08.08.2013

Betreuungsgeld: Warum die ganze Aufregung?

Von Sabine Beppler-Spahl

Grüne, Linke und SPD machen Wind gegen das Betreuungsgeld. Darin zeigt sich ein tiefes Misstrauen gegen Familien, die das Geld beantragen möchten und eine Geringschätzung von Wahlfreiheit. Mehr Gelassenheit täte gut, meint Sabine Beppler-Spahl

Seit Anfang des Monats haben Eltern Anspruch auf einen Betreuungsplatz für ihre Kleinkinder, und das ist gut. Gut ist das neue Gesetz, weil es die Wahlmöglichkeit der Eltern stärkt – zumindest, wenn endlich genügend Kitaplätze vorhanden sind. Auch das Betreuungsgeld ist zu begrüßen, weil damit ein Zeichen gesetzt wird, dass Eltern nicht vom Staat in eine bestimmte Richtung gedrängt werden dürfen. Der Staat schafft die Voraussetzung für die Kinderbetreuung, hat sich aber aus der Lebensplanung seiner Bürger herauszuhalten. Die alte Weisheit, jeder sei seines eigenen Glücks Schmied, muss auch hier gelten. Deswegen entscheiden allein die Sorgeberechtigten, wie ihre Kinder zu betreuen sind, denn nur sie können die eigene Lebenslage beurteilen. Wir dürfen darauf vertrauen, dass Frauen, die sich dazu entschließen, ihr Kleinkind selbst zu betreuen eine überlegte Entscheidung treffen.

Doch leider leben wir in Zeiten, in denen die Neutralitätspflicht des Staates schon längst aufgeweicht worden ist. Obwohl das Betreuungsgeld im Vergleich zu den Kosten eines Kitaplatzes geradezu lächerlich gering ausfällt, wollen manche es lieber heute als morgen wieder abgeschafft sehen. Um den Staatshaushalt geht es den Gegnern allerdings nicht. Sie behaupten, von dem Betreuungsgeld gehe ein falsches Signal aus und nennen es abschätzend „Herdprämie“. Sie möchten, dass Frauen gar nicht erst auf die Idee kommen, die Kinder zuhause zu behalten. Deswegen wehren sie sich gegen jeden Cent, der für die häusliche Betreuung ausgegeben wird.

„Der Staat schafft die Voraussetzung für die Kinderbetreuung, hat sich aber aus der Lebensplanung seiner Bürger herauszuhalten. Die alte Weisheit, jeder sei seines eigenen Glücks Schmied, muss auch hier gelten.“

So kündigt die stellvertretende SPD-Vorsitzende Manuela Schwesig einen bundesweiten Aktionstag unter dem Motto „Kita-Ausbau statt Betreuungsgeld“ an und Grünenchefin Katrin Göring-Eckardt sprach von einem „Ladenhüter“, der wieder abzuschaffen sei. In einem Interview der TAZ kam die Bildungsökonomin, Katharina Spieß, zu dem Schluss, Familien brauchten das Geld nicht. Aber, kann Frau Spieß das mit Sicherheit behaupten, und vor allem, steht ihr ein solches Urteil zu? Was ist mit den Familien, die es doch beantragen? Interessant ist, dass die Ökonomin auch darüber mutmaßt, Eltern seien vielleicht durch die Diskussion beeinflusst worden und zögerten deswegen, das Geld zu beantragen. Solche Mutmaßungen zeigen, dass die Anti-Betreuungsgeld-Lobby bewusst Druck auf Familien ausüben möchte, die sich nicht in ihrem Sinne entscheiden. Fast klingt dies, als müssten Familien, die ihre Kinder nicht in die Kita schicken, Angst vor einer Stigmatisierung haben. Bemerkenswert ist, dass mit solchem Druck eine Tradition fortgesetzt wird, die früher allerdings in die entgegengesetzte Richtung wies. Noch in den 1950er und 1960er Jahren wurden Frauen unter Druck gesetzt, ihre Kinder zuhause zu behalten. Wer dies nicht konnte oder wollte, galt als Rabenmutter. Die Zeiten haben sich geändert, aber immer noch gibt es selbsternannte Spezialisten, die anderen vorschreiben wollen, wie sie zu leben haben. Besonders perfide ist, wenn dabei auch noch auf die ganze Autorität des Staates gesetzt wird, wie dies die heutigen Lobbyisten versuchen.

Es gibt aber noch ein anderes Motiv, das die Gegner des Betreuungsgeldes antreibt, und das ist die „richtige“ Förderung von Kindern. Sozial schwache Familien würden ermuntert, ihre Kinder für ein Taschengeld selber zu betreuen, statt sie in eine Kita zu schicken, wo sie eine viel bessere Förderung erhielten, so das Argument. Eine OECD-Studie bestätigt dies und behauptet, das Betreuungsgeld wirke gegen die Integration, weil es gering-qualifizierte Frauen veranlasse, zuhause zu bleiben. Es ist ein altes Spiel, wenn Experten herangezogen werden, um eigene Vorurteile zu bestätigen. Vor noch dreißig Jahren, als Kinderkrippen verpönt waren, wurden Forscher wie John Bowlby zitiert, die vor einer zu frühen Entfremdung von der Mutter warnten. Solche Kinder seien gefährdet und liefen Gefahr, kriminell zu werden, hieß es.

Tatsächlich wurde damals wie heute die Bedeutung der frühkindlichen Erziehung vollkommen überschätzt. Noch immer ist es eine der hartnäckigsten Ideologien, die jedes Übel – von Fettleibigkeit und Schulversagen bis hin zur mangelhaften Integration – auf eine schlechte Frühförderung zurückführen möchte. Die Vorstellung, dass die frühe Kindheit alles entscheidet, setzt nicht nur Eltern, sondern auch Kitas unter einen unerhörten Erwartungsdruck. Gleichzeitig werden soziale Probleme bagatellisiert. Es wird so getan, als müsse die Politik nur auf Frühförderung drängen, um zum Beispiel Integrationsprobleme zu lösen. Ganz abgesehen von dem bevormundenden Ton, der hier gegenüber türkischen Eltern angeschlagen wird, ignoriert diese Einstellung, dass viele Einwanderer ihre Kinder ohnehin schon längst an deutschen Kindergärten anmelden. Im Unterschied zu früher, geht die Fixierung mit den ersten Lebensjahren eines Kindes heute mit einem tiefen Misstrauen gegen Eltern einher. Noch ein Grund, sich für das Betreuungsgeld einzusetzen.

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