22.07.2025
„Der Westen befindet sich genau in der Gefahrenzone“
Interview mit David J. Betz
Kriegsforscher David Betz sagt einen Bürgerkrieg in Westeuropa voraus. Multikulti-Ideologie, unkontrollierte Migration und fehlende Demokratie bilden für ihn eine explosive Mischung.
Mark Feldon: Wann kam Ihnen der Gedanke, die Forschung über Bürgerkriege auf westliche Staaten anzuwenden? Gab es dafür einen bestimmten Grund?
David J. Betz: Ich wandte meine Forschungen über Aufstände und Aufstandsbekämpfung auf den Westen an und kam schließlich auf den Begriff Bürgerkrieg als angemessene Beschreibung dessen, was meiner Meinung nach im Gefolge des Brexit-Votums von 2016 wahrscheinlich eintreten wird (eine Kombination aus „Bauernaufstand“ und interethnischem Konflikt). Ein Jahr danach habe ich zusammen mit einem Kollegen einen Artikel verfasst, in dem ich unser politisches Establishment davor warnte, dass seine Bemühungen, die Ergebnisse des Referendums zu unterlaufen, die politische Legitimität ernsthaft beschädigen und das Vertrauen der Bevölkerung in die Fähigkeit der normalen Politik, gesellschaftliche Angelegenheiten auf eine Art und Weise zu lösen, die die meisten Menschen als demokratisch verstehen, drastisch untergraben.
Wir haben damals auch festgestellt, dass die Politik im Vereinigten Königreich und in ganz Europa einen „imperialen“ Charakter entwickelt hat, der in vielerlei Hinsicht dem osmanischen Millet-System ähnelt. Die bemerkenswerten Aspekte dabei waren erstens der Siegeszug der Identitätspolitik, der zur Folge hat, dass die Entscheidungsfindung nicht mehr von den einzelnen Bürgern an den Wahlurnen getroffen wird, sondern stattdessen auf „Gemeinschaftsebene“ über die Aufteilung öffentlicher Güter durch die Eliten verhandelt wird. Zweitens, parallel dazu, eine beschleunigte Abkopplung der Eliten von der Rechenschaftspflicht durch verschiedene Maßnahmen zur „Souveränitätsaufteilung“, die eine Verlagerung der Autorität vom Demos auf die Eliten zur Folge haben. Und drittens als Folge dieser Dinge ein wachsendes Gefühl des Misstrauens und des Mangels an Handlungsfähigkeit der Menschen, die mehr und mehr den Eindruck haben, dass sich ihr Status vom nationalen Bürger zu einer Art Leibeigener in einem verteilten und nicht rechenschaftspflichtigen globalen progressiven Imperium verschiebt.
Ich habe den Begriff „Postnationalismus“ verwendet, um die merkwürdige Mentalität vermeintlich nationaler Eliten zu beschreiben, die in Wirklichkeit sehr wenig Affinität oder Interesse an den Nationen haben, denen sie vorstehen – im Gegenteil, sie sind eher misstrauisch, wenn von nationalen Interessen die Rede ist, die sie als anachronistisch und ziemlich anrüchig betrachten. Vor seiner Wahl zum Premierminister wurde Keir Starmer gefragt, was er vorziehe: Westminster oder Davos? Letzteres, antwortete er wie aus der Kanone geschossen. Davos sei ein Ort, an dem wichtige Leute wichtige Probleme lösten, behauptete er. Westminster, sagte er, sei dagegen nur ein „tribaler Ort des Geschreis“.
„Am anfälligsten für Bürgerkriege sind Gesellschaften, die zwar etwas zersplittert sind, in denen aber eine ehemals dominante Mehrheit zahlenmäßig abnimmt und an Macht verliert.“
Welche Faktoren begünstigen Bürgerkriege? Können Sie die wichtigsten Argumente Ihres Aufsatzes kurz zusammenfassen?
In dem Forschungsbereich gibt es viele Faktoren, und die Gelehrten sind sich nicht einig, welche wichtiger sind. Ich möchte jedoch zusammenfassen, dass folgende drei Faktoren in der Regel als sehr wichtig angesehen werden:
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Faktionalismus - was sich am häufigsten durch den Aufstieg offenkundig ethnischer Parteien zeigt.
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Statusverlust einer ehemals dominanten Mehrheit – was in der akademischen Literatur als „Degradierung“ bezeichnet wird, im öffentlichen Diskurs eher als „Verdrängung“,
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Verlust des Vertrauens in Wege des friedlichen Wandels, d. h. die wahrgenommene Funktionalität oder Legitimität der normalen Politik, was sich im Zusammenbruch des Vertrauens auf allen Ebenen der Gesellschaft und im gemessenen Zusammenbruch des Sozialkapitals zeigt.
