22.06.2015
Filmförderung: „Mit dem eisernen Besen durchkehren“
Von Uwe Boll
Die staatliche Filmförderung in Deutschland ist Kungelei, erläutert Independent-Filmemacher Uwe Boll im Interview. Sie verzerrt den Wettbewerb. Aus Anlass von Bolls 50. Geburtstag werden ab heute in den nächsten Tagen sechs seiner Filme als „Bollwerke“ bei Tele5 ausgestrahlt
Novo: Herr Dr. Boll, Sie wohnen als Filmproduzent und -regisseur in Deutschland und Kanada. Wie unterscheiden sich die Systeme in beiden Ländern im Hinblick darauf, welche Filme produziert werden?
Uwe Boll: In Deutschland muss man Anträge einreichen und Genehmigungen erhalten, bevor man dreht. Das gibt es in Kanada nicht. Hier erhält man später die Arbeitskosten wieder zurück. Wenn ich in der Provinz British Columbia 100 Dollar an einen Beleuchter ausgebe, erhalte ich 38 Dollar wieder. Ich könnte auch Pornos drehen, ich kann drehen, was ich will, diesen Anteil des Geldes erhalte ich wieder, solange ich das Geld für Arbeit ausgebe. Daneben existiert Telefilm, die vorrangig kanadische Arthouse-Filme fördern. Ähnlich wie die Filmförderungsanstalt (FFA) in Deutschland ist Telefilm relativ korrupt. Das Geld erhalten immer dieselben Leute.
In Deutschland haben Vertreter des Neuen Deutschen Films wie Fassbinder, Schamoni und Schlöndorff Filmförderung initiiert, indem sie neue und andere Filme gefordert haben. „Opas Kino ist tot“, hieß es. Das war das Ende der Winnetou- und Edgar-Wallace-Filme usw., also derjenigen Filme, die sich noch alle angeschaut haben und mit denen wir alle aufgewachsen sind. Damals entstanden an jeder Ecke in Deutschland urplötzlich Filmförderinstitutionen, die bis heute hauptsächlich zur Arbeitsplatzbeschaffung der dort Tätigen auf Staatskosten dienen. Hunderte von Leuten sind bei Filmfördereinrichtungen beschäftigt. Manche davon sind so klein, dass sie drei Millionen Euro im Jahr vergeben, aber acht Angestellte haben. Da muss man sich fragen: „Was soll denn der Scheiß?“
„Immer erhalten dieselben 50, 60 Produzenten die gesamten Fördertöpfe“
Wer kommt in den Genuss dieser Förderung?
Das ist abstrus und durch und durch korrupt. Seit die privaten Fernsehsender wie RTL und SAT 1 begonnen haben, auch in diese Töpfe einzuzahlen, wird mit den Öffentlich-Rechtlichen zusammen gedeichselt, dass der eine zwei Millionen hierfür und andere im Gegenzug zwei Millionen dafür erhält. So werden die Summen verteilt und am Schluss kriegen immer wieder dieselben 50, 60 Produzenten in Deutschland jedes Jahr die gesamten Fördertöpfe ausgezahlt. Dabei handelt es sich um 300, 400 Millionen Euro im Jahr, die stets an dieselben Produktionen gehen, d.h. im Durchschnitt bekommt jeder pro Jahr mal eben fünf oder sechs Millionen Euro Fördergeld. Und das ist viel.
Bis auf Vorzeigeprojekte wie House of Cards oder Game of Thrones weisen die meisten amerikanischen Fernsehfilme ein geringeres Budget auf als die deutschen. In Deutschland hat man 2,2 Millionen Euro für einen Fernsehfilm zur Verfügung, während die in Nordamerika für 1,5 Millionen Euro abgedreht werden. Und dort werden die Leute auch schlechter bezahlt. In Deutschland ist der gesamte Markt weg, durch die staatliche Filmförderung ausgehoben worden. So werden die Leute auf einem bestimmten Level gehalten, wo sie international gar nicht hingehören. Wieso kriegen Leute wie Veronica Ferres stellenweise 12.000 Euro Tagesgage [1]? Die kennt außerhalb Deutschlands kein Mensch. Es gibt 30, 40 Schauspieler in Deutschland, die vor allem im TV-Bereich saftig abkassieren. Für deren Gagen bekommt man international Leute wie Ray Liotta oder Christian Slater, die in Filmen mitgespielt haben, die jeder auf der ganzen Welt kennt. [2] Das ist eine komplette Wettbewerbsverzerrung.
Sitzen in der deutschen Filmförderung die richtigen Leute, die solche Entscheidungen treffen sollten?
