06.03.2014

Eltern als Kinderbeschmutzer

Kurzkommentar von Brendan O’Neill

Das britische Rauchverbot in Autos sieht Eltern als größten Feind ihrer Kinder. Wir dürfen nicht zulassen, dass staatliche Eingriffe ins Private Autorität und Souveränität der Familie untergraben.

Wenn wieder einmal ein Politiker mit seinem Engagement für Eltern und Familie glänzen will, dann werden wir ihn an die jüngsten Entwicklungen im britischen Unterhaus erinnern. Mit großer Mehrheit stimmten die Parlamentarier Anfang Februar dieses Jahres einer Novellierung des Kinder- und Familiengesetzes zu, derzufolge das Rauchen im Auto jetzt strafbar ist, wenn sich Minderjährige darin befinden.

Lassen wir alle Diskussionen über „Raucherdiskriminierung“ und den „Gouvernantenstaat“ mal ganz beiseite. Im Wesentlichen ist dieses Verbot ein Angriff auf die elterliche Autorität und die Souveränität der Familie; der Staat weiß in diesem Fall besser als die Eltern, was gut für ihre Kinder ist. Politiker reden in Sonntagsreden zwar gerne über den Wert der Familie, beschädigen im politischen Alltagsgeschäft gerade durch solche Verbote, bei dem die Eltern einfach übergangen werden, deren Integrität und Unabhängigkeit.

Das Rauchverbot in Autos mit Kindern sendet eine äußerst starke Botschaft an die Öffentlichkeit (und zwar vor allem an Kinder): nämlich dass Eltern sich oft zum Schaden ihrer Kinder verhalten und der Staat einschreiten muss, um ihnen Einhalt zu gebieten. So tritt der Staat an die Stelle der Eltern, indem er das Alltagsleben der Kinder direkt lenkt. Begründet wird das damit, den Eltern und Erziehungsberechtigten sei nicht zuzutrauen, sie könnten in angemessener Weise selbst dafür sorgen. Das zeigte sich auch in der besagten Unterhausdebatte, bei der sich zahlreiche Abgeordnete über die Bedeutung des „Kinderschutzes“ ausließen.

Aber Schutz wovor? Vor ihren Eltern, vor ihren Erziehungsberechtigten, vor ihren Verwandten, die bezüglich ihres Verhaltens in Gegenwart von Kindern offenbar derart gedankenlos sind, dass man sie per Gesetz in ihre Schranken weisen und vom Ausleben ihrer destruktiven Triebe abhalten muss.

Der liberal-demokratische Abgeordnete Norman Lamb erkannte zwar, dass das Verbot im Endeffekt die elterliche Autorität angreift, aber seiner Ansicht nach ist das kein Problem. Die Leute fühlen sich „instinktiv unbehaglich wenn die Regierung den Eltern sagt, wie sie ihre Kinder erziehen sollen“, so Lamb, aber wenn es darum geht, „Kinder vor dem Rauch in Autos zu schützen“ um „jedem Kind einen fairen Start ins Leben zu ermöglichen“, dann muss der Staat den Eltern einfach vorschreiben, wie die Erziehung ihrer Kinder zu laufen hat. Und er schreibt nicht nur vor, sondern zwingt sie bei Androhung von Haftstrafen, das Rauchen zu unterlassen, wenn sie ihre Sprösslinge zur Schule oder zum Einkaufen fahren. [1]

„Das Verbot impliziert, der Staat sei für die kommenden Generationen ein weitaus besserer Vater, als die leiblichen Eltern es je sein könnten.“

Das Verbot impliziert, der Staat sei für die kommenden Generationen ein weitaus besserer Vater, als die leiblichen Eltern es je sein könnten. Die Rauch-Novelle des britischen Kinder- und Familiengesetzes macht die Eltern zu Umweltverschmutzern, die ihre Kinder durch giftige Abgase gefährden. Dies wiederum sucht der Staat dann durch Schaffung eines antitoxischen Schutzschildes zu verhindern. Die Vorstellung von Eltern als Umweltverschmutzern wurde auch von der Antiraucher-Lobby ausdrücklich propagiert. So behaupteten Anti-Raucher-Aktivisten Ende letzten Jahres, rauchende Eltern würden ihre „Kinder verseuchen“, indem sie sie in Autos und zuhause einer Luftverschmutzung aussetzten, die „mit starkem Industriesmog vergleichbar“ sei.

