26.12.2009

Avatar, der Mensch und die Büchse der Pandora

Von Johannes Richardt

"Avatar – Aufbruch nach Pandora“ liefert Einblicke in die Zukunft des Kinos: atemberaubende Spezialeffekte, 3-D-Technik und eine gehörige Portion Misanthropie.

Als ich auf meinem Kinosessel Platz nahm, wusste ich noch nicht, dass mich hier mit James Camerons „Avatar – Aufbruch nach Pandora“ zweifelsohne die Zukunft des Blockbusterkinos erwarten würde. Brilliante 3-D-Effekte, die die Zuschauer geradezu in die Leinwand hineinsaugen. Dazu Computeranimationen, bei denen die Grenzen zwischen Realität und Virtualität auf der Leinwand so vollkommen verwischen, dass man sich das ein oder andere mal erstaunt die Gläser seiner 3-D-Brille sauber putzen möchte. Vor allem die faszinierenden technischen Innovationen lassen Avatar zu einem außergewöhnlichen visuellen Erlebnis werden.

300 Millionen Dollar Produktionskosten, 16 Jahre Arbeit und eine extra für den Film entwickeltes Kamera-System haben ihre Wirkung nicht verfehlt. Dieser Film stellt tatsächlich ein völlig neuartiges Filmerlebnis dar, etwas nie zuvor gesehenes, eine echte Kinorevolution. Kurzweilig von der ersten bis zur letzten, der durch eine Pause unterbrochenen, aber keineswegs zu langen 161 Minuten feiert Hollywood hier ein Action- und Effektfeuerwerk ab, was wahrscheinlich noch eine ganze Weile in den globalen Großraumkinos seines gleichen suchen wird. Auch die süße Lovestory zwischen Mensch und Alien geht in diesem Cowboy-und-Indianer-Science-Fiction-Märchen zu Herzen. Und natürlich, so viel sei hier schon mal verraten, gewinnen am Happy(-Ende) wie immer die Guten.

„Popcorn Kino at its best! “, sollte man meinen. Nur. Wer gewinnt wirklich, wenn in Avatar am Ende die Guten gewinnen? Die Menschen jedenfalls nicht. Denn sie werden in „Avatar“ fast ausnahmslos entweder als fiese und technokratische Kapitalisten dargestellt, die gierig hinter irgendeinem sauteurem Mineral her sind und dafür selbstverständlich auch über haufenweise (Alien-)Leichen gehen, oder sie sind grimmige und zu allem bereite Söldner, die ? nun ja ? eben tun, was grimmige Söldner gegen Bezahlung so tun. Skrupellos plündern sie die Ressourcen des paradiesischen Waldplanteten von vorne bis hinten aus. Mit Hilfe der modernen Technik erst einmal aus ihrer Büchse der Pandora entkommen, zerstören, brandschatzen und morden die Menschen alles, was so kreucht und fleucht, in diesem Lichtjahre entfernten Garten Eden.

Die wenigen sympathisch gezeichneten Menschenfiguren im Film könne diesem alles andere als nachhaltigem Treiben natürlich nicht tatenlos zusehen und solidarisieren sich voll und ganz mit den bedrängten Ureinwohner des Planeten. Diese und nicht etwa der homo sapiens sind ganz unzweideutig die Sympathieträger des Films. Als wahrlich edle Wilde leben sie in einem aus New-Age Ratgebern bekannten Gleichgewicht mit der Natur, auf geradezu mystische Weise sind sie mit ihrer Umwelt verbunden. Sie beten eine Muttergottheit an, deren Namen mir gerade entfallen ist, der sich aber ? so erscheint es mir zumindest in der Erinnerung ? irgendwie auf Gaia reimt. Diese nährende Mutter Natur versorgt sie mit allem Notwendigen für ein glückliches und sinnerfülltes Leben.

Es ist mal wieder die leidig bekannte Ökoleier vom bösen Menschen und der guten Natur, die in Avatar eine neue intergalaktisch aufgemotzte Dimension erfährt. Alles Menschliche und/oder Menschengemachte ist Bäh, alles, was irgendwie grün und natürlich daherkommt (in diesem Fall das holistische Ganze des Waldplaneten im Allgemeinen und die darin lebenden Esoaliens im Speziellen), ist Yeah. Und das nervt dann, bei allem Lob für die grandiose Machart und den spannenden Plot, doch ein wenig an diesem Film. Selbst in einem der letzten scheinbar noch verbliebenen Refugien einer hedonistisch, unbeschwerten Konsumkultur, dem Hollywoodblockbusterkino, soll einem jetzt, ob der gezeigten Grausamkeiten der Bestie Mensch, Popkorn und Cola im Halse stecken bleiben.

Der unübersehbare moralisierende (Öko-)Zeigefinger richtet sich auch hier leider allzu plakativ gegen einen ausnahmslos destruktiv gezeichneten modernen Menschen und die von ihm geschaffene technische Zivilisation. Fast könnte man meinen, dass eine Gruppe grüner NGOs vom Kopenhagener Klimagipfel Regie geführt hätte. Ganz dem vorherrschenden misanthropischen Zeitgeist folgend, lautet die unüberhörbare erzieherische Botschaft des Films: Ihr seit alle schlecht! Fühlt euch schuldig, hört endlich auf, euch an der Natur zu versündigen und schraubt vor allem eure Ambitionen hinsichtlich eines besseren Lebens herunter! Begnügt euch mit dem, was euch die Natur zu bieten hat.

Als die Lichter wieder angingen, dauert es ein paar Augenblicke, bis ich diese Eindrücke geordnet hatte. Etwas unsicher blickte ich auf die Menschen um mich herum und suchte nach Indizien für das eben auf der Leinwand gezeigte Zerrbild der conditio humana. Doch alles, was ich sah, waren zufriedene Kinobesucher. Das beruhigte mich irgendwie. Und so beschloss ich auch zufrieden zu sein über eine kurzweilige und grandios bebilderte Cowboy-und-Indianer-Geschichte auf einem fremden Planenten Namens Pandora. Und das bisschen misanthropische Eso- und Ökogedöns. Schwamm drüber.

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