Man könnte noch den allgemeinen Begriff „Erwartungslücke“ hinzufügen, der sich auf eine wahrgenommene Differenz zwischen dem bezieht, was Menschen (in der Regel vor allem junge, ehrgeizige und fähige Menschen und insbesondere Proto-Eliten) erwarten, und dem, was sie tatsächlich bekommen. So sind die Menschen im Westen etwa ein Jahrhundert lang davon ausgegangen, dass es den Menschen einer Generation materiell besser gehen wird als den Menschen der vorherigen Generation. Das ist heute nicht mehr der Fall. Die Beschäftigungsaussichten junger Menschen, ihr Wohlstand, ihre Wahrscheinlichkeit, Kinder zu bekommen, und sogar ihre Gesundheitschancen sind heute in vielen Ländern schlechter als die ihrer Eltern im gleichen Alter. Und das, obwohl sie im Durchschnitt besser ausgebildet sind.
In dreierlei Hinsicht sind die Voraussetzungen für Bürgerkriege im Westen nicht nur vorhanden, sondern sogar ideal. Erstens: Die ethnische Zersplitterung wird, wie schon erwähnt, als Problem angesehen, aber es kommt auf die Details an. Stellen Sie sich eine Glockenkurve vor, die die Neigung zu internen Konflikten zeigt. Am einen Ende der Kurve befinden sich die heterogensten Gesellschaften. Diese sind bis zu einem gewissen Grad gegen die Gefahr eines Bürgerkriegs gefeit, da es für jede einzelne Gruppe schwierig ist, im Alleingang zu handeln. Am anderen Ende der Kurve befinden sich die homogensten Gesellschaften, die sehr resistent gegen Bürgerkriege sind, selbst in schlechten Zeiten, weil sie in der Regel in der Lage sind, im Namen des Gemeinwohls Konsensentscheidungen zu treffen.
Am anfälligsten für Bürgerkriege sind Gesellschaften, die zwar etwas zersplittert sind, in denen aber eine ehemals dominante Mehrheit zahlenmäßig abnimmt und an Macht verliert. In einer solchen Situation ist der Handlungsdruck am größten, und die Angehörigen des früheren Titularvolks (Einheimische, Indigene, oder wie auch immer man sie nennen will) verfügen immer noch über die Mittel, um selbst in Massen zu handeln. Letztere Situation sehen wir aktuell in einem Dutzend westlicher Länder, und fast alle anderen Länder bewegen sich auf demselben Kurs.
Auch wirtschaftliche Faktoren sind von Bedeutung. Stellen Sie sich eine weitere Glockenkurve vor, die die Neigung zu zivilen Konflikten zeigt. Diesmal befinden sich am einen Ende der Kurve die ärmsten Länder, die bis zu einem gewissen Grad davor geschützt sind, weil die einfachen Notwendigkeiten des täglichen Lebens in diesen Ländern den meisten Menschen wenig Energie für Politik übrig lassen. Am anderen Ende der Kurve befinden sich die reichsten Länder, die sehr sicher vor zivilen Konflikten sein können, weil die Menschen im Großen und Ganzen materiell zufrieden sind. In der Mitte liegen die Länder, die wohlhabend genug sind, um einen Überschuss an Zeit und Energie für politische Auseinandersetzungen zu haben, aber nicht so reich sind (oder in denen der Reichtum nicht so gerecht verteilt ist), dass die Menschen zufrieden sind.
Seltsamerweise kann die Neigung zum Aufstand sogar zunehmen, wenn sich die wirtschaftliche Lage verbessert, sofern die Besserung aus Sicht der Bevölkerung nicht schnell genug voranschreitet. Zur Veranschaulichung: Das heutige Singapur ist sehr stabil, weil es reich ist und der Wohlstand gut verteilt ist, obwohl es ethnisch zersplittert ist. Russland war im 19. Jahrhundert nach der Emanzipation der Leibeigenen wahrscheinlich politisch weniger stabil als zuvor. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts verbesserten sich die wirtschaftlichen und politischen Bedingungen zwar, aber nicht in einem Tempo, das mit den wachsenden Erwartungen der Menschen schritthalten konnte.
