11.01.2016

Der Mensch als Plage?

Kommentar von Andrea Seaman

Der Umweltschutz ist zu einer blinden Religion geworden. Er steht damit im Widerspruch zum Humanismus. Der Mensch muss seinen ökologischen Fußabdruck vergrößern, um zu prosperieren und seine wachsenden Bedürfnisse zu befriedigen. Ein Abiturient klagt sein Lehrer an

Seit dem Tag der ersten Entdeckung von Öl gab es Vorhersagen über die unmittelbar bevorstehende Erschöpfung dieses Rohstoffes. Im Jahr 1914 sagte die zuständige US-Behörde United Bureau of Mines, dass die amerikanischen Ölreserven in zehn Jahren aufgebraucht sein würden. Im Jahr 1938 meinte das US-Innenministerium, dass eben diese Ölreserven in 13 Jahren erschöpft sein würden. 1977 sagte Jimmy Carter, der damalige Präsident von Amerika: „Wir könnten all unsere bewiesenen Ölreserven auf der Welt im nächsten Jahrzehnt aufbrauchen.“

Mit anderen Worten: Seit 1987 hätten wir unser Öl von einem anderen Planeten anschaffen müssen, da es keines mehr auf unserem hätte geben dürfen. Ironischerweise haben alle diese Vorhersagen und die vielen Leute, die sie erstellten, behauptet, dass die Wissenschaft auf ihrer Seite steht. Und das war der Grund, warum man ihnen Glauben schenkte. Das führte dazu, dass Schulbücher und Lehrer anfingen, ihren Schülern beizubringen, dass uns das Öl sehr bald ausgehen würde.

Sie lagen aber alle falsch, weil sie die Gegenwart in die Zukunft projizierten und das Potenzial der Menschheit grob unterschätzten. Sie lagen genauso falsch wie die New York Times, welche 1894 schrieb, dass „in 50 Jahren jede Straße in London unter neun Fuß [Pferde-]Exkrementen begraben wird“. Die Zeitung hatte zwar Recht, als sie dies behauptete, aber die Dinge änderten sich schnell. Wir erfanden das Auto, das Pferde überflüssig machte. Gleichermaßen wurden neue Ölreserven, neue Wege, sie billiger und effizienter zu extrahieren, und produktivere Technologien gefunden.

„Der Umweltschutz ist zu einer weltlichen Religion geworden“

Nichtsdestotrotz hörten die Prophezeiungen über die Erschöpfung der bekannten Öl- und Gasreserven nicht auf. Bekannte Reserven sind aber ökonomische und technologische Einschätzungen und sagen nichts darüber aus, wie viel von diesen Rohstoffen wir wirklich haben. Zu sagen, dass uns die bekannten Ölreserven jetzt oder dann ausgehen, und wir daher bald kein Öl mehr haben, ist, wie Björn Lomborg es formuliert, als ob man in seinem Kühlschrank kein Essen fände und daraus schlussfolgere, dass man in drei Tagen verhungern werde. Man wird stattdessen natürlich hinausgehen und mehr Essen kaufen. Dies ist genau das, was die Menschheit getan hat, als sie in die Welt hinausging und immer mehr angeblich unantastbare Öl- und Gasressourcen in verwendbare Reserven verwandelte. In Anbetracht dieser falschen Voraussagen und unserer bewiesenen Genialität ist es absolut absurd, dass uns an unseren Schulen die fiktive Bedrohung des schwindenden Öls gelehrt wird.

Da diese Warnungen völlig unhaltbar sind, sehe ich den einzigen Grund, unseren ökologischen Fußabdruck zu verringern, darin, dass unsere CO2-Emissionen verringert werden müssen, um der globalen Erwärmung Einhalt zu gebieten. Aber auch dies ist purer Unsinn, weil es eine teure Verschwendung unserer Anstrengungen wäre. Hätten wir, zum Beispiel, das Kyoto-Protokoll voll durchgezogen, indem wir alle Ziele erreicht hätten – das haben wir nicht im Geringsten getan – wäre die globale Erwärmung nur um fünf Jahre verzögert worden. Von 2100 auf 2105. Stattdessen wurde sie um sieben Tage verzögert. Mit anderen Worten war Kyoto – wie schon so viele andere Initiativen – eine teure Ablenkung.

