14.11.2008

Abenteuerspielplatz Gorleben

Von Thilo Spahl

Die Stimmung, hört man, war bestens, als die Castor-Gegner Anfang November vor der Einfahrt des Zwischenlagers in Gorleben von Polizeihänden in Samthandschuhen weggeräumt wurden. Ich kann es irgendwie nachvollziehen.

Viele von ihnen würde ich wahrscheinlich auch auf den Revival-Tourneen der Rockbands aus den 70er- und 80er-Jahren antreffen, wenn ich hinginge. Man erzählt sich Geschichten aus den Zeiten, als man noch jung und kampfbereit war, und lässt sich in aller Ruhe wegtragen, während man sich der Sympathie auch der Auftraggeber der Wegträger in den Regierungsämtern sicher sein kann.

Es herrscht wenig Harmoniebedürfnis, aber doch viel behagliche Harmonie bei allen Beteiligten des Rituals. Die Polizisten verrichten ihre Arbeit wie die Maurer. Es gibt keine Steine zu tragen, sondern Protestierende. Es gilt, Traktoren und Betonklötze wegzuräumen. Sie haben die schwerere Arbeit, aber sie murren nicht. Denn die Stimmung ist entspannt. Aufseiten der Demonstranten ist weniger körperliche denn Redearbeit gefragt. Sie sind beschäftigt, sich zu loben. Schwer zufrieden sind sie, dass sich der Transport dank ihrer mutigen Aktionen um mehrere Stunden verspätet. Und dafür, dass sie wieder so kreativ waren in ihrem Widerstand, dass sie tolle Clownskostüme mitgebracht haben und zu Klängen von Dudelsack, Trommel und Akkordeon auf den Schienen tanzten. Ihr Ziel? Was war es doch gleich? Ach ja, sie wollen kein Endlager. Sie wollen lieber, dass der Atommüll weiterhin neben den AKWs rumsteht. Warum das besser ist? Ich glaube, sie können sich nicht erinnern. Es ist ja schon so lange her, dass man sich das Ziel ausgedacht hat.

Ein Eimer Erbsen mittelfein
steht mahnend auf der Autobahn.
“Woran gemahnt er? Wovor warnt er?”
Vor dem Atomtod.
“Ach so.”
(Max Goldt, 1983)

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