Der Westen, so behaupte ich, befindet sich genau in der Gefahrenzone. Mit der in den 1980er Jahren begonnenen Finanzialisierung der Volkswirtschaften ist er am Ende der Fahnenstange angelangt, die Industrie ist durch das Profitstreben der Unternehmen durch Offshoring sowie durch die selbstverschuldeten Energiepreissteigerungen, die eine energieintensive Produktion unwirtschaftlich machen, ernsthaft gefährdet. Man könnte auch spekulieren, dass die künstliche Intelligenz schon bald in großem Stil in klassische Bürojobs eindringen und die Aussichten der Menschen in diesen Sektoren in einer Weise verschlechtern wird, die Industriearbeiter bereits erlebt haben. Kurzum, der strukturelle wirtschaftliche Niedergang ist, wie man so schön sagt, bereits vorprogrammiert, hinzu kommt eine wachsende Ungleichheit bei der Verteilung des Wohlstands, der zwangsläufig nicht ausreicht, um den Bedarf zu decken.
Schließlich ist da noch die Frage der Politik oder genauer gesagt des Regimetyps. Stellen Sie sich eine weitere Glockenkurve vor, aber dieses Mal befinden sich am einen Ende die autoritärsten Gesellschaften. Hier wird das Potenzial für zivile Konflikte, unabhängig von der Art des Missstands, durch die Macht des staatlichen Sicherheitssystems begrenzt, das die Bevölkerung überwacht und Dissidenten bestraft. Auf der anderen Seite gibt es gut funktionierende Demokratien, die ein geringes Potenzial für zivile Konflikte haben, weil die Menschen einfach dazu neigen, die „Spielregeln“ als legitim zu akzeptieren, auch wenn die politischen Ergebnisse von ihren individuellen Präferenzen abweichen können. Die Schlüsseleigenschaft ist die so genannte „vorpolitische Loyalität“, eine Vorstellung von einem kollektiven „Wir“, das über der normalen Politik steht.
Das Problem für den Westen ist derzeit ein zweifaches. Erstens legt der offizielle Multikulturalismus metaphorisch gesprochen ein Feuer an der Vorstellung eines kollektiven „Wir“ und verbrennt es in der Praxis. Zweitens handelt es sich weder bei den Vereinigten Staaten noch bei der Europäischen Union (und auch nicht bei Großbritannien) um echte Demokratien, sondern um „verwaltete Demokratien“, um den Begriff des amerikanischen Politikwissenschaftlers Sheldon Wolin zu nutzen, in denen Wahlen tatsächlich performativ sind. Sie ändern die Politik nicht, weil die Unterschiede zwischen den vermeintlich konkurrierenden Eliten in zentralen politischen Fragen sehr gering sind – eine Partei ist der anderen sehr ähnlich. Selbst wenn eine wirklich reformorientierte Partei gewählt wird (und die jüngsten Bemühungen der Regierungen u. a. in Frankreich und Deutschland, potenzielle Oppositionsparteien, die populär sind, zu verbieten, deuten darauf hin, dass dies unwahrscheinlich ist), wird sie einfach von jenem Teil des ständigen öffentlichen Dienstes behindert, der heute oft als „tiefer Staat“ bezeichnet wird. Denken Sie etwa an die erste Trump-Administration.
Wir haben also eine Situation, in der den Regierungen das repressive Potenzial echter autoritärer Staaten fehlt, aber auch das konsensfähige Potenzial legitimer Demokratien. Im Grunde „kann die Mitte nicht halten“ und wir „kreisen und kreisen im klaffenden Schlund“, wie Yeats es in seinem berühmten düsteren Gedicht Die Wiederkunft ausdrückte, und taumeln auf einen gesellschaftlichen Bruch zu.
„Es ist wahrscheinlich, dass die zunehmend offensichtlichen verzweifelten Bemühungen der Eliten, das Geschehen zu kontrollieren, die Explosion nur noch beschleunigen werden.“
Sie schreiben, dass Ihr Forschungsgebiet die Frage eines möglichen Bürgerkriegs im Westen ausschließt. Hat sich das seit der Veröffentlichung Ihres Aufsatzes geändert? Wie haben Ihre Kollegen, die breite Öffentlichkeit und die Politik darauf reagiert?
Vielleicht habe ich mich überspitzt ausgedrückt. In meinem Forschungsbereich wird durchaus anerkannt, dass zivile Konflikte im Westen theoretisch möglich sind. So wird beispielsweise in „Civil Wars: A Very Short Introduction“ („Bürgerkriege. Eine sehr kurze Einführung“) von Monica Duffy-Toft darauf hingewiesen, dass dies möglich ist. Auch Barbara Walters „Civil Wars – How They Start and How to Stop Them“ („Bürgerkriege – wie sie beginnen und wie man sie stoppt“) ist im Wesentlichen von den aktuellen politischen Auseinandersetzungen in den USA inspiriert. Man kann also sagen, dass die Perspektive eher hypothetisch betrachtet wird und nicht besonders ernsthaft oder mit einem offensichtlichen Gefühl der Dringlichkeit verfolgt wird. Es gibt auch viele Wissenschaftler, oft aus dem politisch linken Bereich der Urban Studies, wie etwa der Amerikaner Mike Davis, die die Ansicht vertreten, dass sich die Vereinigten Staaten seit der Zeit der Bürgerrechtskämpfe bis heute in einem Zustand des Bürgerkriegs befinden.