Um sich zu veranschaulichen, wie lächerlich solche CO2-Reduktionen sind, wie sie Kyoto festlegte, kann man etwa Folgendes bedenken: Wenn wir die gesamte schweizerische Wirtschaft abschalten würden, also alle Lichter, Maschinen, Autos und so weiter nicht mehr benutzten, hätte dies überhaupt keinen Einfluss auf die Geschwindigkeit oder den Umfang der globalen Erwärmung. Auch wenn die Schweizer Wirtschaft für immer stillstünde. Der Grund dafür ist, dass die Schweiz nur einen sehr kleinen Teil eines Prozents der totalen globalen Emissionen pro Jahr verursacht. Warum also verbietet meine Kantonschule Stadelhofen das Fliegen, wenn wir auf Klassenreisen gehen? In meinen Augen ist es ein elender Versuch einer Reue induzierenden Verhaltenskontrolle, die uns von der grünen Moralpolizei, die diese Schule beherrscht, serviert wird. Dies reflektiert ein breiteres politisches Klima, in dem die Umweltschützer uns vom mythologischen Kampf zwischen Gläubigen und Leugnern erzählen. Der Umweltschutz ist zu einer weltlichen Religion geworden, die im Glauben und in Vorurteilen wurzelt und die Natur als ihren Gott erhebt. Somit ist diese neue Religion gegenüber den Fakten, der Vernunft und dem gesunden Menschenverstand blind.

„Wenn wir unseren ökologischen Fußabdruck nicht vergrößert hätten, würden wir immer noch in Höhlen leben“

Nichtsdestoweniger sind die Grünen davon besessen, unseren ökologischen Fußabdruck zu reduzieren. Sie porträtieren den menschlichen Einfluss auf die Natur als inhärent schlecht. Wir werden wie eine Krankheit auf dem Planeten angesehen. Die Metapher des ökologischen Fußabdrucks vermittelt die Idee, dass wir Menschen mit unseren dreckigen Stiefeln über eine empfindliche Erde trampeln. Dementsprechend messen die Grünen den moralischen Wert von allem in Bezug auf CO2 und dem angeblichen Umweltschaden, der daraus resultiert. Wir werden anhand des Ausmaßes unserer CO2-Emissionen moralisch beurteilt. Eine Reise nach Los Angeles ist dreieinhalb Tonnen CO2, das Steak auf dem Teller ein paar mehr und so weiter.

Diese Einstellung gegenüber der menschlichen Existenz steht im fundamentalen Widerspruch zum Humanismus und der Aufklärung. Wenn wir unseren ökologischen Fußabdruck nicht vergrößert hätten, würden wir immer noch in Höhlen leben, hätten eine Lebenserwartung von circa 35 Jahren und würden an Hunger sterben. Die Metapher des ökologischen Fußabdrucks sucht dieses historische und inspirierende Streben der Menschheit nach Fortschritt und Freiheit von der grausamen Laune der Natur zu zerstören.

Die Grünen sind wie eine moderne religiöse Autorität, die darauf erpicht ist, unser Verhalten zu kontrollieren. Man erinnere sich an Brechts Galileo Galilei, wo die Armen glücklich gehalten werden sollen im Wissen, dass Gott es so wolle und sie auf die Probe stelle. Im selben Stil wollen die heutigen Grünen, dass die Armen glücklich sind im Wissen, dass die Natur ihre Armut will oder verlangt, um ein mystisches Gleichgewicht zu erzielen. Sie werden es schon oft gehört haben: Wenn alle so leben würden wie wir, bräuchte man mehr Planeten. Mit anderen Worten ist die Armut nicht von unserem Versagen verursacht, den ökologischen Fußabdruck zu vergrößern. Vielmehr liegt sie in den inhärenten Grenzen der Natur begründet. Aber die Fortschrittspessimisten irren sich da, wie schon bei Öl, Edelmetallen, Essen, der Pferdescheiße-Sintflut und vielem mehr.

„Lasst uns den misanthropischen Grünen sagen, sie sollen sich davonmachen“

Anders als die Grünen denke ich, dass wir die Armen aus ihrem Unglück heben und das Leben aller verbessern sollten, indem wir endlich anfangen, unsere Wirtschaften wachsen zu lassen, unseren ökologischen Fußabdruck zu vergrößern und unser Potenzial zu entfalten. Lasst uns die Generation sein, die allen das Leben lebenswerter macht, indem wir die Natur unterwerfen. Oder wie es Francis Bacon gesagt hätte: Wir müssen die Natur mehr dominieren, sie foltern und sie zwingen, ihre Geheimnisse preiszugeben.

Zusammengefasst: Schämen wir uns nicht für unseren ökologischen Fußabdruck und unseren Einfluss auf die Natur. Im Gegenteil! Lasst uns den misanthropischen Grünen sagen, sie sollen sich davonmachen und uns die Erde stolz regieren lassen, damit wir unsere immer wachsenden Bedürfnisse befriedigen können. Danke.

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