12.06.2023
Falsches Gesetz zu „falschen Körpern“
Von Initiative „Lasst Frauen sprechen!“
Am Regierungsentwurf eines „Selbstbestimmungsgesetzes“ (SBGG) in Sachen Geschlechtsidentität lässt eine feministische Initiative kein gutes Haar. Novo dokumentiert ihre Stellungnahme.
Der vorliegende Gesetzesentwurf ersetzt konsequent naturwissenschaftlich haltbare Fakten durch ein nicht validierbares, vages Konzept, indem es den bisherigen Personenstandseintrag „Geschlecht“ durch die sog. „Geschlechtsidentität“ ersetzt. Es fehlen ihm darüber hinaus die grundlegenden Definitionen zentraler Begrifflichkeiten, die zum Verständnis des Inhalts unabdingbar sind. Dies führt zu Widersprüchen und Unklarheiten innerhalb des Gesetzesentwurfs, auf die wir im Folgenden exemplarisch hinweisen.
Der zentralste Begriff dieses Entwurfes, die sog. „Geschlechtsidentität“, wird insgesamt 89-mal erwähnt, jedoch an keiner Stelle definiert. Die Bundeszentrale für politische Bildung definiert die „Geschlechtsidentität“ wie folgt: „[…] das tief empfundene innere und persönliche Gefühl der Zugehörigkeit zu einem Geschlecht […]“, das zeitlich nicht stringent erfahren werden muss.
Die „Geschlechtsidentität“ ist ein jederzeit veränderbares, rein subjektives Empfinden ohne objektiven Maßstab. Sie kann ausschließlich durch eine Selbstdeklaration der betroffenen Person herausgefunden werden und ist durch nichts validierbar. Ganz im Gegensatz dazu ist die Kategorie Geschlecht klar definiert, zeitlich stringent da unveränderbar und naturwissenschaftlich überprüfbar. Ebenso sind „Varianten der Geschlechtsentwicklung“ (Intersexualität) objektiv nachweisbar.
Das Geschlecht wird im Referentenentwurf nun ersetzt durch eine „Geschlechtsidentität“.
Bei sog. „Transsexuellen“ weicht laut eigener Aussage die „Geschlechtsidentität“ vom faktisch festgestellten Geschlecht ab. Darüber hinaus müssen sie laut aktuell gültigem Transsexuellengesetz (TSG) weitere Voraussetzungen erfüllen, um ihren Personenstandeintrag ändern lassen zu können. Sie müssen zuvor drei Jahre in der gewünschten Geschlechterrolle gelebt haben und benötigen zudem die Bestätigung von zwei Gutachtern, um ihre „transsexuelle Prägung“ glaubhaft zu machen.
Laut dem vorliegenden Gesetzesentwurf sollen künftig alle Voraussetzungen entfallen. Allein die Selbstdeklaration „im falschen Körper geboren“ zu sein soll künftig ausreichen, um eine Personenstandsänderung vorzunehmen. Dadurch erweitert sich die Zielgruppe des SBGG gegenüber dem TSG, weg von einer kleinen Gruppe, hin zu einem Gesetz für alle Menschen. Daher sehen wir hier nicht, wie von der Bundesregierung angekündigt, eine Reform des TSGs, sondern ein gänzlich neues Gesetz.
„Die angeführte Begründung für das aktuelle Gesetzesvorhaben ist nachweislich nicht haltbar.“
Die Abschaffung der Voraussetzungen wird vor allem damit begründet, die bisher nötigen Gutachten würden von den Betroffenen als diskriminierend und pathologisierend empfunden. Diese Begründung steht in deutlichem Widerspruch zum Senatsbeschluss des BVerfG vom 11. Januar 2011 – 1 BvR 3295/07, in welchem eindeutig die Verfassungskonformität der Gutachten festgestellt wurde. Eine faktische Diskriminierung durch die Gutachtenpflicht liegt also nicht vor. Die angeführte Begründung für das aktuelle Gesetzesvorhaben ist nachweislich nicht haltbar.
Der offensichtlichste Widerspruch innerhalb des Gesetzes zeigt sich in der Beschreibung seines Missbrauchspotenzials. Der mögliche Missbrauch des SBGG durch Männer, die sich dadurch rechtlich zur Frau erklären können, wird als so gravierend eingeschätzt, dass dadurch nicht weniger als die Verteidigungsfähigkeit Deutschlands in Gefahr gesehen wird. Deshalb soll im Spannungs- und Verteidigungsfall das Geschlecht ausschlaggebend sein, nicht der Personenstand, welcher lt. SBGG künftig die „Geschlechtsidentität“ angeben soll (SBGG § 9). Der Referentenentwurf widerlegt an dieser Stelle sogar sein selbst geschaffenes Dogma „die selbstdeklarierte Geschlechtsidentität zählt, nicht das Geschlecht“ und stellt richtigerweise fest, dass Männer und Frauen biologisch definiert sind. Trotz dieser als gravierend festgestellten Missbrauchsgefahr wird das Missbrauchsrisiko in anderen Bereichen, nämlich dann, wenn Frauen und ihre Schutzräume betroffen sind, unter Zuhilfenahme von Spekulationen und Konjunktiven verleugnet. In Bezug auf geschlechtergetrennte Bereiche und Frauenfördermaßnahmen „dürfte“ das Gesetz schon nicht ausgenutzt werden (SBGG S. 45, S. 47). Deshalb muss die Bestätigung der Ernsthaftigkeit eines Personenstandswechsels, die sogenannte Eigenversicherung, ausdrücklich noch nicht einmal eidesstattlich erklärt werden (SBGG S. 35).