Ich glaube nicht, dass ich mich von anderen Forschern in Bezug auf mein Verständnis der Ursachen des Bürgerkriegs oder seiner Techniken und Strategien wesentlich unterscheide. Worin ich mich meiner Meinung nach unterscheide, ist mein Gefühl für die Unmittelbarkeit des Konflikts – gemessen an den oben genannten Faktoren – und vielleicht auch darin, dass ich keine marxistische oder postmarxistische normative Perspektive einnehme, sondern mich eher als einen unideologischen Realisten und strikten Konsequentialisten betrachte.
Was die Reaktion auf meine Ansichten in der akademischen Welt angeht, so fällt sie unterschiedlich aus. Ich bin von der Aufstandsforschung auf das Gebiet der Bürgerkriege gekommen. Man könnte meinen, dass diese Bereiche logisch miteinander verbunden sind, aber praktisch gesehen handelt es sich um unterschiedliche intellektuelle Gemeinschaften. Ich habe keine Reaktion von traditionelleren Bürgerkriegsforschern gesehen; vielleicht bin ich nicht wahrgenommen worden. Generell waren einige „Kollegen“ empört und versuchten, mich zum Schweigen zu bringen – wohlgemerkt ohne mich direkt mit Gegenargumenten zu konfrontieren. Andere haben mir dafür Beifall gespendet, dass ich mich in einem sozialen und politischen Klima, in dem dies beruflich schädlich ist, zu einem kontroversen Thema geäußert habe.
Die breite Öffentlichkeit hat mit überwältigender positiver Unterstützung und Interesse reagiert, wie man an den vielen Tausenden von Kommentaren zu den Diskussionen sehen kann, die ich in mehreren Podcasts geführt habe, die viral gegangen sind. Das ist ungewöhnlich für mich, da ich keine Person des öffentlichen Lebens bin, und etwas unangenehm, aber lehrreich, da ich jetzt praktisch jeden Tag von Menschen kontaktiert werde, die mir weitere Beweise und Anekdoten aus ihren persönlichen Erfahrungen und Untersuchungen anbieten. Was die Politiker betrifft, so hat es meines Wissens nach keinerlei Reaktion gegeben.
An einer Stelle zitieren Sie zustimmend den Anarchisten Murray Bookchin. Erhöht der zunehmend autoritäre und expansive Staat die Wahrscheinlichkeit eines Bürgerkriegs? Ist der westliche Staat, um den von Nassim Nicholas Taleb geprägten Begriff zu verwenden, nicht „antifragil“ genug, um sich durch Schocks zu verbessern?
Wie Sie meinen vorherigen Antworten entnehmen können, kann der zunehmende Autoritarismus eines Staates theoretisch das Potenzial für einen Bürgerkrieg verringern. Ich kann nur vermuten, dass einige Politiker darin die einzige Möglichkeit sehen, den Problemen zu begegnen, mit denen sie konfrontiert sind. Probleme, wie man sagen muss, die sie größtenteils selbst verursacht haben. Aber ich glaube nicht, dass sie ihre repressiven Fähigkeiten schneller ausbauen können, als sich eine ausreichende Masse an politischer Energie aufbaut, um eine Revolte auszulösen. Wir werden es sehen – wir sehen es sogar schon. Ich glaube nicht, dass sie in der Lage sein werden, die Kräfte unter Kontrolle zu bringen, die am Werk sind.
Außerdem ist es wahrscheinlich, dass die zunehmend offensichtlichen verzweifelten Bemühungen der Eliten, das Geschehen zu kontrollieren, die Explosion nur noch beschleunigen werden. Im Grunde genommen befinden wir uns bereits in einer Situation, in der der Schafspelz über dem Wolf weitgehend weggerissen worden ist, der Samthandschuh über der eisernen Faust wird ausgezogen – wählen Sie Ihre eigene Metapher. Ein Hauptproblem besteht darin, dass der Zustand der Moderne derzeit ein erstaunlich komplexer Balanceakt ist – wie eine Ballerina, die sich auf Zehenspitzen dreht. Es ist schön, wenn es funktioniert, aber es erfordert ein immenses Maß an Kraft und Geschick, zwei Dinge, die in unseren wichtigsten Institutionen immer weniger zu finden sind. Kurzum, ja, Taleb hat Recht. Wir sind fragil.
