18.08.2015

Es gibt keine Rape Culture

Kommentar von Ella Whelan

Immer mehr Frauen stellen sich als Opfer sexueller Gewalt dar. Die „Rape Culture“ macht jeden Mann zu einer potentiellen Gefahr. Der neue Feminismus beruht auf freiheits- und menschenfeindlichen Annahmen und verdrängt so den echten Kampf für Freiheit.

Der Begriff „Rape Culture“ bezeichnet eine angebliche „Vergewaltigungskultur“. Fast ohne Einwände hat es dieser Begriff in den öffentlichen Diskurs geschafft. In feministischen Kreisen gilt die Vergewaltigungskultur als objektiv feststellbares, beobachtbares Phänomen. Wem diese Offensichtlichkeit noch nicht ins Gesicht gesprungen ist: „Rape Culture“ nennt man eine These, laut der in der modernen Kultur – ob in Musik, Pornografie oder auf der Straße – sexuelle Gewalt normalisiert wird. Zeitgenössische Feministen irren sich jedoch: Es gibt keine Rape Culture. Und die aktuelle Besessenheit mit dieser zutiefst misanthropischen Idee richtet mehr Schaden an, als sie Gutes bewirkt.

Die Vorstellung, speziell junge Männer könnten schrittweise durch eine kulturelle Gehirnwäsche davon überzeugt werden, Vergewaltigung sei akzeptabel, spielt die Ernsthaftigkeit schweren sexuellen Missbrauchs herunter. Eine Vergewaltigung ist eine bestimmte gewalttätige Handlung, bei der jemand gegen seinen Willen oder ohne sein Wissen zu etwas gezwungen wird. Vom Mord abgesehen ist Vergewaltigung der größte Entzug individueller Freiheit und in der Regel für den Angreifer ein Ausdruck von Macht und nicht von sexueller Befriedigung.

Um das einmal festzustellen: Man schlittert keine schiefe Ebene zur Vergewaltigung hinunter. Ja, wir leben in einer Gesellschaft, die Frauen eine vollkommene Freiheit vorenthält. Das bedeutet aber nicht, dass wir in einer Gesellschaft von Vergewaltigern leben würden. Kein Individuum ist vollkommen das Produkt seiner Umwelt. Die zeitgenössische These, laut der alle Männer potenzielle Vergewaltiger seien, weil die Gesellschaft Frauen sexualisiert, ist falsch. Eine Vergewaltigung kann nicht unbewusst geschehen; ein Mann kann nicht darum eine Frau vergewaltigen, weil er sich zu viele Pornos ansieht oder weil er sich nicht sicher ist, ob sie Lust darauf hat.

„Der neue Feminismus besteht lediglich aus Hashtags und T-Shirt-Slogans“

Der Rape-Culture-Hysterie liegt noch eine weitere falsche Idee zugrunde: dass sich ungewollte Aufmerksamkeit von Männern wie Hinterherpfeifen oder den Hintern anfassen im selben Spektrum wie Vergewaltigung befände. Moderne Feministen untermauern diesen Vorwurf mit ihren üblichen wertlosen anekdotischen Belegen. Man ruft Frauen und Mädchen weltweit dazu auf, ihre Erfahrungen mit ungewollter männlicher Aufmerksamkeit in sozialen Netzwerken mitzuteilen – eine oberflächliche neue Frauenbewegung, die sich nur durch ein Hashtag und den sozialen Druck, sich als Opfer männlicher Bosheiten zu stilisieren, auszeichnet. Frauen entscheiden sich dazu, sich als verletzliche, hilflose Opfer darzustellen.

Es ist leicht zu erkennen, warum die zweifelhaften Ideen moderner Feministen nicht hinterfragt werden. Wenn man nur versucht, die Idee einer Vergewaltigungskultur auseinanderzunehmen, dann wird man sofort als Vergewaltigungsunterstützer bezeichnet – oder schlimmer noch, als Männerrechtsaktivist. Die Kritik an dieser neuen Orthodoxie trifft auf beinahe dasselbe Maß an Gift und Galle wie die Ablehnung des Feminismus. Diese Streitlust zeigt nur auf, wie leer der neue Feminismus ist. Er besteht lediglich aus Hashtags und T-Shirt-Slogans. Diese neue Welle des Feminismus, über die alle reden, hat keine zusammenhängenden Ideen oder Forderungen hervorgebracht. Sie wird nur durch das gemeinsame Frauenbild von ausgenutzten Opfern zusammengehalten, die unbedingt eine gegenseitige, pseudo-revolutionäre Twitter-Solidarität brauchen.

Die Behauptung, dass alle jungen Menschen hilflos einer Kultur ausgeliefert wären, unterschätzt ihr Vermögen, als menschliche Akteure zu handeln und sexuelle Beziehungen auszuhandeln. Die Vergewaltigung wird dabei verharmlost. Die Feministen, die sich als „geistig vergewaltigt“ bezeichnen, als Opfer einer Vergewaltigungskultur und „vergewaltigungs-artigem Verhalten“ untergraben die konkrete Handlung der Vergewaltigung als isoliertes und abgrenzbares Phänomen. Auch wenn ungewollte sexuelle Aufmerksamkeit gegenüber Frauen ein gesellschaftliches Problem darstellt, gibt es einen grundlegenden Unterschied zwischen einem Idioten, der einem an den Hintern grabscht, und vergewaltigt zu werden.

„Es gibt einen grundlegenden Unterschied zwischen einem Idioten, der einem an den Hintern grabscht, und vergewaltigt zu werden“

Wenn wir die bestehenden Ungleichheiten in der Gesellschaft in Frage stellen wollen, dann müssen sich junge Frauen wehren. Das bedeutet eine vollkommene Meinungsfreiheit und ihren Gebrauch – nicht die Zensur von angeblich „vergewaltigender“ Sprache von anderen. Wenn man mit tränengetränkten Twitter-Beiträgen um den Schutz vor dem bösen Patriarchat bittet, dann bekommt man dafür nur Punkte bei feministischen Bloggern gutgeschrieben. Das ist kein Ersatz für den kompromisslosen politischen Kampf, den die Frauenbefreiung erfordert.

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