07.03.2017

Die neuen Herrscher des Universums

Essay von Joel Kotkin

Titelbild

Foto: Pixelkult via Pixabay / CC0

High-Tech-Giganten aus dem Silicon Valley konzentrieren viel wirtschaftliche Macht. Sie gewinnen politischen Einfluss und bilden neofeudale Strukturen

Jedes Zeitalter erschafft seine eigene Art von Oligarchen – Feudalherren, Bankiers, Industriemagnaten. Unsere Zeit hat ihre eigene im Entstehen begriffene Herrschaftsklasse – die Tech-Oligarchen.

Der Aufstieg dieser neuen Hegemonen ist alles andere als abgeschlossen, und könnte sich durchaus verlangsamen oder sich sogar umkehren. Aber die Flutwelle dieses neuen Reichtums und besonders großen Einflusses wird nicht so einfach abebben. Sechs der zwanzig reichsten Menschen kommen aus der Technologiebranche oder damit verwandten Industrien wie den Medien und der Unterhaltung. 1 In Amerika kamen im Jahr 2014 fünf der reichsten Leute aus dem Medien-/Technologiesektor. 2 Es ist wenig überraschend, dass die meisten der Self-Made-Milliardäre entweder ziemlich alt sind (die Koch-Brüder, die Waltons, Warren Buffett) oder auf traditionelle Art reich wurden: durch ein Erbe. Dagegen sind praktisch alle Self-Made-Milliardäre unter 40 aus der Hightechbranche. 3

Die Entstehung einer neuer Herrscherklasse

Mit ihrem großen und früh angehäuften Reichtum werden uns die Tech-Oligarchen noch beherrschen, nachdem die Erben das letzte Kunstmuseum finanziert haben oder das neueste Krankenhaus gestiftet haben. In zwei Jahrzehnten werden viele der Tech-Oligarchen noch jung genug sein, um ihre Milliarden zu zählen und sich Neues ausdenken, mit dem sie unser Leben auf den Kopf stellen können – selbstverständlich nur zu unserem Besten. Das Stichwort lautet Disruption. Neue Technologien ersetzen dabei mitunter alte gänzlich – ein technologischer Paradigmenwechsel.

„Das heutige Silicon Valley ist vor allem post-industriell“

Diese Technologieelite unterscheidet sich von der Gründergeneration des Silicon Valley. Die frühen Pioniere – Bob Packard, Bob Noyce, Andrew Grove, Jerry Sanders – waren eher gemäßigt und pragmatisch. Denn schließlich wurde das frühe Silicon Valley massiv vom Militär und der NASA subventioniert und die dort hergestellten Produkte mussten sich auf einem hart umkämpften Markt bewähren. Sie leiteten auch riesige Organisationen, die eine große Anzahl normaler Arbeitnehmer beschäftigten. Wie andere Industrielle interessierten sie sich dafür, günstig an Energie und Wasser zu kommen, vernünftige Arbeitsregelungen vorzufinden, und dass es dem produzierenden Gewerbe gut ging.

Das änderte sich, als eine Kombination aus heftiger asiatischer Konkurrenz und kalifornischer Regulierung peu à peu die Chip- und Computerhersteller aus dem Silicon Valley abwandern ließ, wodurch dort seit dem Jahr 2000 zirka 80.000 Arbeitsplätze in der Produktion verloren gingen. 4 Das neue Valley ist vor allem post-industriell. So befinden sich zum Beispiel nur 30 der 16.000 Arbeiter, die in der iPod-Produktion tätig sind, in den USA. 5

