22.12.2025
Der Mensch als QR-Code
Digitale Identität und digitales Zentralbankgeld sind Sargnägel der individuellen Freiheit. Sie werden global vorangetrieben, auch im deutschsprachigen Raum.
Der elektronischen Patientenakte (ePA) haben kurz vor Einführung nur etwas mehr als fünf Prozent der Versicherten widersprochen. Die Bundesregierung soll mit einer Ablehnungsquote von 20 Prozent gerechnet haben. Das macht es Union und SPD einfacher, wie im Koalitionsvertrag angekündigt, „von einer bundesweiten Testphase zu einer verpflichtenden sanktionsbewehrten Nutzung“ voranzuschreiten. Der zwischenzeitlich zum Bundeskanzler gewählte Friedrich Merz (CDU) hatte im Februar noch vorgeschlagen, denjenigen, die sich der ePA nicht verweigern, mit einem zehnprozentigen Rabatt bei den Krankenkassenbeiträgen zu ködern. Wer nicht möchte, dass seine sensiblen Daten im Gesundheitswesen und bei Hackern herumschwirren, bekommt Probleme.
In analogeren Zeiten ging es noch anders zu: Die Volkszählung in den 1980ern beschäftigte und polarisierte die Bundesrepublik über Jahre hinweg, viele verweigerten trotz Bußgeldandrohung das Ausfüllen oder trugen falsche Angaben ein, Gerichte urteilten, die Stimmung war aufgeheizt. Inzwischen haben sich auch die Deutschen an zunehmend mehr Überwachung und Aushorchung gewöhnt: Kameras im öffentlichem Raum, Großer Lauschangriff, Otto-Katalog, biometrische Pässe, Staatstrojaner, Datensammlung durch Autos, Kontaktverfolgung potenzieller Corona-Virenträger – vom gläsernen Smartphone-Nutzer gar nicht zu reden.
Den nächsten Schritt geht die digitale Identität. In der EU z.B. soll sie als EUDI eingeführt werden, zusammen mit einer elektronischen „Brieftasche“ zu ihrer Aufbewahrung. Als ganz praktisch preist das die EU-Kommission an: „Der Nutzer hat alle seine Dokumente in seiner persönlichen digitalen Brieftasche – vom nationalen Personalausweis bis zum Einkommensnachweis“. Die neue Bundesregierung will sie allen zur Verfügung stellen, aber bei diesem scheinbaren Service bleibt es nicht. „Jeder Bürger […] erhält verpflichtend ein Bürgerkonto und eine digitale Identität“, heißt es im Koalitionsvertrag. Vergessen Sie linke und rechte Identitätspolitik – die künftig entscheidende Identität erhalten Sie vom Großen Bruder. In früheren Dystopien wurde der Mensch zur Nummer degradiert – bald soll er sich mit einem Dasein als wandelnder QR-Code abfinden. Die Coronaspritzen-Zertifikate, wie etwa die der EU, dienten als Feldversuch für die Akzeptanz – mit leider nicht geringem Erfolg.
„Das Ganze läuft auf ein Sozialkreditpunktesystem nach chinesischem Vorbild hinaus.“
Der Digitalisierungszwang, von der Koalition z.B. als „‚Digital-Only‘“ und Zentralisierung für Behördengänge der Bürger geplant, führt letztlich zum noch gläserneren Individuum. Er dient „der Verwirklichung eines totalitären Technokratentraums“, wie der Journalist Norbert Häring schreibt, in dem „die Bürger lückenlos überwachbar werden“ und „sich komplett an das System anpassen müssen“. Zusammen mit der Einführung des Digitalen Zentralbankgeldes (CBDC) (und anderen Elementen wie der Durchlöcherung der Anonymität im Internet) läuft das Ganze auf ein Sozialkreditpunktesystem nach chinesischem Vorbild hinaus. Zahlen und sich legitimieren können würde dann davon abhängen, ob man sich nach Vorgabe verhält: das ‚Richtige‘ konsumiert, sich auf Befehl impfen lässt, keinen Hass im Netz verbreitet, in der 15-Minuten-Stadt bleibt, die Biotonne korrekt befüllt.
