06.04.2022

Die ungarische Revolte

Von Frank Furedi

Mit der Wiederwahl von Viktor Orbán erteilen die Ungarn der Einmischung der EU eine deutliche Abfuhr.

Kaum jemand hatte erwartet, dass der ungarische Ministerpräsident Viktor Orbán bei den Parlamentswahlen an diesem Wochenende mit einem erheblich stärkeren Mandat wiedergewählt werden würde. Das Ergebnis hat alle Parteien in Ungarn überrascht, auch Orbáns eigene Fidesz. Und es schockierte sicherlich die internationalen Unterstützer der Koalition, die in Opposition zu Orbán steht.

Die Abstimmung an vergangenen Wochenende war wohl die wichtigste in Europa seit dem Referendum über die EU-Mitgliedschaft des Vereinigten Königreichs im Jahr 2016. Wie bei der Brexit-Abstimmung ging es auch bei den ungarischen Parlamentswahlen um grundlegende Fragen – die wichtigste davon war die nationale Souveränität. Im Mittelpunkt dieser Wahl stand das Recht einer Nation, ihre Zukunft selbst zu bestimmen. Die Ungarn stimmten darüber ab, wer über die Werte und Ideale entscheidet, nach denen sie leben werden – ihre eigenen gewählten Vertreter oder die nicht gewählten Eliten der EU und anderer globalistischer Institutionen.

Die Wahl fand vor dem Hintergrund eines erbitterten Streits zwischen Budapest und Brüssel über ein neues ungarisches Gesetz statt, das die „Förderung“ von LGBT-Identitäten bei Kindern einschränkt. Seit letztem Jahr droht die EU damit, Ungarn Milliarden von Euro an Strukturfondsmitteln vorzuenthalten, weil das Land angeblich die „Grundwerte“ der EU nicht wahrt.

„Im Mittelpunkt dieser Wahl stand das Recht einer Nation, ihre Zukunft selbst zu bestimmen.“

Dass bei dieser Wahl viel auf dem Spiel stand, konnte man daran erkennen, dass die westlichen Medien unablässig versuchten, Orbáns Regierung zu untergraben und zu delegitimieren. Orbán selbst wurde ständig als rechtsextrem, autoritär und als „starker Mann“ charakterisiert – als jemand, der eine Bedrohung für die Demokratie sowohl innerhalb als auch außerhalb Ungarns darstellt. In den westlichen Medien wurde er immer wieder als Möchtegern-Diktator dargestellt, der sich mit Gewalt und De-facto-Wahlbetrug an die Macht geputscht hat.

Keine andere Regierung in Europa war in den letzten Jahrzehnten einem solchen Trommelfeuer an gehässiger Kritik ausgesetzt wie die ungarische. Und das alles, weil sie eine Regierung ist, die das Prinzip der Souveränität ernst nimmt. Im Gegensatz zu vielen kleinen Nationen, die sich leicht auf Linie bringen lassen, hat Ungarn selbstbewusst Werte hochgehalten, die sich gegen die vom westlichen politischen und kulturellen Establishment propagierte Technokratie und Identitätspolitik richten.

Seit ihrer Wahl im Jahr 2010 hat sich die Fidesz-Partei aktiv bemüht, den Einfluss der weichen „woken“ Macht der EU und USA auf ihr Land einzudämmen und zu untergraben. Tatsächlich hat Orbáns Ungarn auf seine Weise eine Art Gegenpol für diejenigen in ganz Europa geschaffen, die mit dem woken kulturellen Klima, das große Teile der westlichen Gesellschaft erfasst hat, wenig anfangen können.

„Ungarn hat selbstbewusst Werte hochgehalten, die sich gegen die vom westlichen politischen und kulturellen Establishment propagierte Technokratie und Identitätspolitik richten.“

Der Wahlkampf selbst spiegelte diesen Konflikt zwischen Orbán und den Werten und der Politik der globalistischen Elite wider. Die Opposition bestand aus einer Koalition von sechs verschiedenen Parteien, die praktisch die EU und andere internationale Institutionen vertraten. Der Vorsitzende dieses Bündnisses, Péter Marki-Zay, erklärte, dass seine Regierung im Falle seiner Wahl den „Hauptgewinn“ für die EU darstellen würde. Seine Koalition wurde von westlichen Medien und zahlreichen globalistischen Institutionen und NGOs unterstützt.

Sogar der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj wurde aufgefordert, auf der Seite der Opposition zu intervenieren. In der Folge kritisierte er Orbán dafür, dass er der Ukraine keine ausreichende politische und militärische Unterstützung gewährt habe, was es der Opposition ermöglichte, Orbán als Marionette des russischen Präsidenten Wladimir Putin darzustellen. Die westlichen Medien wiederholten diesen Vorwurf und übersahen dabei geflissentlich, dass Ungarn mehr als 600.000 ukrainischen Flüchtlingen eine sichere Zuflucht geboten hat.

Hinter all dem Getue und der Rhetorik ging es vor allem um die Frage, ob das öffentliche Leben in Ungarn künftig von innen oder von außen gelenkt werden würde. Das Wahlergebnis gibt eine eindeutige Antwort auf diese Frage. Die Ungarn wollen in einer Gesellschaft leben, die sich an den Werten der von ihnen gewählten Regierung orientiert.

„Dieses Wahlergebnis dürfte politischen Bewegungen in Europa, die sich dem Prinzip der nationalen Souveränität und Selbstbestimmung verschrieben haben, mehr Selbstbewusstsein verleihen.“

Nur wenige Experten hatten mit dem Ausmaß des Fidesz-Sieges gerechnet. Kommentatoren innerhalb und außerhalb Ungarns erwarteten ein Kopf-an-Kopf Rennen. Viele gingen davon aus, dass die Oppositionskoalition die Wahl wahrscheinlich knapp gewinnen würde. Das überraschende Ergebnis sollte, wie Orbán angedeutet hat, als „Protestwahl“ verstanden werden, d. h. als Protest der Ungarn, die das Gefühl haben, dass ihre Nation von externen und internen Kräften ungerecht behandelt und erniedrigt wurde.

Es ist unwahrscheinlich, dass die Fidesz so gut abgeschnitten hätte, wenn sich nicht ein erheblicher Teil der Wählerschaft von der einheimischen Opposition und den westlichen Medien beleidigt gefühlt hätte. Ähnlich wie die EU-Befürworter während und nach der Brexit-Abstimmung haben Orbáns Gegner die Wähler als ignorant und dumm gebrandmarkt.

Dieses Wahlergebnis dürfte politischen Bewegungen in Europa, die sich dem Prinzip der nationalen Souveränität und Selbstbestimmung verschrieben haben, mehr Selbstbewusstsein verleihen. Eine Niederlage der ungarischen Regierung wäre ein großer Triumph für die EU-Bürokratie gewesen. Dass es nicht gelungen ist, die ungarische Regierung zu entmachten, ist als großer Rückschlag für das föderalistische Projekt der EU zu bewerten. Es ist wahrscheinlich, dass die EU und andere globalistische Gegner Ungarns nun ihre Bemühungen intensivieren werden, Orbáns Regierung zu isolieren und an den Rand zu drängen. Alle Befürworter von Volkssouveränität und echter Demokratie sollten sich dem entgegensetzen.

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