16.09.2009

„Atombenzin“ auf dem Vormarsch

Von Günter Keil

"Autos kann man nicht mit Uran im Tank betreiben", meint der SPD-Energieexperte Hermann Scheer. Es geht aber doch, und es ist wie immer eine Preisfrage.

Seit die Debatte um den Kernkraft-Ausstieg durch die nuklearfreundliche Position der EU-Kommission angeheizt worden ist, der Ölpreis bedenklich schwankt und sich der Gasversorger Russland als problematischer Handelspartner entpuppt, hört man in Deutschland wieder alle möglichen Anti-Atom-Argumente, denn nun fürchten die Kernkraftgegner den entscheidenden Dammbruch. Ein für den Laien eingängiges Argument lautet dabei: “Autos kann man ja nicht mit Uran im Tank betreiben” – Originalton des SPD-Energieexperten Hermann Scheer.

Es geht aber doch, und es ist wie immer eine Preisfrage. Mit Windstrom könnte man Wasserstoff per Elektrolyse gewinnen und damit direkt Autos betreiben. Das wäre allerdings astronomisch teuer. Anders sieht es bei der Kernkraft aus: Zwar könnte man mit dessen Strom ebenfalls unsinnig teuren Elektrolyse-Wasserstoff erzeugen. Aber es geht auch besser: Man braucht einen Hochtemperatur-Reaktor (HTR), wie ihn Deutschland entwickelt, stillgelegt und dann an Südafrika verkauft hat. Er kann Prozesswärme bis zu 1000 Grad erzeugen und damit Wasser thermisch aufspalten - und man hat dann preiswerten Wasserstoff. Damit könnte man mit Kohle die altbewährte Kohlehydrierung nach dem Fischer-Tropsch-Verfahren zur Herstellung von synthetischem Benzin anwenden, wie es das Dritte Reich mit seinen Hydrierwerken im großen Stil betrieb.

Südafrika hatte seinerzeit auf den Ölboykott wegen seiner Apartheidpolitik mit der Benzinherstellung nach diesem Verfahren geantwortet. Dort liegt heute das wichtigste Know-how. Nicht überraschend, dass man dort zugegriffen hat, als die Deutschen ihren HTR loswerden wollten. Auch die Kohleländer China und Indien entwickeln ihn, und die USA haben in ihrem Energieprogramm einen Schwerpunkt für die Wasserstoff-Erzeugung mittels HTR gesetzt - ausdrücklich zur Verringerung der Ölimporte. Dort wird man also in etwa 18-20 Jahren “Atombenzin” in den Tank füllen können. Man wird es natürlich nicht so nennen, weil die professionellen Panikmacher dann behaupten würden, dass es strahlt. Man wird es deshalb wohl eher still und unauffällig beimischen.

Deutschland dagegen wird bis dahin voraussichtlich weiterhin teuer Erdöl aus dem Nahen Osten kaufen und anschließend noch einmal Kohlenstoff-Strafgebühren für dessen Verbrennung bezahlen. Gutmensch zu sein ist eben nicht billig.


Dr. Günter Keil war als wissenschaftlicher Mitarbeiter an der TU München / Fraunhofer Gesellschaft sowie im Bereich Projektförderung beim Bundeforschungsministerium tätig. Heute lebt er als freier Autor in Sankt Augustin. In Novo89 ist von ihm zuletzt die Glosse „Mega, Mikro, Giga, Gago, Nano – Pisa“ erschienen.

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