09.07.2015

Atomkraft: Ein Castor in meinem Garten

Von Thilo Spahl

Horst Seehofer will in Bayern keine Castorbehälter mit Atommüll. Thilo Spahl bietet nach sorgfältiger Abwägung der Risiken den Garten seines Ferienhauses als Alternative an. Er zeigt Nutzungsmöglichkeiten auf und erklärt, warum die Suche nach einem Endlager ohnehin sinnlos ist

Weil man sie aus politischen Gründen nicht mehr in Gorleben lagern will, sollen Castorbehälter mit hochradioaktivem Atommüll, die aus der Wiederaufbereitung in England und Frankreich zurückkommen, nun auf vier Standorte verteilt werden. Horst Seehofer will aber aus den üblichen populistischen Erwägungen in Bayern keine haben, bzw. sich nicht zwingen lassen, welche zu nehmen. Wohin also damit? Wie der Zufall es will, habe ich ein Ferienhaus mit großem Garten in Mecklenburg-Vorpommern. Da findet sich für zumindest für einen der doch recht kompakten Container von 6 Meter Länge und 2,5 Meter Breite ein Plätzchen.

Ein paar Unannehmlichkeiten wären damit verbunden. Denn das Ding ist heiß und es strahlt. Man muss also Abstand halten. Am besten mindestens 10 Meter. Dort liegt die Strahlenbelastung bei etwa 10 Mikrosievert pro Stunde. [1] Wäre ich das ganze Jahr rund um die Uhr da, würde ich also etwa 87 Millisievert (mSv) abbekommen. Das ist schon eine ganze Menge, nämlich das 87-fache des in Deutschland geltenden Jahresdosisgrenzwerts von 1 mSv für zusätzliche Strahlung aus künstlichen Quellen. Aber noch vertretbar, würde ich sagen. Denn erstens habe ich ja nicht so viel Urlaub, kann also kaum mehr als 5 Prozent des Jahres im Garten des Ferienhauses zubringen, womit ich schon auf das Belastungsniveau von Piloten absinke. Und zweitens ist das gesundheitlich nur ein bisschen bedenklich. Nach offiziellen Angaben erhöht sich das Krebsrisiko bei Erwachsenen um 4,1 Prozent pro Sievert. [2] Das wäre dann nach 4200 Urlaubstagen der Fall (bzw. später, da die Strahlung ja über die Jahre merklich nachlässt). So viele werde ich wohl nicht mehr erleben.

Ungemütlich würde es natürlich, wenn der Castor kaputt ginge und Plutonium, Neptunium und Co. im Garten herumliegen würden. Hier finde ich aber die Videos auf der Website des Herstellers ganz beruhigend. [3] Testweise wurde schon so einiges mit den Behältern angestellt:  Sturz von einer Autobahnbrücke aus 40 m Höhe, Explosion eines Flüssiggastankwagens mit 5 Tonnen Propan direkt neben einem Behälter, Abwurf von einem Hubschrauber aus 800 m Höhe, direkter Anprall eines Personenzuges mit 130 km/h an die Längsseite eines Behälters, Beschuss eines Behälters mit einer 1000 kg schweren Nachbildung einer Flugzeugturbinenwelle mit 1050 km/h, usw. Ist alles bei mir im Garten eher unwahrscheinlich, und der Castor hat auch alles gut überstanden.

„Ionisationsrauchmelder enthalten radioaktives Material aus alten Brennstäben“

Das Angebot steht. Laut Atomgesetz kommt mein Garten allerdings leider nicht in Frage. Aber es gibt in Deutschland ja noch andere Orte, wo man dafür sorgen kann, dass Leute kein Picknick neben dem Castor machen. Zumal wir es mit überschaubaren Mengen zu tun haben. Pro Bundesbürger entstehen jährlich gerade einmal 5,5 Gramm hochradioaktiver Atommüll. Diesen verpackt man in Castoren und lagert ihn oberirdisch, bis er nach einigen Jahrzehnten so weit abgekühlt ist, dass er in ein unterirdisches Endlager verbracht werden kann.

So wie es aussieht, wird er dorthin aber nie kommen. Einerseits wegen des politischen Hickhacks um des Standort. Andererseits weil schon heute die Technologie existiert, um diesen sogenannten „Müll“ als Brennstoff zu nutzen und in neuen Schnellspaltreaktoren [4] fast rückstandslos aufzubrauchen. Warum sollte man also viel Geld für die Endlagerung ausgeben, wenn man stattdessen Geld mit der Stromerzeugung verdienen kann? Immerhin reicht der vorhandene Atommüll, um die ganze Welt für über 70 Jahre komplett mit Strom zu versorgen, ist also verdammt viel wert. [5] Wenn es soweit ist und die neuen Reaktoren stehen, würde ich meinen Castor nach erfolgreicher Zwischenlagerung für ein hübsches Sümmchen verkaufen können.

Ein Teil des Teufelszeugs wird ohnehin schon im Haushalt eingesetzt. Ionisationsrauchmelder enthalten radioaktives Americium 241, das aus alten Brennstäben von Kernreaktoren gewonnen wird. Die kann sich jeder in die Wohnung hängen, man soll sie aber nicht Kindern zum Spielen geben. Teuer wird es nur, wenn das Haus abbrennt. Wenn in diesem Fall nicht alle Rauchmelder gefunden werden, muss der gesamte Brandschutt nach den EU-Strahlenschutzverordnungen als atomarer Sondermüll entsorgt werden. [6] So entsteht dann natürlich wieder eine ganze Menge neuer Müll, um den man sich große Sorgen machen kann. Wenn man will.

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