28.08.2014

Einwanderungsdebatte: Legal oder illegal in Barcelona

Kurzkommentar von Sabine Beppler-Spahl

Die Diskussion darüber, wer die Kosten für das italienische Seenotrettungsprogramm für Bootsflüchtlinge, „Mare Nostrum“, tragen soll, lenkt den Fokus auf die repressive Einwanderungspolitik Europas. Sabine Beppler-Spahl konnte in ihrem Spanien-Urlaub deren Folgen beobachten

Am Strand von Barcelona treffen wir, durch Zufall, auf eine Gruppe junger Aktivisten. Sie verteilen Handzettel mit Informationen auf Englisch und Katalanisch. „Wir besetzen heute die Straße, um auf etwas hinzuweisen, worüber die Medien nur selten berichten“, steht da. Es geht, wie ich erfahre, um die vielen Tausenden, die beim Versuch, nach Europa zu gelangen, ihr Leben verlieren. [1]

Etwa zeitgleich diskutiert ein Gremium auf europäischer Ebene über ein ähnliches Problem: Wer wird ab diesem Herbst die Kosten für das italienische Seenotrettungsprogramm, „Mare Nostrum“ tragen? Das Programm endet am 18. Oktober, nach einjähriger Dauer. Rund 63.000 Bootsflüchtlinge sollen nach Angaben des Innenministeriums in Rom zwischen August 2013 und Juli 2014 gerettet worden sein. Die EU aber will das Programm, das mehr als 9 Millionen Euro pro Monat kostet, nicht übernehmen. [2]

Das Kopfzerbrechen darüber, wer für die Rettung der Flüchtlinge bezahlt, lenkt ab von den Ursachen des Problems; denn die Kosten entstehen schließlich nur, weil es zu wenige legale Möglichkeiten gibt, nach Europa einzuwandern. Deshalb riskieren Menschen ihr Leben auf hoher See. „Jedes Rettungsprogramm wird immer nur ein Herumdoktern an den Symptomen sein“, sagt eine der Aktivistinnen in Barcelona. In der Tat scheint es paradox, dass wir Millionen investieren, um Menschen zu retten, die wegen unserer eigenen Politik in Lebensgefahr geraten.

„Es ist aber mehr als „Schicksal“, wenn die Bewegungsfreiheit anderer durch Grenzzäune und Polizeigewalt eingeschränkt wird!“

Europa sei doch nicht verpflichtet, alle aufzunehmen, entgegnet einer meiner Bekannten. Natürlich nicht, denn wer, außer unserem Gewissen, könnte uns dazu verpflichten? Aber genau hier liegt das Problem: Sieht sich Europa nicht als Garant für Freiheit und Gleichheit? Tun die Einwanderer nicht, was vor ihnen Millionen von Europäern getan haben, als sie z.B. in die USA auswanderten? Warum sollten wir anderen, nur weil sie arm geboren wurden, die Möglichkeit verwehren, ihr Leben frei zu gestalten? Das sei eben Schicksal, sagt mein Gesprächspartner. Dies Argument wiederum erinnert mich an feudalistische Zeiten, als jeder seinen festen Platz in der vorgegebenen Weltordnung hatte. Es ist aber mehr als „Schicksal“, wenn die Bewegungsfreiheit anderer durch Grenzzäune und Polizeigewalt eingeschränkt wird!

Während wir über Europas Grenzpolitik philosophieren, läuft Ajeet aus dem Punjab am Strand auf und ab. Er verkauft Getränke und ist einer von vielen, die in dieser pulsierenden Metropole ihren Lebensunterhalt verdienen. An den Ramblas (Einkaufsstraßen) verhökern Senegalesen Taschen und im Park Güell treffen wir auf Pakistaner, die Schmuck und Souvenirs vermarkten. Im Badeort Sitges werden wir von jungen Afrikanerinnen gefragt, ob unsere Tochter eine Zopffrisur möchte und wieder andere werben mit ihren Massagekünsten. Sie alle haben während der Hochsaison eine Art 24/ 7-Job, aber keiner wirkt wehleidig oder heruntergekommen.

Sie alle wissen, dass ihre Situation wegen der strengen Auflagen prekär ist. Im Park Güell raffen die Händler plötzlich, wie auf ein Kommando, ihre Waren zusammen und machen sich aus dem Staub, obwohl eine Touristin gerade ein Paar Ohrringe kaufen will: Die Parkkontrolle wurde gesichtet und einer der Verkäufer hatte die anderen gewarnt. Eine halbe Stunde später sind alle wieder am gleichen Platz. An einem anderen Tag sehe ich wie die Polizei eine Gruppe junger Afrikaner kontrolliert. Haben sie Papiere? Die jungen Männer steigen widerstandslos in den bereitstehenden Wagen ein. Ein paar Schritte weiter versucht eine Gruppe junger Amerikaner mit Straßenmusik Geld zu verdienen. Legal oder illegal, das ist hier die Frage.

jetzt nicht

Novo ist kostenlos. Unsere Arbeit kostet jedoch nicht nur Zeit, sondern auch Geld. Unterstützen Sie uns jetzt dauerhaft als Förderer oder mit einer Spende!