06.03.2017

Evakuiert Finnland!

Kommentar von Janne M. Korhonen

Titelbild

Foto: tpsdave via Pixabay / CC0

In Fukushima sollen Anwohner in ein Dorf zurückkehren, in dem laut Greenpeace ein „inakzeptables Strahlungsrisiko“ besteht. Dabei ist der finnische Durchschnittsbürger mehr Strahlung ausgesetzt.

Eine kürzlich erschienene Greenpeace-Pressemitteilung lässt nur eine Schlussfolgerung zu: Weil das Strahlungsrisiko in Finnland die in den Evakuierungszonen von Fukushima gemessenen Werte übersteigt, müssen wir Finnen sofort evakuiert werden. Daher möchte ich Greenpeace höflichst ersuchen, für 5,5 Millionen Finnen ein neues Zuhause zu finden – zumindest für die 549.000, die in den Teilen des Landes leben müssen, wo die jährliche Strahlungsdosis mindestens doppelt so hoch liegt wie das, was Greenpeace als „radiologische Notsituation“ oder „inakzeptables Strahlungsrisiko“ in Japan bezeichnet. Ließe sich ein Ort finden, der warm ist und an dem es keinen Schneematsch gibt?

Laut der Pressemitteilung von Greenpeace entsprechen die im Dorf Iitate gemessenen Strahlungswerte einer jährlichen Dosis von 2,5 Millisievert pro Jahr (mSv/a), außerdem wurden in Innenräumen Werte in Höhe von 10,4 mSv/a gemessen. Da die Maßeinheit Millisievert die Unterschiede zwischen verschiedenen Strahlungsquellen und Bestrahlungswegen (zum Beispiel intern oder extern) berücksichtigt, sind die Messungen geeignet, um die Risiken für die Bevölkerung in Iitate und Finnland direkt miteinander zu vergleichen. Der Vergleich ist einfach: Bei der Strahlungsgefahr bedeutet ein höherer Millisievert-Wert ein größeres Risiko.

Laut Schätzungen der finnischen Behörde für Strahlungssicherheit (STUK) sind die in Finnland lebenden 5,5 Millionen Menschen einem größeren Risiko ausgesetzt als die Einwohner Iitates – im Durchschnitt 3,2 Millisievert pro Jahr.

Abbildung 1: Durchschnittliche jährliche Strahlungsdosis in Finnland im Jahr 2012. Quelle: Finnische Behörde für Strahlungssicherheit (STUK).

Aber auch das entspricht nicht ganz der Wahrheit: In vielen Orten in Finnland ist die eigentliche Strahlungsdosis noch viel höher. In der Eiszeit wurde unser Boden bis zum Grundgestein abgekratzt, welches erhebliche Mengen an Uran enthält. Beim Zerfall des Urans entsteht unter anderem ein geruchloses, unsichtbares und radioaktives Gas namens Radon. Die wenige Erde über dem Grundgestein kann das Gas nicht im Boden halten, weshalb Radon in die Luft aufsteigt und sich in unseren Wohnstätten sammelt. Wie das obige Kreisdiagramm zeigt, machen Radon und dessen Zerfallsprodukte wesentliche Anteile der Strahlungsdosis für einen durchschnittlichen Finnen aus, wobei die Belastung durch Radon sehr stark variieren kann, von fast null bis zu ganzen 340 (!) Millisievert pro Jahr.

„Organisationen wie Greenpeace nutzen komplett irreführende Propaganda zum Einsammeln von Spendengeldern“

Messungen der STUK haben ergeben, dass ungefähr 549.000 Finnen jährlich mindestens 5 Millisievert pro Jahr durch Radon und andere Quellen ausgesetzt sind. Von denen erhalten etwa 70.000 eine jährliche Dosis, die die Maximaldosis übersteigt, die Greenpeace in Iitate messen konnte (10,4 mSv/a). (Merke: Es ist unklar, ob Radon zu den hohen Strahlenwerten, die von Greenpeace in Iitate in Innenräumen gemessen wurden, beigetragen hat. Von Finnland und anderen Regionen mit hohen Radon-Konzentrationen ist bekannt, dass eine sehr gute Kellerlüftung vonnöten ist, da sich Radon ansonsten leicht in Häusern sammeln und zu einer sehr hohen Strahlenbelastung führen kann.)

Auch wenn umfangreiche Studien keine klaren Zusammenhänge zwischen solchen Dosisleistungen und gesundheitlichen Problemen finden konnten (wahrscheinlich besteht ein Zusammenhang, allerdings ist dieser so schwach, dass eine eindeutige Beziehung nicht hergestellt werden kann), sollte inzwischen jedem klar sein: Wenn überhaupt jemand eine Evakuierung wegen Strahlungsgefahren verdient hat, dann wir Finnen. Am liebsten dahin, wo es warm ist.

P.S.: Die Katastrophe von Fukushima war eine unnötige Tragödie, die ganze Gemeinden auseinandergerissen hat. Es ist erbärmlich, wenn Organisationen diese Tragödie noch verlängern, indem sie die nachvollziehbaren Ängste der Menschen ausnutzen, um eine veraltete, wahrscheinlich desaströse, Energiepolitik zu propagieren. Eine Energiepolitik, die die Gegnerschaft zur Atomenergie an erste Stelle setzt, auch wenn es jeden Tag klarere Beweise dafür gibt, dass ein außer Kontrolle geratener Klimawandel gefährlich ist. Besonders verabscheuungswürdig ist es, wenn Organisationen wie Greenpeace komplett irreführende Propaganda zum Einsammeln von Spendengeldern nutzen.

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