„Es besteht ein enger Zusammenhang zwischen Kriminalität und Aufstand, insbesondere in der Anfangsphase.“
Aufgrund des demografischen Wandels gibt es in den westlichen Ländern immer weniger junge Männer. Verhindert diese Entwicklung nicht Bürgerkriege (Gunnar Heinsohns Theorie des „Youth Bulge“)?
Das ist ein gutes Argument, das ich nicht von der Hand weise. Wenn man sich den sich abzeichnenden Bürgerkrieg als chaotisches Handgemenge vorstellt, als ein riesiges, gewaltsames Geschiebe wie zwischen konkurrierenden griechischen Hopliten, dann ist der relative Mangel an jungen Männern ein wichtiger Punkt. Bei dieser Art von Konflikten braucht man Muskeln und eine Neigung zu gewalttätiger Leidenschaft, die junge Männer in der Regel auszeichnet.
Wenn man sich andererseits einen Aufstand als eine soziale Bewegung vorstellt, die „über das Gesetz hinausgeht“, wie Nelson Mandela es in seinem berühmten Hochverratsprozess beschrieb, und deren Haupttechnik die soziale Mobilisierung von Ressourcen ist, dann ist es von großer Bedeutung, dass wir eine zunehmende Radikalisierung der Mittelschicht mittleren Alters beobachten. Diese Menschen verfügen über Ressourcen – physisch, finanziell, in Form von Wissen und Zugang zu kritischen Systemen. Ein 20-jähriger Mann mit einem Vorschlaghammer ist ein einigermaßen überschaubares polizeiliches Problem mit einem begrenzten Potenzial für Gewalttaten. Ein 50-Jähriger aus dem mittleren Management, der zu dem Schluss gekommen ist, dass seine aktive Arbeit für das Funktionieren des Systems unerlässlich ist, kann sehr viel schwerwiegendere Schäden verursachen. Ich denke, dass in dem von mir vorhergesagten zivilen Konflikt die Handlungen des Letzteren von Bedeutung sein werden. Es ist eine Sache, wenn der Sohn sagt: „Zerschlagt das System“; es ist eine andere Sache, wenn der Vater sagt: „Ja, lasst uns das machen, und so geht's.“
Ich möchte noch hinzufügen, dass jeder schon einmal von dem berühmten römischen Brot und Spiele als Lösung für das Problem des „Pöbels“ gehört hat. Heutzutage könnten die Ablenkungen kostenlose Pornos, Fast Food und Drogen sein. Sie sollten sich aber daran erinnern, dass das im alten Rom nicht funktioniert hat. Eine Argumentation, die lautet: „Ja, ihr werdet in eurer Heimat vertrieben und degradiert, aber ihr seid zu fett und degeneriert, um etwas dagegen zu unternehmen, und wahrscheinlich habt ihr es auch verdient, also verpisst euch“, hat etwas ernsthaft Anrüchiges, ja zutiefst Ekelhaftes. Das ist zwischen den Zeilen die typische Botschaft. Sie stellt ein Problem dar, weil sie nicht wahr ist, und weil sie, was Beleidigungen angeht, nahezu perfekt geeignet scheint, Aufruhr und Groll zu schüren.
Die Quintessenz ist, dass die Menschen es nicht mögen, wenn man ihnen in Fragen der Migration und des Multikulturalismus einen angeblich alternativlosen Status Quo unter die Nase reibt, und genau das passiert hier. So wird etwa die Zahl der weißen Mädchen aus der Arbeiterklasse in Großbritannien, die in den letzten dreißig Jahren von hauptsächlich pakistanischen Vergewaltigungs- und sexuellen Folternetzwerken auf grausame Weise ausgebeutet wurden, auf 250.000 bis eine Million geschätzt - und es geschieht immer noch. Denken Sie nur einmal darüber nach: Die offensichtliche Gleichgültigkeit der Regierung gegenüber diesem Phänomen radikalisiert die Menschen mehr als hundert Bombenanschläge, Amokfahrten und zufällige Messerangriffe, die ohnehin mit zunehmender Regelmäßigkeit verübt werden.
In Berlin sind viele kriminelle libanesische Clans auch mit der Hisbollah verbunden. Wie ist die Beziehung zwischen Kriminellen und Aufständischen?
Es besteht ein enger Zusammenhang zwischen Kriminalität und Aufstand, insbesondere in der Anfangsphase. Kriminelle haben in der Regel Zugang zu Ressourcen wie Waffen und die Fähigkeit, diese einzusetzen, was normalen Menschen eher nicht möglich ist. In der Regel greifen Aufständische daher auf kriminelle Netzwerke zurück, doch wenn der Aufstand an Stärke gewinnt, werden die Kriminellen meist ziemlich stark zurückgedrängt. Ein anschauliches Beispiel hierfür ist der berühmte Film „Schlacht um Algier“, in dem der Hauptdarsteller als verwaister Straßengangster beginnt, im Gefängnis radikalisiert wird, sich der Revolution anschließt und schließlich den Gangsterboss ermordet, der ihm bis dahin als Ersatzvater gedient hatte.
