02.04.2009

G-20-Gipfel: Kurzsichtigkeit regiert

Von Alexander Horn

Bereits im letzten Jahr wurde die Bundesregierung vom Wirtschaftsnobelpreisträger Paul Krugman heftig unter Beschuss genommen. Damals ging es um ihre zögerliche Haltung im Hinblick auf Programme zur Ankurbelung der Konjunktur. Nun steht die Bundesregierung im Zuge des Finanzgipfels in London erneut in der Kritik.

Der japanische Ministerpräsident Aso sagte in einem Interview gegenüber der „Financial Times“ es gebe Länder, die nicht verstanden hätten, wie wichtig die fiskalische Mobilisierung sei. Dabei verwies er auf Deutschland. Hierzulande sieht man sich mit inzwischen zwei Konjunkturpaketen von insgesamt 80 Milliarden Euro allerdings eher als „Schritt- und Tempomacher“ – zumindest in Europa (FAZ, 2.4.09).

Es ist jedoch ein offenes Geheimnis, daß die im Zuge der Wirtschafts- und Finanzkrise ergriffenen Maßnahmen zur Ankurbelung der Konjunktur auf wenig mehr als Flickschuhsterei hinauslaufen. Im Grunde wird versucht, die Mechanismen, die in den vergangenen Jahrzehnten einen wichtigen Beitrag geleistet haben, um die Schwäche der entwickelten Volkswirtschaften zu kompensieren, aufrecht zu erhalten. Dies ist vor allem die Kreditausweitung.

Durch den Kollaps der Finanzmärkte ist der Weltwirtschaft ein wichtiger Stützpfeiler verloren gegangen. Die Kreditexpansion, die in der Blase am amerikanischen Häusermarkt gipfelte, wurde vor allem in den USA und Großbritannien mit einer enormen Verschuldung der privaten Haushalte erkauft. Obwohl die Kreditwürdigkeit privater Haushalte und auch der Unternehmen in der Krise nicht gestiegen ist, wird nun versucht, die Kreditexpansion weiter voranzutreiben. Vielen Banken, denen die Staaten zu Hilfe geeilt sind, wurde dies zur Auflage gemacht. Der Versuch, die Konjunktur durch staatliche Ankurbelung zu stärken, ist gewissermaßen eine flankierende Maßnahme zur Ausweitung billigen Kredits. Der Erfolg dieser Strategie, die primär darauf ausgerichtet ist, möglichst schnell den privaten Konsum anzukurbeln, ist allerdings mehr als fraglich.

Die japanische und die deutsche Wirtschaft, die unter den westlichen Volkswirtschaften noch einen vergleichsweise hohen Anteil ihres Bruttoinlandsproduktes in der Industrie erzeugen, trifft die Krise ins Mark. Beide Volkswirtschaften sind seit Anfang der 90er-Jahre nur sehr dürftig gewachsen. Das hatte verheerende Auswirkungen auf die Beschäftigung und wirkte sich durch fortgesetzte Reallohneinbußen aus. Deutschland hat sich erst in den letzten drei Jahren über einen unerwarteten „Boom“ mit Wachstumsraten von über zwei Prozent aus dieser Stagnation gerettet. Nun melden erwartungsgemäß genau die Branchen, die in den letzten Jahren (ausnahmsweise) kräftig expandieren konnten, die schlimmsten Rückgänge in den Auftragseingängen und der Produktion. Das sind vor allem die Hersteller von Investitionsgütern wie etwa der Maschinen- und Anlagenbau sowie die Automobilindustrie. Die im kleinen Aufschwung der letzten Jahre überwunden geglaubte Investitionsschwäche, vor allem der entwickelten Volkswirtschaften, wird nun beide Länder erneut empfindlich treffen.

Der Weltwirtschaft mangelt es zwar vordergründig an Kredit und zusätzlicher Nachfrage. In den Schwierigkeiten der deutschen und der japanischen Wirtschaft spiegelt sich jedoch das allgemeine Problem geringer Investitionen und bahnbrechender Innovationen. Durch Investitionen in Maschinen und Anlagen sowie Forschung und Entwicklung könnten neue Güter und Dienstleistungen immer günstiger angeboten werden und zu Wachstum und Wohlstand beitragen. Das ist jedoch nicht der Fall. Die geringe Innovationsdynamik zeigt sich in Deutschland vielleicht am eklatantesten in der Energie- und Klimapolitik. Sie gilt als die Zukunftsbranche. Jährlich werden mit steigender Tendenz etwa 60 Milliarden Euro vom Bundesbürger an Energiesteuern und Abgaben geleistet (Hans-Werner Sinn, Das Grüne Pardoxon, 2008, S. 153, Econ). Im Vergleich dazu sind die bisherigen Ergebnisse der „ökologischen industriellen Revolution“ (Bundespräsident Host Köhler in seiner Berliner Rede vom 24.3.09) äußerst dürftig. Das stellte kürzlich auch die Bundeskanzlerin Angela Merkel bei der Grundsteinlegung einer neuen Photovoltaikfabrik fest, indem sie bemerkte, daß die gepäppelte Photovoltaik noch immer meilenweit von der Wirtschaftlichkeit entfernt sei: „Natürlich frage ich mich, warum da beim Wirkungsgrad noch nicht mehr geht“ sagte die Physikerin und drückte trotzdem Zuversicht aus (FAZ, 25.3.09).

Die Führer der größten Wirtschaftsnationen, die jetzt in London zusammengekommen sind, täten daher besser daran, sich nicht einseitig der Stärkung des Konsums zu widmen und über die angemessene Höhe zu streiten, sondern der Frage nachzugehen, wie Innovation und Wohlstand gestärkt werden können. Hier gibt es offenbar große Hindernisse, die noch nicht recht zu Bewusstsein gekommen sind und im Zuge der Krise kaum diskutiert werden. Aber vielleicht drückte Bundespräsident Köhler in seiner von Wirtschaftsvertretern und Politiker mit stehenden Ovationen bedachten Berliner Rede das allgemeine Stimmungsbild ganz treffend aus. Dem dringend benötigten Wachstum durch Investitionen und Innovationen hatte man hier offenbar abgeschworen, denn Köhler meinte: „Wir haben uns eingeredet, permanentes Wirtschaftswachstum sei die Antwort auf alle Fragen.“ 

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