Als aus dem Silicon Valley ein Software-Valley wurde, brauchten die Technologieunternehmen weder eine größere Anzahl von angelernten Arbeitern noch ein Netzwerk kleinerer Subunternehmer, um die Maschine am Laufen zu halten. Diese Dienste, wenn man sie denn brauchte, konnten auch in Indien, China, Utah, Texas oder North Carolina geleistet werden. „Die Art, wie Arbeitsplätze geschaffen werden, hat sich verändert“, bemerkte die langjährige Zuständige für den Bereich wirtschaftliche Entwicklung der Stadt San Jose, Leslie Parks. „Früher gab es hier die ganze Wertschöpfungskette und alle möglichen Mittelschichtsjobs wurden geschaffen. In zunehmendem Maße designen wir nicht die Zukunft nicht mehr – wir denken nur über sie nach. Das macht einige reich, aber nicht viele.“

„Die ‚Tech-Oligarchen‘ sind so reich, weil sie den Markt beherrschen“

Was die Herrscher des Cyberspace“, um eine Formulierung der Autorin Rebecca MacKinnon zu verwenden, so reich machte, entspricht genau dem, was auch John D. Rockefeller zu seinem Reichtum verhalf: Marktbeherrschung. 6 So werden 60 Prozent der Suchvorgänge im Internet über Google durchgeführt 7, zusammen mit Apple beherrscht der Konzern gut 90 Prozent des Marktes für Smartphone-Betriebssysteme. 8 Des Weiteren verwendet mehr als die Hälfte der US-amerikanischen und kanadischen Computernutzer Facebook und macht die Seite damit zum weltweit dominierenden sozialen Medium. 9

Noch viel wichtiger ist dabei, dass die Tech-Oligarchen so große Anteile ihrer Unternehmen besitzen, dass Öl-Magnaten und Automobilvorstände in einer ähnlichen Situation geradezu fantastisch reich wären. Tatsächlich haben es nur die Eigentümer eines einzigen im Energiesektor tätigen Unternehmens, Koch Industries, in die Top 10 der Forbes-Reichenliste geschafft. Der Vorstandsvorsitzende und Geschäftsführer von Amerikas größter Ölgesellschaft Exxon-Mobil, Rex Tillerson, kontrolliert 0,04 Prozent der Exxon-Aktien, während Sergey Brin, Larry Page und Eric Schmidt etwa zwei Drittel der stimmberechtigten Aktien ihres Unternehmens Google kontrollieren. 10 Larry Ellison, der Gründer von Oracle, Bill Gates und Mark Zuckerberg verfügen über ebenso übergroße Anteile ihrer Firmen.

Diese Unternehmen ähneln in ihrem Reichtum mittlerweile Staaten. Neben General Electric, einem klassischen Mischkonzern, haben Apple, Microsoft, Cisco, Oracle und Google oft mehr Dollar zur Verfügung als die US-Regierung. 10 Und ihr Einfluss erstreckt sich auf jedes Büro, jedes Zuhause und jedes Telefon, dank einer zudringlichen Software, die einen wahren Schatz an persönlichen Daten zu Tage fördert, bei dem der alte KGB vor Neid erblassen würde. Um Eric Schmidt von Google zu zitieren: „Wir wissen, wo du bist. Wir wissen, wo du gewesen bist. Wir wissen mehr oder weniger, worüber du gerade nachdenkst.“ 12

„Die Unternehmen aus dem Silicon Valley verfügen über einen Reichtum, der denen von Staaten ähnelt“

Die Befreiung von den Beschränkungen der materiellen Wirtschaft hat die Ambitionen der Oligarchen angestachelt. „Für mich ist die Politik der offensichtlichste Bereich [der durch das Internet grundlegend verändert wird]“, gibt der ehemalige Facebook-Präsident Sean Parker zu verstehen. 13 Dass die sozialen Medien Präsident Obama zur Wiederwahl verhalfen, stützt eindeutig Parkers Annahme.