Man muss kein Experte sein, um hier die Übertreibung zu erkennen: Sich im selben Haus mit jemanden zu befinden, der raucht – oft bei geöffnetem Fenster oder offener Tür –, ist nicht ernsthaft mit echtem „Industriesmog“ vergleichbar, der seit der viktorianischen Ära bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts in Großbritannien vielen Menschen Krankheit und Tod gebracht hat. [2] Die Aktivisten vermischen das Schreckgespenst der Verschmutzung so mit demjenigen unfähiger Eltern, dass sie in ein und demselben (rauchfreien) Atemzug behaupten können, Eltern würden gerade jene Wesen verseuchen, vergiften, und schädigen, deren Schutz ihnen eigentlich anvertraut ist.

„Heute neigen Politik und Interessengruppen dazu, Eltern als die toxische Geißel des körperlichen und geistigen Wohls ihrer Kinder zu sehen und zu behandeln.“

Diese Auffassung der Eltern als Beschmutzer ist nicht alleine auf Raucher beschränkt. Heute neigen Politik und Interessengruppen zunehmend dazu, Eltern grundsätzlich als die toxische Geißel des körperlichen und geistigen Wohls ihrer Kinder zu sehen und zu behandeln. So riskieren Mütter, die ihren Säugling mit Fertignahrung füttern, heute den Vorwurf, sie würden ihn mit „Gift“ vollpumpen. Vor ein paar Wochen wurde in Großbritannien gar ernsthaft diskutiert, das Trinken von Alkohol während der Schwangerschaft unter Strafe zu stellen – natürlich mit der Begründung, die Frauen würden sonst ihre Babies vergiften.

Auch frühkindheitspädagogische Vorstellungen, die die weitere Zukunft und das Schicksal eines Kindes dadurch bestimmt sehen, wie es in den ersten fünf Lebensjahren umsorgt wird, wie ihm vorgelesen und anderweitig mit ihm kommuniziert wird, beinhalten oft implizit die Unterstellung, dass Eltern – häufig unwillentlich – ihre Kinder durch „böse“ Verhaltensweisen verderben. Die Metapher von der Verschmutzung ist heute fester Bestandteil der Sicht von Staatsbürokratie und Lobbyisten auf die Elternschaft. Das Rauchverbot in Fahrzeugen mit Kindern und die damit verbundene Behauptung, rauchende Eltern würden ihre Kinder „verseuchen“, macht das nur umso deutlicher, denn hier treten auch die Konsequenzen offen zutage.

Unter dem Vorwand, die Kinder vor Rauch, Alkohol, mangelnder Buchlektüre usw. – letztlich also vor ihren Eltern – zu schützen, mischt sich der Staat mehr und mehr in das Familienleben ein. Im vergangenen Jahr kam es angesichts der Überlegungen des schottischen Parlaments, jedem Kind von Geburt an einen staatlichen Aufseher zuzuordnen, zwar noch zu einem Sturm der Entrüstung, aber tatsächlich entwickeln wir uns schleichend überall in Großbritannien in diese Richtung.

Wenn es Lamb zufolge beim Rauchverbot in Autos also darum geht, dass die Behörden „jedem Kind einen fairen Start ins Leben ermöglichen“ wollen, so ist damit letztlich nichts anderes gesagt, als dass sich die Regierung von Geburt an um die Kinder kümmern muss, solange es den Eltern an der für eine angemessene Betreuung erforderlichen Aufgeklärtheit mangelt. So wird letztlich die elterliche Autorität geschwächt, die Souveränität der Familie geschädigt und ihr Recht ausgehebelt, ihre Angelegenheiten gemäß den eigenen Überzeugungen im Privaten zu regeln – und bei der Jugend wird nichts als Verwirrung gestiftet. Ihr wird der Eindruck vermittelt, externe Akteure könnten besser für sie sorgen als Vater und Mutter. Diese Schwächung der familiären Bindungen und des Familienlebens überhaupt wird zu wirklich gravierenden Problemen führen. Ein verrauchtes Auto ist nichts dagegen.

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