09.01.2018

Editorial

Von Novo-Redaktion

Bürgerrechte setzen dem Staat Grenzen und definieren einen privaten Bereich, auf den die Autoritäten keinen Zugriff haben. In unserer von Angst und Misstrauen geprägten Zeit gelten sie als lästig. Neue Gesetze sollen Terrorismus bekämpfen, für ein besseres Diskussionsklima im Internet sorgen oder aufmüpfige Spartengewerkschaften zähmen. Der reale Nutzen ist oft fraglich. In jedem Fall bedeuten solche Vorschriften weniger Freiheit. Die aktuelle Novo-Ausgabe bricht eine Lanze für den Bürger und sein Recht, über das eigene Leben zu bestimmen.

Kaum ein Begriff hat in den vergangenen Jahren so sehr gelitten wie der des „Bürgers”. Er taucht nur noch in negativen Zusammenhängen auf. Da ist der „Wutbürger“, der gegen jede Veränderung anstinkt. Despektierlich wird vom „besorgten Bürger” gesprochen, der hinter seiner angeblichen Sorge nur seinen Rechtsextremismus verberge. Vom „Reichsbürger“ ganz zu schweigen. Bürger erscheinen als etwas Gestriges, Unflexibles. Menschen, die auf ihre überkommenen Privilegien pochen. In diesem Zusammenhang erscheinen auch Bürgerrechte als etwas, das eigentlich einer dringenden Reform bedarf.
Dabei sind Bürgerrechte die größte gesellschaftliche Errungenschaft der vergangenen Jahrhunderte. Sie markieren die Grenze zwischen dem Staat und der Privatperson. Sie grenzen den Bereich ab, auf den die Öffentlichkeit keinen Zugriff hat. Sie garantieren aber auch unsere Freiheit in der Öffentlichkeit. Und sie müssen immer wieder aktiv verteidigt werden, wenn etwa Online-Überwachung zunimmt oder Meinungsfreiheit beschnitten wird.
Um den Bürger ist es derzeit nicht gut bestellt. Viele Menschen möchten sich selbst nicht einmal mehr als Bürger verstehen, sondern lieber als Opfer. Ständig passieren uns offenbar Dinge, die uns traumatisieren können. Derer wir uns nicht erwehren können, egal ob wir erwachsene Menschen sind oder nicht. Wir werden verletzt, weil jemand eine abschätzige Bemerkung macht oder sogar ein Mitmensch uns unsittlich berührt. Alles erschüttert uns. Wir brauchen Schutz. Das Problem ist: Wer schutzbedürftig ist, macht sich abhängig von der Gunst derer, die ihn vor den Unbilden der Welt schützen. Er kann sich nicht selbstständig entwickeln. Wer auf diese Weise abhängig ist, kann nicht frei sein. Dieser schleichende Verlust der Freiheit ist eine der größten Gefahren. Um ihr zu begegnen, brauchen wir den Mut, unsere Mündigkeit zu verteidigen – als echte Bürger.

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