Durch das Bündnis mit Obama bewegt sich die Technologiebranche in eine politische Richtung, die der der meisten anderen Unternehmen, besonders der kleinen, entgegengesetzt ist. 14 Letztere sind nach einer Gallup-Umfrage eine Brutstätte der Obama-Ablehnung. Andere traditionelle Industriezweige wie Öl und Gas haben sich auch überwiegend nach rechts gewandt, da Obama es wegen ihrer Rolle beim Klimawandel auf sie abgesehen hat. 1990 spendeten Energiefirmen den Demokraten in etwa genauso viel wie den Republikanern, 2014 gaben sie letzteren mehr als das Dreifache. 15

Dagegen bewegen sich die Oligarchen, während sie immer reicher werden, immer mehr nach links. Im Jahr 2000 waren die Parteispenden des Kommunikations- und Elektronikbereichs in etwa ausgeglichen, 2012 stand es mehr als zwei zu eins für die Demokraten. Microsoft, Apple und Google – ganz zu schweigen von den Unterhaltungskonzernen – spenden überwiegend an die Demokraten. 16

Von Transformierern und Disruptoren

Zwischen Präsident Obama, der sich als Kraft der Transformation betrachtet, und den Tech-Oligarchen, die die „Disruption“ lieben, scheint es eine natürliche Verbindung zu geben. Beide glauben, dass ihre Voraussicht und ihre Fähigkeit, die Lage einzuschätzen, besonders ausgeprägt sind; es ist eine Allianz jener, die glauben, dass ihnen die Zukunft gehört und dass sie sie gestalten sollten.

„Wir müssen das Experiment durchführen, um zu zeigen, wie eine Gesellschaft aussähe, die vom Silicon Valley gelenkt wird“, forderte der Risikokapitalinvestor Chamath Palihapitiya vor kurzem. 17 Diese Ambitionen könnten eine Öffentlichkeit ansprechen, in deren Augen Technologiefirmen besser sind als normale Unternehmen oder die Regierung. 18 Als Steve Jobs, einer der oberen 0,000001 Prozent mit einem Vermögen von sieben Milliarden Dollar, ein rauer Kapitalist alter Schule, verschied, trauerten auch linke Protestler offen um ihn.

Ein bedeutender PR-Vorteil, den die Technologieunternehmen genießen (abgesehen von der bedeutenden Ausnahme Amazon) ist, dass sie weder Arbeiter noch Gewerkschaften schlecht behandeln, denn sie haben entweder keine Angestellten oder nur wenige. Das gibt ihnen einen Persilschein von den Gutmenschen, der für traditionelle Unternehmen unerschwinglich ist. Andrew Carnegie und Henry Ford beuteten vor allem Arbeiter in Pittsburgh oder Detroit aus und zahlten dafür einen Preis; die Ausbeutung durch die Oligarchen findet dagegen weit weg in Chengdu, Guangzhou oder Indien statt.

Das Bündnis mit den Demokraten wird nach der Amtszeit Obamas nicht verschwinden. Obama hat mehrere Tech-Giganten, wie unter anderem Risikoinvestor John Doerr, LinkedIn-Milliardär Reid Hoffman und Sun-Microsystems-Mitgründer Vinod Khosla, verpflichtet, ihm bei der Planung seines zweifellos aufwendigen und hochgradig politischen Ruhestands zu helfen. 19 Viele ehemalige Berater Obamas arbeiten jetzt für Technologieunternehmen. So war der Chef des PR-Teams von Uber, David Plouffe, Obamas Wahlkampfmanager, während andere ehemalige Mitarbeiter sich bei Technologiefirmen wie AirBnB, Google, Twitter und Amazon niedergelassen haben. 20

Was ist die Ideologie des Silicon Valley?

