25.03.2015
Alkohol: Ein Prosit auf den Trunk
Kommentar von Christoph Lövenich
Zunehmend denkt man darüber nach, den nächtlichen Alkoholverkauf zu verbieten. Auch beim Thema Alkohol nimmt die Obrigkeit einen kräftigen Schluck Paternalismus zu sich. Christoph Lövenich kommentiert den wenig maßvollen Umgang mit Alkoholregulierung
„Warum ist Alkohol erlaubt?“, fragte jüngst die Schlagzeile in einem Online-Medium [1] mit empörten Unterton, als sei es heute schon erklärungsbedürftig, dass man überhaupt noch etwas darf. Im Artikel rät ein weißbekittelter Professor, doch mindestens zweimal pro Woche auf alkoholische Getränke zu verzichten. Das ist gleich doppelt so oft wie ein einzelner Veggie Day.
Gefährlich sei es, so der nächste angeführte ‚Experte‘, „regelmäßig Alkohol in immer höheren Dosen“ zu trinken. Puh, da bin ich aus dem Schneider, da ich mir mein Bier stattdessen lieber aus Flaschen und Gläsern genehmige. Schöne Formulierung übrigens – der Deutsche „genehmigt“ sich einen Schluck oder einen Bissen. Da sitzt uns der preußische Beamtenstaat in den Knochen. Immerhin geht dieser Gedanke noch davon aus, dass man sich selbst dergleichen bewilligen kann, dass man seine eigene Genehmigungsbehörde verkörpert, und nicht andere die Zuständigkeit für Entscheidungen, die einen unmittelbar betreffen, für sich reklamieren können.
Energy Drinks erst ab 18, höhere Steuern auf fleischliche Lebensmittel, keine Süßigkeiten an der Supermarktkasse – so lauten aktuelle Verbotsforderungen aus der Bundespolitik. Kein Wunder, dass auch alkoholische Getränke seit Jahren im Fokus des zeitgenössischen Paternalismus stehen. Dämonisierung und Diskriminierung: Was beim Tabakrauchen so wunderbar klappt, verlangt eben nach Nachahmung auf Nachbarfeldern. Alkoholverbote auf öffentlichen Plätzen, Verbote von Flatrate-Tarifen in Gaststätten, zeigefingerschwingender Präventionshokuspokus – all das gehört vielerorts auch in Deutschland schon zu den Gegebenheiten, obwohl es vor zehn Jahren noch undenkbar war. In Berlin will man gar ein ganzes traditionelles Straßenfest verbieten, weil dort zu tief ins Glas geschaut werde. [2]
„Schon Mein Kampf enthielt eine Lobhudelei der Alkoholprohibition“
In der Hauptstadt wird auch – aller Schwabenphobie zum Trotz – eine Nachahmung des baden-württembergischen Alkoholverkaufsverbots an Kiosken und Tankstellen von 22 bis 5 Uhr diskutiert. [3] Einer Studie zufolge soll dadurch die Zahl der Alkoholvergiftungen bei jungen Leuten um sieben Prozent zurückgegangen sein – kurioserweise sind aber bundesweit, also nicht nur im Ländle, 2013 die einschlägigen Krankenhausbehandlungen von Kindern und Jugendlichen um 13 Prozent gesunken. [4] Davon abgesehen: Bei dem überwiegenden Teil dieser Krankenhauseinlieferungen handelt es sich um Vollräusche, die der Nachwuchs früher noch einfach zu Hause ausgeschlafen hat.
Vor der Alkoholprohibition in den USA waren es noch prügelnde Ehemänner, Geisteskrankheiten und die Kriminalität im Allgemeinen, die man dem Teufel Alkohol anlastete, heute sind es Verkehrstote, besinnungslose Jugendliche und Suchtklinikinsassen. Statt die Verantwortung von Menschen für ihr individuelles Verhalten, z.B. im Straßenverkehr, ernst zu nehmen, will man die Sündenböcke Bier, Schnaps und Wein an den Pranger stellen. Und teils sind dabei dieselben Organisationen wie damals am Werke: Etwa der Guttempler-Orden, eine Abstinenzlersekte, die nicht nur in den USA des 19. Jahrhunderts tätig war, sondern auch hier und jetzt Einfluss auf die politischen Vorstellungen z.B. der staatlich geförderten Deutschen Hauptstelle für Suchtfragen (DHS) ausübt. Die DHS wird übrigens demnächst wieder eine „Aktionswoche Alkohol“ [5] veranstalten, um sich „der bekannten Alkoholkatastrophe“ [6] zu widmen. Die DHS war vor mehreren Umetikettierungen ursprünglich als „Reichsstelle gegen die Alkohol- und Tabakgefahren“ unter dem Reichsgesundheitsführer Ende der 1930er Jahre gegründet worden. Schon „Mein Kampf“, enthielt übrigens eine Lobhudelei der Alkoholprohibition. [7]
Die heutige Zeit ist durch eine orientierungslose Politik und eine Neigung zur Bevormundung individueller Lebensweisen als kleinstem gemeinsamen Nenner geprägt. Sie bietet wieder Raum für eine Alkoholpolitik, die man nüchtern kaum ertragen kann. „Alkohol“ – übrigens ein arabisches Wort. Und beim Islamischen Staat ist die Substanz strengstens untersagt. Lasst uns daher zur Rettung auch des Morgenlandes weiter saufen. Hopfen und Malz – Allah erhalt’s. Oder wie es beim großen Frankfurter Dichter Robert Gernhardt heißt: „Da kommt ein Bier? Das nehmen wir!“