31.08.2015

Game Over an der Donau

Kommentar von Christoph Lövenich

In Wien werden immer härtere Verbotsmaßnahmen gegen Spielautomaten und Wetten ergriffen. Ähnlich wie in Deutschland dienen diese der Bevormundung und sollen dem teilstaatlichen Glücksspielunternehmen Kunden in die Arme treiben

Mit schweren Brocken musste sich jüngst die Finanzpolizei in Wien herumplagen: Bei Razzien gegen illegale Glücksspielautomaten stießen sie auf einen mit 200 Kilogramm Beton ausgefüllten Automaten, dessen Beschlagnahmung stundenlang dauerte. [1] Derartiger ziviler Ungehorsam erfolgte als Reaktion auf das totale Verbot des sogenannten „kleinen Glücksspiels“ (wie es wegen der geringen Einsätze genannt wird), das im Bundesland Wien seit Jahresanfang gilt. Der Spielautomatenbann trifft viele Spielhallen, aber auch Gaststätten existenziell. [2]

Die einzige rot-grüne Landesregierung im Alpenland hat sich auf dieses Thema besonders eingeschossen. So kam es im Sommer zu einer Verschärfung der Wettbüro-Regulierung; aktuell arbeitet man einem Verbot sogenannter Live-Sportwetten, bei denen man auf Ereignisse während der Spiele setzen kann, und an der unattraktiveren Gestaltung von Wettautomaten. „Voraufgezeichnete Hunderennen“ soll ebenfalls der Bannstrahl treffen. [3]

Anstehende Veränderungen im teilstaatlichen Bereich des Glücksspielwesens könnten dazu führen, dass besondere Spielautomaten – deren Gewinne nicht lokal, sondern über zentrale Lotterie-Server im Internet ermittelt werden –  demnächst ihren Weg in die österreichische Hauptstadt finden könnten. Das erzürnt die besonders glücksspielfeindlichen Grünen derart, dass sie dies zum Wahlkampfthema bei den anstehenden Landtagswahlen erheben möchten. [4] Nicht nur in Deutschland sind es Einschränkungen und Paternalismus, die das programmatische Profil dieser Partei prägen.

„Ist der Staat dazu berufen, die Eheprobleme von Privatleuten zu lösen?“

Was bevormundungsorientierten Politiker nicht passt, etwa der Anblick von Spielhallen, soll aus ihren Augen verschwinden, natürlich nur zum vermeintlich Besten der Bürger. Nicht erst seit heute hüllen sich Verbotsorgien in das Kleid des „Schutzes“. Spieler (und – wie sollte es anders sein – die Jugend) sollen „geschützt“ werden, indem man ihnen etwas verbietet. Weil eine Minderheit von Konsumenten sich finanziell in arge Schwierigkeiten bringt bzw. als krankhaft gilt, soll die große Mehrheit leiden. [5]

Ein Leserkommentar führt zudem Drittbetroffene an: „Viele Familien haben nichts zu essen, weil der liebe Gatte alles verspielt.“ [6] Wenn jemand zu viel Geld verspielt, dann entstehen dadurch fraglos Beziehungs- und Familienprobleme. Das gilt übrigens auch für viele ehrenamtliche und Berufspolitiker, denen die Politik zu wenig Zeit für die Familie lässt. Aber ist denn der Staat dafür geeignet oder überhaupt dazu berufen, die Eheprobleme von Privatleuten zu lösen?

 

 


Es geht außerdem nicht nur darum, Menschen zu ihrem angeblichen Glück zu zwingen. Seit dem Wiener Verbot „werden die großen Automaten der Casinos Austria AG, an der der Staat nicht unerheblich beteiligt ist, natürlich vermehrt aufgesucht“, weiß der Glücksspielexperte und ehemalige Profi-Pokerspiel Michael Keiner. „Auf privatwirtschaftlich betriebenen Automaten dürfen übrigens nur relativ kleine Geldsummen gespielt werden, die Verlustmöglichkeiten sind beschränkt pro Stunde, genau wie die Gewinnmöglichkeiten. In staatlichen Casinos bestehen diese Beschränkungen nicht.“ [7] Man reguliert also gegen die lästige private Konkurrenz.

Die Parallelen zum großen Nachbarn im Norden sind augenfällig. Die deutsche Glücksspielregulierung gilt unter Kennern seit langem als krachend gescheitert. Auch hier dient die paternalistische Gängelung der Spieler vor allem der Besitzstandswahrung staatlicher Glücksspielmonopolisten. Diese Missstände haben vor kurzem die Europäische Kommission dazu bewegt, ein sogenanntes Pilotverfahren gegen Deutschland zu eröffnen. Anfang nächster Woche – am 7. September – erwartet die Kommission die Antworten der Bundesrepublik auf ihren Fragenkatalog – z.B. wie sie das unionsrechtswidrig faktisch fortbestehende Sportwettenmonopol „unverzüglich“ beenden wolle. Danach entscheidet sich, ob ein Vertragsverletzungsverfahren eröffnet wird, was eine Neuregelung des chaotischen Status Quo zur Folge haben könnte. [8]

Dass kleinkarierte Verbotspolitik in Zeiten von Europäisierung und Globalisierung nur nach hinten losgehen kann, wird durch die Wiener Provinzposse deutlich. Nachbar-Bundesländer und die Slowakei sind nicht weit. So berichtet Michael Keiner von kostenlosen Taxen nach Bratislava, wo der Wiener dann der Spiellust frönen kann. Oder man begibt sich gleich ins Internet, dort sind zumindest der Wiener Landespolitik die Hände gebunden. „Ein Verbot wird keine Lösung bringen“, hatte sogar die zuständige Stadträtin in der Landesregierung, Ulli Sima, ihre sozialdemokratischen Parteifreunde vor Jahren gewarnt. [9] Aber wo die menschliche Freiheit und Autonomie nichts mehr zählen, sind staatliche Verbote längst zum Selbstzweck geworden.

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