Silicon Valley mag hinsichtlich der Gesellschaft und der Umwelt fortschrittliche Sichtweisen einnehmen, aber es herrscht dort nur wenig Interesse an Klassenpolitik, einem Thema, das vom demokratischen Senator Bernie Sanders in den Vorwahlen der Demokraten betont wurde. „Sie mögen Sanders überhaupt nicht“, bemerkt der Forscher Greg Ferenstein aus San Francisco, der Internetfirmengründer für ein bald erscheinendes Buch befragt hat. Sanders’ Fokus auf Einkommensumverteilung, den Schutz von Gewerkschaftsprivilegien und Pensionen entspricht kaum den Ansichten der Tech-Elite. „Er ist ein egalitärer Linksliberaler“, erklärt Ferenstein, „diese Leute sind Tech-Linksliberale. Gleichheit ist kein Thema im Silicon Valley.“ 21

„Die Tech-Linksliberalen setzen sich für strenge Umweltgesetze und hohe Energiepreise ein, was den Lebensstil vieler Einkommensschwächerer potentiell bedroht“

Was sind „Tech-Linksliberale“? Ferenstein bietet einen Einblick in den unterbewussten Elitismus, der ihr Weltbild durchwirkt. Obwohl ihre Industrie sich vor allem im Speckgürtel der San-Francisco-Halbinsel angesiedelt hat, wollten die Internet-Oligarchen, dass „alle“ in die Stadtzentren ziehen, was für die meisten Familien der Mittelschicht und der Arbeiterklasse nicht mal ansatzweise praktikabel wäre. Sie setzen sich außerdem für strenge Umweltgesetze und hohe Energiepreise ein, was ihren eigenen Lebensstil nicht bedroht, wohl aber viele Einkommensschwächere.

Doch es besteht die Gefahr, dass das Thema der Ungleichheit die PR der Technologieunternehmen untergraben könnte. Anders als die früheren Produkte der Branche, wie Computer oder Halbleiter, bringen diejenigen Produkte, die zurzeit von der Tech-Industrie entwickelt werden, der übrigen Gesellschaft nur wenig Wert, sei es im Bereich der Arbeit 22 (außerhalb der Bucht von San Francisco) oder der Produktivitätssteigerung. 23 Die Social-Media-Industrie hat zwar Menschen wie Mark Zuckerberg zu fantastischem Reichtum verholfen, aber man wird kaum die These verfechten können, dass sie die Lebensumstände der meisten Amerikaner verbessert hätte.

Gleichzeitig kann man die gut finanzierte „Disruption“ aus dem Silicon Valley als Bedrohung für viele Geschäftsleute und Arbeitnehmer ansehen. Darunter befinden sich bereits Taxifahrer, die Eigentümer und Angestellten kleinerer Hotels, Immobilienmakler und Reisekaufleute sowie Zeitungsschreiber, die alle aus der Mittelschicht verdrängt wurden. Die gehypte „Tauschwirtschaft“ bietet diesen Leuten Teilzeitarbeit fast ohne Sozialleistungen.

„Die Tech-Industrie ersetzt amerikanische Arbeiter zunehmend durch Gastarbeiter“

Sogar in der Tech-Industrie selbst werden amerikanische Arbeiter zunehmend durch Gastarbeiter ersetzt. Oligarchen wie Mark Zuckerberg sind darauf erpicht, das H-1B-Visum und andere Gastarbeiter-Programme zu erweitern, die für einen Niedriglohn verpflichtete Arbeiter ins Valley und an andere IT-Standorte in Amerika holen. 24

Selbstverständlich ist das kein Alleinstellungsmerkmal der Tech-Oligarchen, denn schließlich haben sich Kapitalisten verständlicherweise immer nach den günstigsten Arbeitskräften umgesehen. Aber es bedeutet, dass einem im Amerika der Oligarchen auch ein Informatikabschluss keine unbeschwerte Zukunft garantiert. Das hippe, PR-freundliche „Seid-nicht-böse“-Image der Technologiekonzerne könnte schon bald nicht mehr so cool klingen.