Beim CBDC ist die EU-Ebene zuständig, die EZB trat im Oktober in die nächste Phase der Umsetzung des digitalen Euro ein. Da es sich um ein globales Projekt handelt, befinden sich neben der EU die allermeisten Nationalstaaten in irgendeiner Stufe der Einführung. Wozu der Aufwand, ist digitales Zentralbankgeld nach Einschätzung des US-Notenbank-Vorstandsmitglieds Christopher Waller doch nur „eine Lösung auf der Suche nach einem Problem“? Offenbar besteht das Problem in zu wenig obrigkeitlicher Kontrolle des privaten Geldausgebens. Immerhin: In den USA haben Präsident Trump und das Repräsentantenhaus dem CBDC dieses Jahr einen Riegel vorgeschoben.
Allerdings stärkt man dort nun per Gesetz sogenannte Stablecoins, wohl nicht zuletzt, um damit die amerikanischen Staatsschulden billiger finanzieren zu können. Stablecoin klingt nach Bitcoin, und ausgegeben werden diese Digitalwährungen nicht von einer Zentralbank. Davon sollte man sich jedoch keineswegs täuschen lassen, warnt der Jurist Tobi Maier. Es lauern – verglichen mit Bargeld – dieselben Gefahren wie beim CBDC: Überwachungsmöglichkeiten, Nutzlosigkeit bei Ausfall des Internets oder des Stroms insgesamt, Programmierbarkeit. Eine programmierbare Währung bedeutet, dass von oben festgelegt werden kann, wofür man sein Geld überhaupt ausgeben darf. „Insbesondere die Kombination aus Überwachung und Programmierbarkeit“, so Maier, „stellt vielleicht die existenziellste Bedrohung der menschlichen Freiheit in der ganzen Geschichte dar“.
„Angesichts des Charakters dieser globalen Dystopie spielt es nur bedingt eine Rolle, in welchem Land man lebt und noch weniger, welche Parteien gerade regieren.“
Dementsprechend schreitet der Kampf gegen das Bargeld weiter fort. Soweit wie in Kirgisistan, wo Geschäften grundsätzlich die Cash-Annahme verboten wird, geht es z.B. in Deutschland noch nicht. Aber wenn der Koalitionsvertrag der Merz-Regierung vorsieht, dass Geschäfte zukünftig neben Barem auch „mindestens eine digitale Zahlungsoption“ anbieten müssen, dann fällt das nicht unter Prosa wie „Wir werden […] dafür sorgen, dass die Bahn wieder pünktlich fährt“, sondern soll die Infrastruktur dafür schaffen, dass Barzahlungen künftig stärker beschränkt werden. Man hatte in der Corona-Transformation 2020 ja auch nicht sofort einen Maskenzwang, sondern erst, nachdem genügend Mund-Nasen-Schleier erhältlich waren. Außerdem unterstützt die deutsche Bundesregierung die internationale Better Than Cash Alliance (Staaten, Konzerne, Bill Gates & Co.) bei ihrem globalistischen Projekt der Bargeldbekämpfung.
Vor der Union/SPD-Koalition war es Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP), der die digitale Identität als Serviceleistung für die Bürger bei Behördenleistungen und den digitalen Euro pries. Man könnte glatt auf die Idee verfallen, dass der Digitalisierungswahn der FDP bei gleichzeitiger Beerdigung eines ernsthaften Liberalismus dazu diente, freiheitlich Sensibilisierten die totale Kontrolle als harmlose Dienstleistung zu verkaufen. Wie auch immer, ohne die FDP geht es genauso. Angesichts des Charakters dieser globalen Dystopie spielt es nur bedingt eine Rolle, in welchem Land man lebt und noch weniger, welche Parteien gerade regieren.
Wenn der Publizist Michael Klonovsky sagt: „Wir haben ja in Deutschland, wenn wir auf 100 Jahre zurückschauen, einige Staaten erlebt, in denen man nicht unbedingt als ein registriertes Etwas herumlaufen will“, dann hat er zwar recht. Aber jedem Staat und jeder Kraft, die einen und sein Geld auf diese Weise registrieren will, muss man etwas entgegensetzen – in Deutschland und überall anders auf der Welt. So demonstrierten im Oktober Tausende in London Tausende gegen die digitale ID. In der Schweiz allerdings hat man die elektronische Identität (E-ID) bei einer Volksabstimmung Ende September durchgesetzt –mit sehr knapper Mehrheit im zweiten Anlauf. 2021 war sie noch plebiszitär gescheitert – es wird so lange abgestimmt, bis das Ergebnis passt. Denn die E-ID soll ja „freiwillig“ sein. Wer’s glaubt, wird nicht selig, sondern schlafwandelnd zum QR-Code.