Werden Bürgerkriege in Europa durch ausländische Akteure vorangetrieben? Oder sind sie das Ergebnis eines inneren Versagens der westlichen Nationen, wie es der chinesische Theoretiker Wang Huning („Amerika gegen Amerika“) beschreibt?
Ich sehe keine Anzeichen für eine Beteiligung ausländischer Akteure in dem Sinne, dass die UdSSR selbst oder durch ihre Stellvertreter einst die Roten Brigaden und dergleichen unterstützte. Russland tut uns das nicht an und auch nicht China. Es handelt sich um selbst zugefügte Verletzungen und um organische und lokale Reaktionen darauf. Ich bezweifle jedoch nicht, dass Russland und China mit der Zeit versuchen könnten, aus der Situation Profit zu schlagen. Sie haben definitiv nicht viel für uns übrig. Ich glaube nicht, dass sich ‚der Rest‘ groß um die Probleme des „Westens“ kümmert, und warum sollte er auch?
„Das europäische Projekt ist durch und durch elitär und antidemokratisch.“
Deutschland ist gerade dabei, die größte Oppositionspartei zu verbieten. Die Regierung finanziert linke NGOs und mobilisiert Millionen auf die Straße, um „Rechtsextremismus zu bekämpfen“. Vertiefen solche Maßnahmen nicht die Spaltung? Sind unsere Institutionen nicht gleichzeitig zu liberal (d. h. zu fortschrittlich in ihrer Ausrichtung) und zu illiberal (in ihrer Intoleranz gegenüber abweichenden Ansichten)? Hat J.D. Vance Recht, wenn er behauptet, dass die europäischen Regierungen die eigene Bevölkerung fürchten?
Ja, Vance hat Recht. Man könnte ihm eine gewisse Übertreibung vorwerfen, aber nicht allzu viel. Die Angst vor Populismus liegt in der DNA der Europäischen Union, und zwar ganz offenkundig. Man muss nur die Ideen ihrer Gründerväter und ihre eigenen Gesetze und Verordnungen lesen. Nichts davon ist wirklich verborgen. Das europäische Projekt ist durch und durch elitär und antidemokratisch.
Und ja, wie ich schon festgestellt habe, ist die Situation unhaltbar. Die Institutionen sind aufgrund mangelnder Wahlmöglichkeiten oder mangelnden Willens, mangelnder Fähigkeiten und mangelnder Vorstellungskraft gezwungen, Dinge zu tun, die die Situation verschlimmern. Letztendlich werden sie nicht in der Lage sein, hart genug zu unterdrücken, während gleichzeitig ihr Potenzial, Herausforderer zu kooptieren (eine weitere altbewährte Technik), mit ihrem abnehmenden Erfolg schwindet.
Vor einigen Jahren haben französische Offiziere vor einem Bürgerkrieg gewarnt. Der französische Staat hat wenig getan, um das Land zu vereinen und zu stärken. Sind die Probleme einfach zu groß, um im politischen Rahmen einer liberalen Demokratie gelöst zu werden?
Ich glaube, dass dies der Fall ist. Viele Menschen, die dieselben Dinge sehen, die ich beschrieben habe, und die, wenn auch widerwillig, den Ernst der Lage nicht leugnen, haben die Hoffnung auf eine politische Lösung. Ich habe diese Hoffnung nicht. Es gibt keinen politischen Ausweg, der in der noch verbleibenden Zeit plausibel ist. Man braucht nur den Fall der populistischen Reform Party in Großbritannien zu betrachten, die anscheinend nach der Macht strebt und sie vielleicht auch erlangen wird, aber keine Ahnung hat, wie sie diese Macht ausüben soll – oder keinen Willen, wie ich vermute. Meiner Meinung nach haben wir den Kipppunkt bereits überschritten. Was jetzt kommt, kann lang und schmerzhaft oder kurz und schmerzhaft sein. Es besteht möglicherweise noch die Möglichkeit, dies zu beeinflussen.
Könnte eine äußere Bedrohung (etwa durch Russland) den Westen vereinen und die internen Konflikte befrieden?
Möglicherweise, aber im gegenwärtigen Kontext ist dies zweifelhaft. Historisch gesehen ist das Auftauchen einer äußeren Bedrohung, einer „Outgroup“, ein wirksames Mittel, um eine Gruppe intern zu stärken. Politische Akteure wissen das, weshalb sie manchmal, wenn nötig, ausländische Bedrohungen erfinden. Dies war jedoch schon immer ein gefährliches Unterfangen. Heutzutage ist es praktisch unmöglich.