Grüne Tech-Oligarchen

Möglicherweise unterscheidet die Oligarchie nichts mehr vom Rest der Wirtschaft als ihre Unterstützung von Obamas Klimapolitik. Viele Industriezweige sehen in dieser Politik eine direkte Bedrohung ihrer Existenz 25, auch wenn die Großen ihren Energiehunger im pazifischen Nordwesten oder im Süden befriedigen können, wo die Kosten niedriger sind. In Kalifornien hat eine solche Politik weniger Auswirkungen für die klimatisch gemäßigten Küstengegenden als für das weniger glamouröse Binnenland. Eine neue Studie fand heraus, dass die sommerlichen Stromkosten im reichen, linksliberalen und gemäßigten Marin pro Monat 250 Dollar betragen, während die Bürger im verarmten und heißeren Madera im Durchschnitt doppelt so viel zahlen. 26

„Die Oligarchen des Silicon Valley glauben wirklich, dass sie für gute Sachen kämpfen“

Nicht, dass man dem Engagement der Tech-Oligarchen für grüne Politik Zynismus unterstellen müsste. Es ist komplett aufrichtig – die Oligarchen glauben wirklich, wie viele Linksliberale und Demokraten, dass sie für gute Sachen kämpfen. Aber das lindert die Auswirkungen ihrer Weltsicht nicht.

Dennoch beruht die Energiepolitik der Oligarchen nicht gänzlich auf guten Absichten. Silicon Valley und der Wall Street winken einige Geschäftsmöglichkeiten beim Kampf gegen die fossilen Energieträger. 27 Gut situierte Konzerne wie Google und Apple, viele High-Tech-Finanziers und Risikoinvestoren haben in subventionierte Unternehmen im Bereich der grünen Energie investiert. Manche, wie Elon Musk, sind praktisch ausschließlich Geschöpfe der Subventionen. Weder SolarCity noch Tesla wären ohne diese großzügigen Gaben so attraktiv, wenn sie denn überhaupt existierten.28

Die schöne neue Welt

Wenn wir eine Vorstellung davon bekommen wollen, wie eine Wirtschaft funktioniert, die von Oligarchen dominiert wird, dann lassen sie uns den Staat betrachten, der seit über 40 Jahren mein Zuhause ist – Kalifornien, die Heimat der mächtigsten Oligarchen. Der „Golden State“ sieht sich als das „Gehirn“ der Tech-Kultur und als Beweis für die üppige Genialität der „kreativen Klasse“.

Doch hinter der Glitzerwelt, die einem die Medien präsentieren, tut sich in Kalifornien zunehmend eine Spaltung auf. Einerseits die glamouröse software- und medienbasierte Wirtschaft, die sich in bestimmten Bereichen an der Küste konzentriert, und andererseits das Binnenland, das immer mehr verarmt. Insgesamt lebt fast ein Viertel der Kalifornier in Armut, das ist der höchste Anteil aller US-Bundesstaaten. Nach einer neuen Studie der Stiftung United Way können zudem fast ein Drittel der Bewohner kaum noch ihre Rechnungen bezahlen. 29

Nun, wie schaffen es die Oligarchen, dass diese Politik umgesetzt wird? Zum einen schließen sie ganz einfach Allianzen – und zwar durch Zuwendungen und mediale Unterstützung – mit den Politikern, die am meisten vom kalifornischen Regulierungswahn betroffen sind. Diese Strategie zeigt sich in seltsamen Paaren, zum Beispiel dem Hedgefond-Milliardär Tom Steyer aus San Francisco, dem größten Sponsor der Klimawandelhysterie, und seinem Latino-Kumpel und kalifornischen Senator Kevin de Leon, der das verarmte Ost-Los-Angeles repräsentiert.

