18.03.2011

Fukushima 1: Worst case scenario German angst

Kurzkommentar von Heinz Horeis

Selbst der schlimmst mögliche Fall in Fukushima 1 hätte nur lokale Auswirkungen. Eine 30km-Evakuierungszone wäre ausreichend – Tokio bliebe unberührt. Manche deutsche Ängste muten deshalb in den Augen von Heinz Horeis geradezu grotesk an

In Stuttgart, so berichtete am Donnerstag der SWR2, würden im Strahlenschutzamt die Telefone heiß laufen. Jodtabletten seien ausverkauft und Strahlungsmessgeräte ebenfalls. Offenbar bereiten sich Teile der Bevölkerung auf “die Wolke” vor, die von Osten oder Westen, je nach Windrichtung, bald von Japan herüberziehen wird.

Menschen machen und glauben viele dumme Sachen, wenn Angst und Panik die höheren Gehirnfunktionen lahmlegen und sie nur noch triebgesteuert funktionieren. Da braucht es eine Mutter, die Ruhe bringt und zu klarem Denken ermuntert. Schlecht nur, wenn die “Mutti” selbst in Panik gerät. Dann kennt die allgemeine Hysterie keine Grenzen mehr. Siehe die energiepolitische Debatte,  die am Donnerstag im Reichstag geführt wurde. Statt Ängste auszuräumen, setzten sich Regierung und Regierungsparteien angeführt von Bundeskanzlerin Merkel (in Regierungskreisen auch mit dem Spitznamen „Mutti“ versehen) entschlossen an die Spitze der Angstbewegung.

Regierungen können aber auch anders. Sie können nicht nur nicht in Panik geraten; sie können auch dazu beitragen, dass die Bevölkerung nicht unnötig verängstigt wird. Ein schönes Beispiel liefert Sir John Beddington, Biologieprofessor am Imperial College in London. Als Chief Science Advisor berät er die britische Regierung in Wissenschafts- und Umweltfragen.

Am 16. März sprach er zu den Mitarbeitern der britischen Botschaft in Tokio über die Situation im Kraftwerk Fukushima 1. Er erläuterte, wie sich die Lage entwickeln und was daraus folgen könnte. Insbesondere ging er auf mögliche Auswirkungen auf Tokio ein, eine Frage, die den Mitarbeitern der Botschaft vor allem am Herzen lag. Sein Resümee: Selbst im schlimmsten Fall, dem von ihm beschriebenen ‘worst case scenario’, gäbe es in Tokio kein Problem. “Eindeutig nicht”, sagt er. “Absolut kein Thema”. Die Probleme würden sich auf das Gebiet mit 30-km-Radius um das Kraftwerk beschränken.

Die Lage in Fukushima 1 beschreibt Beddington wie folgt:


“The Japanese are trying to keep the reactors cool by pumping sea water that will keep the temperature down; that’s their first line of defense. And up to now that’s been working reasonably well. Basically the reactor lies within a large containment vessel. But if it isn’t cooled particularly well, then the pressure in the containment vessel goes up and it reaches a level where it can’t cope. At that stage the Japanese authorities deliberately release a mixture of steam and hydrogen gas and so on into the atmosphere. This is really quite modest amounts of radioactive material and, by and large, one shouldn’t be concerned about it.”


Am Morgen des 16. März wurde bekannt, dass die Sicherheitshülle eines Reaktors Risse haben könnte. Die Situation, so Beddington, habe sich dadurch nicht wesentlich geändert. Man werde weiter versuchen, die Temperatur niedrig und den Dampfdruck innerhalb des Toleranzbereichs zu halten. “Das beinhaltet, dass in sehr begrenztem Umfang radioaktives Material austritt.”

Die Risiken für die menschliche Gesundheit, die hieraus folgen, beschränken sich auf die “unmittelbare Umgebung der Reaktoren.” Die 20-km-Evakuierungszone, die die Japaner eingerichtet haben, sei angemessen. Werde sie auf 30 Kilometer erweitert, so Beddington, sei dies ein extrem sicherer Bereich.

Beddington erläutert anschließend, was im schlimmsten Fall in Fukushima zu erwarten ist. Dieses “reasonable worst case scenario” geht aus von einer Kernschmelze, die eintreten könnte, wenn die Japaner die Reaktoren nicht mehr kühlen und den Druck im Sicherungsgefäß nicht mehr niedrig halten können. Was würde dies bedeuten?


“The basic reactor core melts, and as it melts, nuclear material will fall through to the floor of the container. There it will react with concrete and other materials … We don’t think anything worse is going to happen. In this reasonable worst case you get an explosion. You get some radioactive material going up to about 500 metres up into the air. Now, that’s really serious, but it’s serious again for the local area. It’s not serious for elsewhere…”


In Tschernobyl wurde radioaktives Material bis in 10.000 Meter Höhe geschleudert, zudem noch viel, viel größere Mengen, als man für Fukushimas worst case erwarten könnte. Als Grund dafür nennt Beddington das massive,  sehr heiße Feuer im Graphitkern des sowjetischen Reaktors. Dieser habe monatelang gebrannt und fortwährend radioaktives Material in die obere Atmosphäre geschleudert. In Fukushima würde man im Fall einer Kernschmelze nur eine einzige Explosion erwarten, nämlich dann, wenn das geschmolzene Material mit dem Boden des Containments in Kontakt kommt. 
Beddington macht unmissverständlich und eindeutig klar, dass die Auswirkungen dieses Szenarios begrenzt sind:

 
“If you then couple that with the worst possible weather situation i.e. prevailing weather taking radioactive material in the direction of Greater Tokyo and you had maybe rainfall which would bring the radioactive material down do we have a problem? The answer is unequivocally no.  Absolutely no issue. The problems are within 30 km of the reactor.”


Was soll man dazu sagen? England, Du hast es besser? Die deutsche Bevölkerung hat die Regierung, die sie verdient. Eine bessere findet sie ohnehin nicht. Mag sie doch in ihrer Angststarre unter die Bettdecke kriechen, bis die Wolke vorbeigezogen ist. “Mutti” Merkel legt sich auch dazu.

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