Im Widerspruch dazu scheint bei den Verfassern des Entwurfes dennoch angekommen zu sein, dass das SBGG Frauen gefährdet. Bei dem Versuch, diese Sicherheitsgefährdung von Frauen im Sinne eines Lösungsversuches aufzugreifen, verstrickt sich dieser Gesetzesentwurf in weitere Widersprüche. Denn während der Inhaber eines Frauenschutzraums (wie z. B. Frauensauna) auf das im Entwurf korrekt benannte, natürliche Bedürfnis von Frauen nach Schutz der Intimsphäre und Sicherheit Rücksicht nehmen kann, indem er sein Hausrecht ausübt, wird gleichzeitig betont, dass die Zutrittsverweigerung nicht pauschal auf die „Geschlechtsidentität“ gestützt werden darf (SBGG S. 44). D. h. einerseits dürfen die Inhaber (nicht aber die betroffenen Frauen selbst) einem Mann den Einlass verwehren, aber ausdrücklich nicht aus dem Grund, dass er ein Mann mit geändertem Personenstand ist. Hier zeigen sich wiederholt die Folgen der Gleichsetzung völlig unterschiedlicher Begriffe. Niemandem würde aufgrund der „Geschlechtsidentität“ der Zutritt zu Frauenschutzräumen verweigert, denn die „Geschlechtsidentität“ ist ein subjektives Gefühl und daher nicht sichtbar. Frauen wollen Männern den Zutritt aufgrund ihres sichtbaren Geschlechts verweigern.
„Fälschlicherweise behauptet der Gesetzesentwurf, es habe in Ländern mit ähnlichen Gesetzen bisher keinen Missbrauch des Gesetzes gegeben.“
Fälschlicherweise behauptet der Gesetzesentwurf, es habe in Ländern mit ähnlichen Gesetzen bisher keinen Missbrauch des Gesetzes gegeben (SBGG S. 23). Tatsächlich sind jedoch viele Fälle bekannt, in denen Männer in betrügerischer Absicht ihren Personenstand ändern ließen, um bspw. Frauen zu schaden.3
Ein weiterer Widerspruch besteht in der Evaluation des Missbrauches des Gesetzes. Da die Missbrauchsgefahr laut SBGG einerseits immens und andererseits nicht vorhanden sein soll, soll innerhalb von fünf Jahren evaluiert werden, ob die Regelungen missbräuchlich genutzt wurden. Dies befürworten wir grundsätzlich. Die Kriterien der Evaluation sind jedoch lediglich, in welcher Anzahl Menschen mehrmalig den Geschlechtseintrag oder Vornamen ändern und wie häufig die Eintragung wegen unzulässiger Rechtsausübung verweigert wird (SBGG S. 68). Ein Benutzen der Personenstandsänderung, um in Frauenschutzräume einzudringen, taucht hier erst gar nicht auf. Dieser Vorsatz wäre auch gar nicht feststellbar, solange der Täter kein Geständnis ablegt, da lt. Entwurf seine behauptete „Geschlechtsidentität“ nicht angezweifelt werden darf (SBGG S. 18). Dass ein mehrmaliger Wechsel ein Anzeichen für einen Missbrauch des Gesetzes sein soll, steht außerdem im Widerspruch dazu, dass man die sog. Geschlechtsidentität explizit jährlich wechseln darf (SBGG § 5).
Durch das im SBGG enthaltene Offenbarungsverbot darf das Geschlecht – mit wenigen Ausnahmen – nicht mehr genannt werden, sobald eine Personenstandsänderung durchgeführt wurde. Stattdessen ist die selbsterklärte „Geschlechtsidentität“ bedingungslos zu validieren, sonst droht eine Strafe von bis zu 10.000 Euro (SBGG § 13). Dieses „Offenbarungsverbot“ zwingt alle BürgerInnen dazu, die faktisch nachweisbare Realität des Geschlechts und die eigene Wahrnehmung zu verleugnen. Diesen Umstand halten wir für wissenschaftsfeindlich und totalitär. Darüber hinaus steht ein Verbot der Benennung von naturwissenschaftlichen Fakten in deutlichem Widerspruch zur Meinungs- und Pressefreiheit (GG Art. 5.).