„Die Reichen versorgen die Armen, ohne ihnen die Möglichkeit eines sozialen Aufstiegs zu bieten“

Die neue politische Struktur funktioniert auf klassisch mittelalterliche Weise – die Reichen versorgen die Armen mit dem Nötigsten, ohne ihnen dabei die Möglichkeit eines sozialen Aufstiegs zu bieten, oder gar, Gott bewahre, die Chance, ein Haus in den Vororten zu kaufen. Mit dem Abschwung der einst mächtigen Industrie in Kalifornien – Los Angeles verlor während des letzten Jahrzehnts viele Produktionsbetriebe – wird es erforderlich, die Arbeiterklasse mit symbolischen Maßnahmen zu besänftigen, mit Energierabatten, subventioniertem Wohnen und der Chimäre namens „grüne Jobs“. 30

Diese neofeudale Koalition in Kalifornien könnte die politische Zukunft des Landes andeuten. Möglicherweise ist es am besten, sich das Ganze als High-Tech-Feudalismus vorzustellen, in dem die oberen Klassen bestimmen, wo es langgeht, aber den sich abrackernden Massen auch mal etwas zukommen lassen. Diese Allianz wird es den jetzigen Tech-Oligarchen erlauben, weiterhin zu prosperieren, ohne eine populistische Herausforderung fürchten zu müssen, die ihrem Profit und der Expansion in neue Märkte in die Quere kommen könnte.

Als Resultat entsteht in der Ära der Oligarchen eine gestiegene Machtkonzentration bei immer weniger Mitspielern. Die romantische Vorstellung einer durch den Aufstieg kleiner, unabhängiger Unternehmen geprägten High-Tech-Ära wurde durch die Marktbeherrschung weniger Firmen und ihre Expansion in immer mehr Geschäftsbereiche Lügen gestraft. Konzerne wie Google entwickeln sich langsam zu Konglomeraten oder amerikanischen Versionen der japanischen „Keiretsu“ (wirtschaftlichen Verbundgruppen), mit Geschäftsinteressen in Bereichen wie Gesundheit, Medien und autonomen Fahrzeugen.

„Wenn sich die NASA weiterhin aus vielen Gebieten der Raumfahrt zurückzieht, wäre es möglich, dass irgendwann auch der Kosmos den Oligarchen gehört“

Ähnliche Keiretsu bilden sich um Konzerne wie Apple, Amazon und Facebook, die sich ihren Weg in zuvor als fremd betrachtete Märkte bahnen. Hinzu kommt ihre wachsende Medienmacht, die ihnen gestattet, die gesellschaftliche Agenda der kommenden Jahrzehnte zu bestimmen. Dies wird zum einen durch den Kauf traditioneller Medien ermöglicht – zum Beispiel mit dem Erwerb der ehrwürdigen Washington Post durch Jeff Bezos von Amazon – oder durch neue Seiten, etwa Yahoo, die Nachrichtenseite Nummer eins in den USA mit 110 Millionen Besuchern pro Monat, oder Googles Nachrichtenseite mit 65 Millionen Nutzern.

Wenn die neue Generation erwachsen wird und die älteren ersetzt, wird der Einstieg der Technologieunternehmen in die Medien wohl noch umfangreicher werden. Von den über Fünfzigjährigen beziehen nach einer Studie von Pew nur 15 Prozent ihre Nachrichten über das Internet, bei den unter Dreißigjährigen liegt dieser Anteil bei 65 Prozent. 31

Letztlich kennen die Ambitionen der Oligarchen keine Grenzen. Unternehmen wie Jeff Bezos Blue Origin und Elon Musks Space X versuchen, bei der Erkundung des Weltraums die Führungsrolle zu übernehmen. Wenn sich die NASA weiter aus vielen Gebieten der Raumfahrt zurückzieht, dann wäre es möglich, dass irgendwann auch der Kosmos den Oligarchen gehört.

Wenn einmal Historiker über die Geschichte unserer Zeit schreiben, dann werden sie ihren Fokus wohl auf den Aufstieg der Oligarchen richten. Sie beherrschen bereits Kalifornien mit seinen kreativen und technischen Fähigkeiten, an die keiner heranreicht, das vorherrschende Machtzentrum der englischsprachigen Welt. Morgen werden die Oligarchen versuchen, ihre Macht in Washington zu festigen. Und übermorgen möglicherweise in der ganzen Welt und auch der Galaxis.

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