12.03.2024

Die Berlinale als Spektakel des Israel-Bashings

Von Sabine Beppler-Spahl

Titelbild

Foto: 1435262 via Pixabay

Das Filmfestival Berlinale wurde dieses Jahr als Bühne für antiisraelische Botschaften missbraucht. Politiker wie Claudia Roth klatschten, die Bürger zahlen.

Die Berlinale war in Teilen ein Spektakel des Israel-Bashings und die Abschlussgala ein besonderer Tiefpunkt. Zahlreiche Künstler betraten die Bühne mit der Aufschrift „Ceasefire now!", die auf Stofffetzen an ihre Abendgarderobe geheftet war. Der Filmemacher Ben Russell trug ein Palästinensertuch (Kufiyah), als er seinen Preis entgegennahm.  In seiner Dankesrede beschuldigte er Israel, einen „Völkermord" zu begehen. Der israelische Filmemacher Yuval Abraham und der palästinensische Aktivist Basel Adra, die gemeinsam den Preis für den besten Dokumentarfilm erhielten, konzentrierten sich in ihren Reden ebenfalls auf Israel. Abraham forderte ein Ende der „Apartheid" und Adra sagte, es falle ihm schwer, den Preis anzunehmen, während Zehntausende von Israel „massakriert" würden.

Noch beunruhigender war die Reaktion des Publikums. Jede israelfeindliche Aussage wurde lautstark bejubelt, auch von den anwesenden Politikern. Bundeskulturstaatsministerin Claudia Roth (Grüne) und der Berliner Bürgermeister Kai Wegner (CDU) wurden gefilmt, als sie eifrig klatschten.

Diese Beschimpfungen Israels wurden in den Medien heftig kritisiert. Die Berlinale ist bekanntlich keine politische Kundgebung, sondern ein hochkarätiges Filmfestival, das vom Steuerzahler finanziert wird. Viele Kommentatoren haben sich – zurecht – gefragt, wie die Organisatoren so etwas zulassen konnten. Der Skandal erinnert nur allzu sehr an den Aufruhr, den die ebenfalls staatlich finanzierte Documenta Fifteen im Jahr 2022 ausgelöst hatte. Die Documenta geriet in die Kritik, nachdem deutlich geworden war, dass zahlreiche für die Ausstellung ausgewählte Kunstwerke bösartige antisemitische Symbole enthielten. Die Organisatoren behaupteten, sie hätten den Antisemitismus der Kunstwerke nicht einmal bemerkt, bis es zu dem öffentlichen Protest kam.

Die Kommentatoren waren besonders über die beschämende Einseitigkeit der Berlinale verblüfft. Es wurde viel Mitgefühl für die palästinensischen Opfer des Krieges gezeigt, aber kein Wort über die israelischen Opfer der Gräueltaten der Hamas am 7. Oktober. Dies war umso erstaunlicher, als der israelische Schauspieler David Cunio, dessen Film „Youth“ vor 10 Jahren auf dem Festival gezeigt wurde, am 7. Oktober zusammen mit seinen beiden Kindern entführt wurde. Cunio ist nach wie vor in Geiselhaft, doch niemand auf der Zeremonie erwähnte auch nur seinen Namen.

„Viele scheinen fast Angst zu haben, die ‚Pro-Palästina‘-Lobby zu verärgern. Andere sympathisieren mit der ‚woken‘ Identitätspolitik, die heute den israelfeindlichen Antisemitismus schürt.“

Berlins Bürgermeister Kai Wegner hat sich seither von den Aussagen am Galaabend distanziert. Roth aber erklärte in einen Tweet, ihr Applaus habe dem jüdisch-israelischen Journalisten und Filmemacher Yuval Abraham gegolten, der sich für eine politische Lösung und ein friedliches Zusammenleben in der Region aussprach. Ihre Rechtfertigung hat nur wenige überzeugt und sie sieht sich nun mit Rücktrittsforderungen konfrontiert.

Es versteht sich von selbst, dass Roths möglicher Rücktritt nicht ausreichen würde, um die Israelphobie der politischen und kulturellen Eliten zu beheben. Immer wieder haben es führende Persönlichkeiten aus Politik und Kultur versäumt, sich eindeutig gegen den wachsenden antisemitischen Hass auf den jüdischen Staat zu positionieren. So schwieg Bundeskanzler Olaf Scholz auf einer gemeinsamen Pressekonferenz im Jahr 2022, als der palästinensische Präsident Mahmoud Abbas Israel beschuldigte, „50 Holocausts" an den Palästinensern begangen zu haben. (Er distanzierte sich am nächsten Tag, aber da war die Aussage bereits durch alle Medien gegangen).  Letztes Jahr reagierte Scholz kleinlaut als der türkischen Präsident Erdoğan, ebenfalls bei einer Pressekonferenz, von einer Schuldpsychologie Deutschlands sprach, die das Land hindere, Israel zu kritisieren.

Es gibt möglicherweise zwei Hauptgründe, warum sich die Politik in dieser Lage befindet. Viele scheinen fast Angst zu haben, die „Pro-Palästina"-Lobby zu verärgern. Andere, wie Roth, sympathisieren mit der „woken“ Identitätspolitik, die heute den israelfeindlichen Antisemitismus schürt.

Die Organisatoren der Berlinale haben ihrerseits versucht, die Medienkritik zu entkräften. Sie behaupten, dass das Festival „eine Plattform für einen offenen Dialog über Kulturen und Länder hinweg" biete und dass es daher notwendig sei, „Meinungen und Äußerungen zu tolerieren, die unseren eigenen Meinungen widersprechen".

„Die Übernahme der Berlinale durch die woken Kultureliten und deren Tendenz, sich weniger mit der Kunst als mit der Politik zu beschäftigen, untergräbt die Integrität des Festivals.“

Aber das ist unaufrichtig. Die Einstellung der Berlinale zu Toleranz und Meinungsfreiheit war bestenfalls selektiv. Anfang Februar gaben die Organisatoren bekannt, dass fünf Parlamentarier der rechtspopulistischen AfD nach Protesten von Künstlern und Filmemachern ausgeladen worden waren. Das ist wohl kaum ein Zeichen für die Bereitschaft der Berlinale, „Meinungen zu tolerieren, die unseren eigenen Meinungen widersprechen". In den letzten Tagen wurde außerdem bekannt, dass die Organisatoren der Berlinale eine Podiumsdiskussion zum Thema Antisemitismus abgelehnt haben, obwohl es Debatten zu anderen Themen gab.

Einige Kommentatoren stellen nun in Frage, ob die Berlinale überhaupt eine Zukunft hat. Das ist verfrüht. Die Berlinale zeigt viele hervorragende Filme, die sicher sehenswert sind. Und die Nachfrage des Publikums war groß. Das Festival verzeichnete in diesem Jahr den besten Kartenverkauf seit der Pandemie.

Doch die Übernahme der Berlinale durch die „woken“ Kultureliten und deren Tendenz, sich weniger mit der Kunst als mit der Politik zu beschäftigen, untergräbt die Integrität des Festivals. Als die Berlinale 1951 ins Leben gerufen wurde, war sie eine glamouröse, auf den Film konzentrierte Veranstaltung, an der Stars wie Sophia Loren und Gary Cooper teilnahmen. Die Preisträger wurden, zumindest ganz am Anfang, durch Publikumsvoten ermittelt.

Wenn die Berlinale ihren Kurs korrigieren will, muss sie sich wieder auf das Filmschaffen und auf die Interessen des Publikums konzentrieren. Vielleicht wird sie sich dann aus dem giftigen Griff der Israelphobie befreien können.

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