Es gibt bereits Gutachten, die die fatalen Risiken eines SBGG für Minderjährige beschreiben. Bezüglich der Regelungen zu Minderjährigen möchte unsere Stellungnahme daher auf die Widersprüche aufmerksam machen: Auf der einen Seite wird betont, dass ein Personenstandswechsel „erhebliche Folgewirkungen“ habe (SBGG S. 39, S. 40), Fremdbestimmung oder missbräuchliche Einflussnahme auf das Kind seien zu verhindern (SBGG S. 39). An anderer Stelle wird beschrieben, dass geistige Reife nötig sei, um als Kind die Bedeutung und Tragweite der Entscheidung zu einer Änderung seines Personenstandseintrags in vollem Umfang zu erfassen. Daher seien auch Eltern keineswegs frei, einem Kind gegen dessen Willen einen anderen Geschlechtseintrag oder Vornamen aufzudrängen (SBGG S. 38). Im Widerspruch zu diesen Ausführungen sieht das SBGG jedoch vor, dass Eltern, ohne Untergrenze – d. h. direkt nach der Geburt – bis zum Alter von 14 Jahren, für ihr Kind einen gegengeschlechtlichen Personenstandseintrag wählen können, ohne dass das Kind überhaupt gefragt wird oder irgendeine Fachperson den Fall auch nur zu Gesicht bekommt (SBGG § 3 Abs. 2, S. 38f.).
„Der Gesetzentwurf kollidiert in gefährdendem Maße mit den geschlechtsbasierten Rechten der Frau, der Meinungsfreiheit, dem Kindeswohl und der elterlichen Sorge.“
Ebenso widersprüchlich wird die Bedeutung der Beratung von Kindern vor einer Personenstands-und/oder Namensänderung behandelt: Zwar betont das SBGG die erheblichen Folgewirkungen und die hohe Tragweite einer Personenstandsänderung und verweist dementsprechend mehrmals auf die zentrale Bedeutung der Beratung (SBGG S. 26). Im Widerspruch dazu soll die Beratung aber nicht verpflichtend sein. Denn es wird davon ausgegangen, „dass Kinder und ihre sorgeberechtigten Personen eine so weitreichende Entscheidung im Regelfall nicht ohne Unterstützung treffen wollen und werden“ (SBGG S. 26). Der Begriff „Regelfall“ impliziert bereits, dass es auch Kinder geben wird, die ohne Beratung ihren Personenstand ändern werden, was hier billigend in Kauf genommen wird. Wir halten eine nicht verpflichtende Beratung für eine erhebliche Gefährdung des Kindeswohls.
Auch die Angaben zu den Beratungsangeboten selbst sind widersprüchlich. Der vorliegende Entwurf betont ausdrücklich die zentrale Bedeutung einer ergebnisoffenen Beratung (SBGG S. 26). Ergebnisoffen kann die Beratung jedoch gar nicht sein, da die „Geschlechtsidentität“ in das Konversionsverbot aufgenommen wurde. Seitdem ist es TherapeutInnen nicht mehr erlaubt, gemeinsam mit dem Kind explorativ die möglichen Hintergründe seines Transitionswunsches zu erforschen, sondern sie müssen ausschließlich zustimmend mit diesem Wunsch umgehen (KonvBehSchG).
Die Eltern werden des Weiteren explizit aufgefordert, die Personenstandsänderung ihres Kindes aufgrund der Tragweite sorgsam abzuwägen. Wenn sie aber innerhalb dieser Abwägung zu dem Schluss kommen, dass das „Gefühl im falschen Körper geboren zu sein“ eine Folge unterschiedlicher und vielseitiger Probleme ist, und die Lösung dieser Probleme nicht in einer (sozialen/körperlichen) Transition liegt, droht den Eltern Sorgerechtsentzug (SBGG S. 38f.). Einerseits wird das Thema Transition also bei Kindern laut SBGG bezüglich des Kindeswohls als so sensibel wahrgenommen, dass es eine gewissenhafte und ergebnisoffene Beratung und Abwägung erfordert. Andererseits ist das Kindeswohl schon vorab klar: Die Transition ist im Zweifel das Richtige für das Kind und muss notfalls mit Sorgerechtsentzug durchgesetzt werden. Dies ist ein schwerwiegender und aus unserer Sicht unzulässiger Eingriff in die elterliche Sorge.
Fazit
Dieser Gesetzesentwurf zeigt eindrücklich, welche Widersprüche und Interessenskollisionen entstehen, wenn die klar definierte, zeitlich stringente und auf naturwissenschaftlichen Fakten basierte Kategorie „Geschlecht“ durch die nicht näher definierte, zeitlich nicht stringente und nicht validierbare Kategorie „Geschlechtsidentität“ ersetzt wird. Daher lehnen wir dieses Vorhaben grundsätzlich ab. Wir halten diesen Gesetzesentwurf schon alleine aufgrund der vielen Widersprüchlichkeiten und Unklarheiten für nicht umsetzbar. Er kollidiert darüber hinaus in gefährdendem Maße mit den geschlechtsbasierten Rechten der Frau, der Meinungsfreiheit, dem Kindeswohl und der elterlichen Sorge. Eine Umsetzung des SBGG halten wir außerdem für wissenschaftsfeindlich, da es die Realität von Geschlecht leugnet. Dadurch delegitimiert es naturwissenschaftliche Fakten, hat totalitäre Züge und widerspricht somit grundlegenden demokratischen Prinzipien.