Das sind natürlich nicht die richtigen. Das sind oft gescheiterte Existenzen, die selbst nie was zustande gebracht haben. Die werden in den Öffentlich-Rechtlichen hochgezogen, auf Redakteursposten, auf Chefsessel irgendeiner Filmförderung, Dieter Kosslick wurde Chef der Berlinale. So pumpt man sich gegenseitig Zucker in den Arsch. Man muss den Kreislauf sehen: Erst machen sie Filme, die keiner sehen will, dann kümmert sich die Filmförderung noch darum, dass dieser Scheiß weltweit von den Goethe-Instituten gezeigt und auf Filmfestivals platziert wird – in Sonderreihen, die alle komplett vom deutschen Steuerzahler bezahlt werden.
„Die müssen alle da rausfliegen“
Ich frage mich, ob Wim Wenders in den letzten 20 Jahren auch nur einen Flug zu einem Festival oder eine Hotelübernachtung mal selbst bezahlt hat. Es gibt einen Fördertourismus, die werden überall hochgejubelt. Bei den Filmfestspielen in Cannes zeigt man eine eigene Reihe deutscher Filme, komplett durch Steuergelder finanziert. Die will in Cannes kein Mensch sehen, außer den Deutschen, die auf Steuerzahlerkosten dorthin fliegen. Als ich früher öfter in Cannes war, habe ich sie da alle auf der Terrasse sitzen sehen: den damaligen Degeto-Geschäftsführer Hans-Wolfgang Jurgan, der wegen fragwürdiger Geschäftspraxis später rausgeschmissen wurde [3], und die anderen Filmförderheinis – immer mit Champagner und Hummer. Weil sie das Geld nicht selbst erarbeiten mussten, haben sie es dort munter zum Fenster rausgeschmissen. Ich bin einer der wenigen Filmemacher, der sich denen nicht anzubiedern versucht, und der in der Öffentlichkeit immer wieder klarmacht, dass dieses System verändert werden muss. Es muss einfach mit dem eisernen Besen durchgekehrt werden und die müssen alle da rausfliegen – Feierabend.
Mit solchen deutlich vorgetragenen Positionen und Ihrem Status als Unabhängiger jenseits des Hollywood- wie des Subventionsmainstreams machen Sie sich bei den Sendern und bei der Kritik nicht unbedingt beliebt. Als Ihr Kinofilm Max Schmeling – Eine deutsche Legende in der ARD gezeigt wurde, begleitete man das nicht mit dem bei ähnlichen Filmen üblichen Brimborium, sondern versteckte ihn im Nachtprogramm.
Wir haben vorher überall Förderung für diesen Film beantragt und nirgendwo – außer in Hessen – welche erhalten. Wenn man nicht einmal für einen Film mit Heino Ferch und Henry Maske über Max Schmeling Förderung bekommt, kann man wirklich aufhören, Förderanträge zu schreiben, damit z.B. Schwerter des Königs Teil 4 in Deutschland gedreht werden könnte. Das ist sinnlos. Dass die ARD den Film gekauft hat, lag nur daran, dass Henry Maske als Ostdeutscher den MDR bearbeitet hat, das zu tun. Wir hatten ja auch die Sportschau dabei, Torsten Püschel vom ARD-Boxen, den ganzen Sauerland-Boxstall, den Boxer Artur Abraham usw. Wir hatten also richtige Einschaltquoten-Granaten – und dann zu behaupten, das sei fürs Fernsehen nicht interessant, ist natürlich absurd. Aber genau das hat die ARD gesagt. Nachdem das durch die Sportredaktionen ging, haben sie es am Schluss anstandshalber gekauft, aber dann dafür gesorgt, dass es nur um 1 Uhr nachts zur Ausstrahlung kam.
Warum sollte man denn, anstatt um 22 Uhr auf den Öffentlichen-Rechtlichen einen Film zu schauen, lieber einen Uwe-Boll-Film ansehen?
Das kommt auf den Film an. Ich habe mittlerweile sehr viele Filme gemacht. Und gerade die der letzten Jahre wie Rampage, Darfur, Aussault on Wall Street, Auschwitz sind politisch sehr interessant und kontrovers. Es lohnt sich einfach, sie anzuschauen, weil sie relativ unzensiert rüberkommen. Im Fernsehen sieht man sonst immer dasselbe. Positiv ist, dass Tele5 aus Anlass meines 50. Geburtstages am 22. Juni eine ganze Woche lang jeden Abend mehrere Boll-Filme zeigt, darunter die Premieren von Rampage und Darfur im deutschen Fernsehen. [4]