09.11.2011

Energievernichtung im Namen der „Energiewende“

Kurzkommentar von Günter Keil

Hybridkraftwerke werden wegen ihrer angeblichen Fähigkeit, überschüssigen Strom „erneuerbarer Energiequellen“ zu speichern, als wichtiger Baustein der „Energiewende“ genannt. Dabei sind deren Verluste enorm. Über einen weiteren Irrweg aktueller deutscher Energiepolitik

In Fernsehnachrichten und Zeitungsartikeln wurde Ende Oktober ein Wasserstoff-Hybridkraftwerk beschrieben, das im brandenburgischen Prenzlau in Gegenwart von Ministerpräsident Matthias Platzeck ans Netz ging. Überschüssiger Windstrom aus den zahlreichen Windparks der Uckermark wird darin zur Wasserstoff-Erzeugung benutzt. Danach wird mit dem gespeicherten Wasserstoff in einem Gasmotor wieder Strom erzeugt, der bei Bedarf ins Netz zurück gespeist wird. Aber was bedeutet hier „gespeichert“? Gespeichert heißt: Der Löwenanteil des von Windkraftanlagen gelieferten Stroms muss von der Speicheranlage wieder als Strom ins Netz zurückgegeben werden – andernfalls wäre der angebliche Speicher nur ein Vorratsbehälter mit ziemlich großen Löchern.

Bei der Umwandlung der hochwertigsten Energieform „Elektrischer Strom“ in eine minderwertigere Form – zum Beispiel ein Brenngas – kommt es auf Grund physikalischer Gesetzmäßigkeiten zwangläufig zu Energieverlusten. Will man danach mit diesem Gas wieder Strom erzeugen, gibt es noch viel größere Verluste. Und an mehreren Stellen in dieser Anlage lauern weitere Verlustquellen. Eine Auto-Bleibatterie gibt ca. 70% des Ladestroms wieder zurück; auch ein großes Pumpspeicherkraftwerk hat den einen Speicher-Wirkungsgrad von 70%. Diese Zahl ist die wichtigste Effizienzangabe für einen Stromspeicher. Alles, was unter 60% liegt, bedeutet hohe Energieverluste und ist deshalb nur bedingt brauchbar.

Weder die Zeitungsartikel noch die begeisterten TV-Berichte enthielten irgendwelche Angaben zu dieser entscheidenden Kennzahl – der Grund dafür zeigt sich beim Nachrechnen: Die Umwandlung des Windkraft-Wechselstroms in Gleichstrom für die Druckelektrolyse beschert 10% Verluste; die Wasserstofferzeugung durch Elektrolyse verursacht 25% Verluste und der Gasmotor, der wieder Strom aus dem Wasserstoff erzeugt, hat 70% Verluste. Im Stromgenerator hinter dem Gasmotor gehen noch mindestens weitere 5% der Energie verloren. Multipliziert man diese Wirkungsgrade der Prozesskette (0,9 – 0,75 – 0,3 – 0,95) und vernachlässigt Leckagen und weitere Anlagenverluste, dann ergibt sich ein Speicher-Wirkungsgrad von knapp 19% bzw. ein Gesamtverlust von mindestens 81%! Der ohnehin nicht billige Windstrom – die Kilowattstunde kostet gemäß der Abnahmeverpflichtung nach dem EEG 9,2 bis 15 Cent – ist dann nach dieser Speicherung fünffach teurer geworden. Beim noch viel teureren Solarstrom – nach dem EEG kostet die kWh 24,4 Cent – kommt dann die aus dem Hybridkraftwerk wieder herauskommende Kilowattstunde über 1,20 Euro. Das sind die reinen Gestehungskosten, zu denen dann noch Netzkosten hinzukommen. Vier Fünftel der aufwendig produzierten elektrischen Energie werden dann in minderwertige Abfallwärme verwandelt. Diese Anlage ist deshalb kein Stromspeicher, sondern eine teure Energievernichtungsanlage. Ein Student der Elektrotechnik würde für einen solchen in einer Seminararbeit präsentierten Vorschlag erheblichen Ärger bekommen.

Wieder einmal zeigen sich die Folgen des ideologischen Zwangs, aus jeder Kilowattstunde des unzuverlässigen „grünen“ Wind- und Solarstroms um buchstäblich jeden Preis wieder Strom erzeugen zu wollen. Falls viele dieser Anlagen mit selbstverständlich massiver öffentlicher Förderung errichtet werden sollten – die Medienberichterstattung, etwa in Spiegel, Focus oder SZ, lassen das befürchten –, dann steigt der Strompreis noch schneller. Denn natürlich werden die enormen Kosten dieses Ökostrom-Restes nach seiner Wiedereinspeisung ins Netz den Verbrauchern aufgebürdet. Dieser Anlagentyp wäre dann nicht etwa ein Baustein für die Energiewende, sondern ein Sargnagel.

Wie es bei der Speicherung stark schwankender Stromeinspeisungen ins Netz vernünftiger gehen könnte, machen uns die Holländer vor: Sie benutzen über ein Seekabel norwegische Pumpspeicherkraftwerke als Speicher für ihren Windstrom. An einem ersten derartigen Projekt arbeiten auch die Deutschen. Allerdings möchten auch alle anderen Nordsee-Anrainerstaaten, die Windparks betreiben, in gleicher Weise vom norwegischen Angebot profitieren, wobei es auch noch recht unklar ist, ob dort ausreichend Pumpspeicherwerke existieren. Denn die nur mit dem Gefälle arbeitenden Wasserkraftwerke, von denen die Norweger zahlreiche besitzen, sind beileibe keine Pumpspeicherwerke. Dabei liegt der Speicherwirkungsgrad dieses Systems, zu dem auch eine Hochspannungs-Gleichstromübertragung (HGÜ) gehört, bei ca. 58–60%. Das ist nicht überwältigend, aber jedenfalls nicht so absurd niedrig wie beim Prenzlauer Hybridkraftwerk. Eine weniger unsinnige Alternative zu dieser Anlage wäre ihre Halbierung: Die Beschränkung auf die Wasserstoffproduktion aus Windstrom und die Vermarktung des Gases als Brennstoff oder Chemierohstoff. Dazu müsste zuvor geklärt werden, ob es dafür einen ausreichenden Markt gibt.

Es gibt im Übrigen in Deutschland sehr leistungsfähige Großkraftwerke, die zu einer erstaunlich raschen Leistungsänderung befähigt und damit – im Gegensatz zu den viel langsameren Kohlekraftwerken – die idealen Regelkraftwerke für stark schwankende Stromeinspeiser wie Windparks sind – beziehungsweise waren: Die Kernkraftwerke. Aber diese Stabilitätsgaranten für das Stromnetz schalten wir ja jetzt ab.

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