Erstens ist Russland ein ernst zu nehmendes Land und eine Atommacht, so dass ein Krieg gegen Russland, um die Risse in der eigenen Gesellschaft zu überdecken, eine verrückte Option ist, die den nationalen Selbstmord durch gegenseitige Zerstörung riskiert. Es ist offen gesagt eine ziemlich grobe Taktik, das war schon immer so. In der Vergangenheit hat sie funktioniert, aber jetzt ist sie zu gefährlich.
Zweitens: Laut den seit vielen Jahren durchgeführten Meinungsumfragen zur Bereitschaft der Menschen, „für ihr Land zu kämpfen“, lautet die Antwort im gesamten Westen mit überwältigender Mehrheit „Nein“. Deutschland steht mit dieser Einstellung in Europa an der Spitze, aber fast alle anderen Länder sind nahe dran. Die wahrscheinliche Reaktion auf die Ankündigung der Regierung, z.B. eine Wehrpflicht für den Kampf gegen Russland einzuführen, wäre meiner Meinung nach ein entschiedenes „Fuck you“. In Großbritannien wurde diese Möglichkeit vor kurzem in Erwägung gezogen und von der Bevölkerung mit Spott aufgenommen. Das muss man erst einmal schaffen. Aber ich würde behaupten, dass die mangelnde Bereitschaft, für das eigene Land zu kämpfen, ein fester Bestandteil der entnationalisierenden, entwurzelnden Politik des letzten halben Jahrhunderts ist. Wofür würden die Menschen kämpfen? Für den Status quo? Wohl kaum.
„Die Triebfeder des Judenhasses im Westen ist vor allem in der muslimischen Bevölkerung und (manchmal in echter und manchmal in opportunistischer Form, wie es scheint) in der Linken zu finden.“
Sind die Juden wieder einmal die sprichwörtlichen „Kanarienvögel im Kohlebergwerk“? Wie René Girard beschrieb, dienen sie als perfekte Sündenböcke, die verschiedene Fraktionen – Linke, Rechte, Islamisten – in ihrem Kampf gegen „das System“ vereinen.
Ich denke, dass dies eine sehr berechtigte Sorge bei Juden ist, und ich gehe davon aus, dass die meisten sich der Gefahr bewusst sind, die in solchen Momenten der Geschichte, wie wir sie jetzt erleben, für sie besteht. Eine Hauptsorge ist zweifellos die Assoziation, die im Rechtsextremismus häufig zwischen der von mir oben beschriebenen Politik und prominenten Juden hergestellt wird. Man muss nicht weit in die Tiefen von 4Chan hinabsteigen, um online auf offenen, regelmäßigen und beiläufigen Antisemitismus zu stoßen.
Ich habe jedoch den Eindruck, dass ernsthafter Antisemitismus in der von mir beschriebenen Situation nicht besonders verbreitet ist. In Großbritannien jedenfalls gibt es nur wenige Neonazis und keine von Bedeutung. Darüber hinaus ist das Misstrauen gegenüber Neonazis in der Generation der altgedienten Nationalisten, die in den 1990er Jahren aktiv waren, groß. In diesem Fall waren die Disziplinlosigkeit und die Neigung zu dummer Gewalt von Nazis und Skinheads ein Hauptgrund dafür, dass solche Gruppen von den Sicherheitsdiensten so leicht aufgegriffen werden konnten. Die Wahrheit ist, dass die Triebfeder des Judenhasses im Westen vor allem in der muslimischen Bevölkerung und (manchmal echt und manchmal opportunistisch, wie es scheint) in der Linken zu finden ist.
Deutschland hat Millionen Menschen aus von Bürgerkriegen verwüsteten Regionen aufgenommen. Welche Rolle könnten diese Menschen bei einem Zusammenbruch der öffentlichen Ordnung spielen? Was sind die wichtigsten sozialen Bruchlinien in Deutschland?
Ich ziehe es vor, die deutschen Verwerfungen nicht für die deutschen Leser zu bewerten, da ich kein Deutscher bin, und ich vermute, dass Ihre Leser besser als ich wissen werden, welche das sind und wie schwerwiegend sie sind.
Ich bin der Überzeugung, dass die von mir beschriebenen Probleme nicht auf ein bestimmtes Land beschränkt sind, sondern im gesamten Westen verbreitet sind. Kürzlich habe ich 15 verschiedene europäische Länder ermittelt, in denen in den letzten fünf Jahren eine namhafte politische Persönlichkeit von nationalem Format, in der Regel, aber nicht immer, in der Opposition, vor einem potenziellen zivilen Konflikt gewarnt und in allen Fällen mit dem Finger auf die unkontrollierte Migration als dessen Ursache gezeigt hat.
