institut für Festkörper-Kernphysik
[2] war zwar tatsächlich mit dem Konzept für den sogenannten Dual-Fluid-Reaktor [3] angetreten. Er war dummerweise auch noch in seiner Kategorie aus der Online-Abstimmung als Sieger hervorgegangen und damit fürs Finale nominiert, was den erstaunten Erfindern auch mitgeteilt wurde. Aber dann haben die Veranstalter doch noch gemerkt, dass nicht sein kann, was nicht sein darf. Kurzerhand wurde nachträglich das Reglement geändert und mitgeteilt, dass die Einreichung leider aufgrund der „wissenschaftlichen, sozialen und kommunikativen Aspekte (…) im Licht der Zielsetzung des Awards“ nicht berücksichtigt werden kann. Da es sich tatsächlich eher um einen Kommunikationspreis als um einen Technologiepreis handelt, ist das einleuchtend, wenn auch nicht gerade fair.

Wegen verschiedener Proteste gab es noch weitere, peinliche Rechtfertigungsauslassungen der Veranstalter. Die ausführliche Begründung [4] endet kämpferisch mit dem schönen Satz „Die GreenTec Awards werden keinesfalls Bühne für Kernkraftexperimente sein.“ Aber hallo, das wäre sozial, kommunikativ und glamourtechnisch ja auch noch schöner!

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