15.07.2015

Gesetzesprävention statt Präventionsgesetz

Von Christoph Lövenich

Am letzten Freitag hat der Bundesrat das Präventionsgesetz durchgewunken. Künftig werden wir verstärkt und überall mit einseitigen Gesundheitsbotschaften belästigt, kritisiert Christoph Lövenich. Das Gesetz wird teuer und drückt paternalistisches Sendungsbewusstsein aus

Am vergangenen Freitag hat der Bundesrat das Präventionsgesetz (PrävG) verabschiedet. [1] Diese auf den Gesundheitsbereich abzielende Norm war schon über zehn Jahre lang in der Planung und mehrfach nicht zustande gekommen. Was lange währt, wird endlich gut? Mitnichten. Der Statistikprofessor Walter Krämer sieht Gelder in Maßnahmen zur Gesundheitsprävention immer schlechter angelegt und weist in einem Novo-Beitrag darauf hin, „dass viele Heilerfolge inzwischen sogar preiswerter durch Therapie als durch Prävention erreicht werden können.“ [2] Wenn man an der einen Krankheit nicht stirbt, dann eben an einer anderen. Krämer wendet sich zudem gegen den freiheitseinschränkenden Charakter, den Präventionsmaßnahmen letztlich in sich bergen.

Die vom Medizinprofessor und Präventionsexperten Romano Grieshaber ebenfalls bei Novo vorgeschlagene rationale Prävention, die nicht einseitig bestimmte Risikofaktoren dämonisiert [3], hat – wie zu erwarten war – keinen Eingang in das Gesetz gefunden. Stattdessen gehören zu den im Bereich der Gesetzlichen Krankenkassen nun verbindlichen Zielen u.a. „Tabakkonsum reduzieren“ und – auf Wunsch des Bundesrats ergänzt – auch „Alkoholkonsum reduzieren“. Dies zeigt übrigens einmal mehr, wie Methoden zur Tabakbekämpfung in anderen Bereichen als Vorbild aufgegriffen werden. Oft treten hierbei Feindbilder und schlichte Vorurteile an die Stelle wissenschaftlicher Fakten.

Mit großen Brimborium soll man sich einer „Nationalen Präventionsstrategie“ widmen, es tagen Gremien wie die „Nationale Präventionskonferenz“ und das „Präventionsforum“, regelmäßig soll ein „Präventionsbericht“ erscheinen. Ernährungs-, Bewegungs-, Impf- und anderes Verhalten soll beeinflusst werden. Dabei nimmt man Ärzte und Kranken- wie Pflegekassen in die Pflicht. Fast 500 Millionen Euro müssen die Krankenkassen für die staatlich vorgeschriebenen Präventionsmaßnahmen ausgeben – jedes Jahr.

„Zur Gesundheit trägt es nicht bei, wenn man ständig zu vermeintlich ‚gesundem‘ Tun und Unterlassen ermahnt wird.“

Teilweise wird damit die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BzgA), eine Behörde im Geschäftsbereich des Bundesgesundheitsministeriums mit Krankenkassenbeiträgen weiter subventioniert, was auf Kritik stößt. [4] Die BzgA ist in vielen Bereichen nicht im eigentlichen Sinne „aufklärerisch“ tätig, sondern neigt eher zur zeigefingerschwingenden, propagandistischen Volkserziehung. Dabei nimmt sie es mit Tatsachen nicht immer genau. [5] Geld muss dem Gesetz folgend auch an die private Bundesvereinigung Prävention und Gesundheitsförderung e.V. fließen.

„Es gibt ja Leute, die leben nur noch vorbeugend und sterben dann gesund“ [6], merkt der Arzt und katholische Theologe Manfred Lütz kritisch an. Um den Menschen ein solch asketisches Präventionsverständnis einzuimpfen, soll unser Leben künftig von der Wiege bis zur Bahre mit entsprechenden Botschaften und Kampagnen gepflastert werden. Hunderte Millionen Euro werden für Präventionsprogramme in Kindertagesstätten, Schulen, Betrieben und Altenheimen ausgegeben. Wie bei Klima und „Nachhaltigkeit“ indoktriniert man Kinder gerne schon früh mit vereinfachenden und teils unrichtigen Vorstellungen vom „richtigen“ Leben, auch am Arbeitsplatz bleibt man nicht unbehelligt. In der Totalität dieses Durchgriffs auf die verschiedenen Lebensumfelder kann man sich langsam an die DDR erinnert fühlen, wo man von Parolen und ideologischen Phrasen der Obrigkeit nirgendwo verschont blieb, nicht im Klassenraum, nicht im Betrieb.

Zur Gesundheit trägt es nicht bei, wenn man ständig zu vermeintlich „gesundem“ Tun und Unterlassen ermahnt wird. Die „Gesundheitsförderung“, eines der auch im PrävG auftretenden modernen Schlagwörter, ist Ausdruck des Sanitarismus, einer übersteigerten Gesundheitsideologie, die statt in der Bekämpfung von Krankheiten ihr Heil (und ihr Geld) bei denen sucht, die gar nicht krank sind. „Jesus antwortete ihnen: Nicht die Gesunden brauchen den Arzt, sondern die Kranken.“ [7] Krankhafte Ausmaße hat mittlerweile der Präventionsfetischismus angenommen.

„Zunehmend mehr Mediziner neigen zum Predigen statt zum Heilen“

Neu ist das Phänomen nicht. Schon vor fast 100 Jahren musste der amerikanische Autor Henry Mencken einen Teil des Ärztestandes an Folgendes erinnern: „Das wirkliche Ziel der Medizin besteht nicht darin, die Menschen tugendhaft zu machen. Sie soll vielmehr die Menschen vor den Folgen ihrer Laster schützen und retten. Der Arzt predigt nicht das Buße tun – er erteilt die Absolution.“ [8] Heute neigen zunehmend mehr Mediziner zum Predigen statt zum Heilen. Sie arbeiten dabei Hand in Hand mit anderen wirtschaftlichen Akteuren des Gesundheitswesens, Prohibitionsaktivisten (gegen Alkohol, Tabak, Glücksspiel usw.) und nicht zuletzt paternalistischen Politikern, denen außer immer mehr Einmischung in das Privatleben ihrer Bürger nichts mehr einfällt.

Ein Resultat dessen liegt in Form des Präventionsgesetzes vor uns. Es wird Unmengen an Geld der Versicherten kosten, mit Nachdruck fragwürdige Botschaften ins Land posaunen, Menschen mit Verhaltensanweisungen belästigen und nur der Gesundheit mancher Geldbeutel und gewisser Egos dienen. Angesichts der verbreiteten Sucht nach immer neuen gesetzgeberischen Eingriffen in das Leben der Menschen brauchen wir statt eines Präventionsgesetzes die wirksame Prävention solcher Gesetze.

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