Der Essayist Hans Magnus Enzensberger schrieb vor Jahren über den „molekularen Bürgerkrieg“ und Frankreichs Präsident Emmanuel Macron spricht von Prozessen der „Dezivilisierung“. Sind asoziales Verhalten und alltägliche Gewalt Vorboten eines Bürgerkriegs?
Möglicherweise, aber ich würde sie eher als Ausdruck des Zeitgeistes bezeichnen. Leser, die über diese Idee nachdenken möchten, sollten zu einem Science-Fiction-Klassiker von Jack Womack mit dem Titel „Zufällige Akte sinnloser Gewalt“ , um eine Vorstellung davon zu bekommen, wie die „neue Normalität“ für eine ganze Weile aussehen könnte. Das 1993 veröffentlichte Werk spielt im heutigen New York City und hat die Form eines Tagebuchs, das von einem zwölfjährigen amerikanisch-jüdischen Mädchen geschrieben wird, das seinen Alltag in einem Amerika beschreibt, das von einem chronischen Bürgerkrieg auf niedrigem Niveau heimgesucht wird. Ein Amerika, in dem Unruhen praktisch an der Tagesordnung sind, Präsidenten etwa zweimal im Jahr ermordet werden und weniger bedeutende Politiker in einer zu regelmäßigen Häufigkeit, als dass sie der Erwähnung wert wäre.
„Der asymmetrische Multikulturalismus ist das Fundament des ganzen verrotteten Gebäudes.“
Welche westeuropäische Nation ist am besten und welche am schlechtesten aufgestellt?
Mir fällt keine westeuropäische Nation ein, die gut aufgestellt ist. Einige in Mitteleuropa haben ironischerweise von der sowjetischen Besatzung profitiert, zumindest insofern, als die Isolierung vom Westen eine Art prophylaktische Wirkung gegen einen Teil der Politik hatte, die dem Westen so geschadet hat. Nachdem sie so gewaltsam unterdrückt worden waren, bauten die Polen, Ungarn und Slowaken, vielleicht auch andere, in den 1990er Jahren ein Stammesgefühl wieder auf – eine notwendige nationale Anstrengung, mit der im Westen noch niemand ernsthaft begonnen hat und für die es ohnehin zu spät sein könnte.
Bei der Frage, wer am schlechtesten dran ist, sieht es nach einem Kopf-an-Kopf-Rennen aus. Frankreich befindet sich in einem fortgeschrittenen Zustand sozialer Verwahrlosung, zu dem noch eine gewisse nationale Affinität zur Revolution kommt. Großbritannien hat Frieden, Ordnung und gute Regierungsführung mehr oder weniger erfunden und bleibt, wie man meinen könnte, immer noch stark diesen Traditionen verhaftet. Aber das bricht jetzt sehr tiefgreifend und sehr schnell zusammen.
Es mag seltsam klingen, aber Irland ist vielleicht der wahrscheinlichste Brennpunkt. Das Tempo, mit dem die irische nationale Identität verunstaltet wird, ist erstaunlich, und die Unverfrorenheit, mit der die irischen Regierungen die öffentliche Meinung in einer Reihe von Fragen, insbesondere aber in der Migrationsfrage, offen missachten, ist möglicherweise noch krasser als im Vereinigten Königreich. Wenn man mich fragt, würde ich sagen, dass Irland den Weg vorgibt. Das spielt jedoch kaum eine Rolle, denn sobald der Bürgerkrieg erst einmal in Gang gekommen ist, wird er metastasieren und sich auch anderswo ausbreiten.
Welcher Zusammenhang besteht zwischen „asymmetrischem Multikulturalismus“ und Bürgerkrieg?
Der asymmetrische Multikulturalismus ist sozusagen das Fundament des ganzen verrotteten Gebäudes. Die Vorstellung, dass alle Kulturen gleichermaßen wunderbar sind und bewahrt und verherrlicht werden müssen, mit Ausnahme der Kultur der Nation, die dem Land seinen Namen gibt und die sich für ihre vermeintlichen Sünden entschuldigen und büßen muss, ist ein völlig unhaltbarer Gedanke. Jedem ist klar, von den höchsten Regierungsebenen bis hin zur untersten Stufe der studentischen Politik, dass das Ende der Fahnenstange erreicht ist, wenn die weiße Bevölkerung die gleichen Vorstellungen von Identitätspolitik vollständig verinnerlicht hat wie jede andere gesellschaftliche Gruppe auch. Was gibt es dann? Wie ich schon sagte, es ist Bürgerkrieg.