01.03.2002

Zur Sache 8

Von Thomas Deichmann

Elternparanoia...

... ist nicht etwa als Vorwurf gegen Eltern zu verstehen, sondern als Beschreibung eines morbiden gesellschaftlichen Klimas, das Eltern beim Großziehen ihrer Kinder permanent verunsichert und geradezu paranoid werden lässt. Der Novo-Titel stammt von dem neuen Buch unseres Autoren Frank Furedi. Er analysiert darin die Dynamik und die Problematik dieses Phänomens. Wer meint, die Situation sei hierzulande noch nicht ganz so schlimm wie in England, mag recht haben. Aber die Beraterindustrie, die vorgibt, besser über Kindererziehung Bescheid zu wissen als Eltern, ist überall auf dem Vormarsch. Die »Schrecken der PISA-Studie« haben in Deutschland zahllose neue Experten auf den Plan gerufen. Die Regierung hat angekündigt, ihnen den Rücken zu stärken – und Eltern ins Handwerk zu pfuschen. Auch die Unionsparteien fordern im familienpolitischen Wahlkampfkonzept die »Stärkung der Erziehungskompetenz«, sprich neue Beratungsangebote an allen Ecken und Enden. Was davon zu halten ist, erfahren Sie in Furedis Buch, das ab sofort auch über dieser Website geordert werden kann. Einen Vorgeschmack darauf und ein Interview mit dem Autor finden Sie in dieser Novo-Ausgabe.

»Gefährdet ist die Meinungsfreiheit immer, wenn man sie am dringlichsten braucht«, bemerkte kürzlich Roger Willemsen in einem geistreichen Beitrag über die Rolle der Medien in Zeiten militärischer Konflikte (FASoZ, 17.2.02): »Jetzt endlich kommt dem Journalisten eine wahrhaft bewußtseinsbildende Rolle zu. Er begleitet die Gewalt der Praxis mit der Gewalt der Worte, spannt Bögen über die Toten und die Mundtoten.« Mit Blick auf den letzten Feldzug gegen Afghanistan schrieb er: »In keinem großen europäischen Land war… die kriegsbegleitende Publizistik so rasch so uniform und so voller Haß auf die Skeptiker wie in Deutschland, wo man sich… in der Pflege eines supranationalen Patriotismus hervortat.« Dazu passe, dass der Springer-Konzern das Bekenntnis zur Solidarität mit den USA in die Arbeitsverträge seiner Journalisten übernahm. Ganz ähnlich verlief die Berichterstattung zu vorangegangen Konflikten. Und die »Gewalt der Worte« und die journalistische Meinungsmache präsentieren sich auch aktuell wieder in der Schauberichterstattung über das Verfahren des UN-Tribunals gegen den Ex-Präsidenten Jugoslawiens Slobodan Milosevic. Mit vereinten politischen und journalistischen Kräften wird in Den Haag das einfältige Bild der serbischen Aggression und Alleinschuld am Balkankonflikt samt angeblichen Genoziden und KZs verewigt und das NATO-Bombardement von 1999 erneut als Akt der Nächstenliebe zelebriert. Jede Äußerung Milosevics wird kurzerhand als »Diktator«-Spinnerei abgetan und so der gewünschte Prozessausgang heimgeleuchtet. Was immer man von Milosevic halten mag: mit den hehren Zielen des Journalismus hat diese Art von Berichterstattung nichts zu tun. Den Gipfel der Verbiegsamkeit lieferte die WDR-Chefredaktion. Sie attackierte Milosevic und zeigte sich moralisch korrekt entrüstet, weil jener den Richtern einen Monitor-Beitrag vorführte, in dem die Kosovo-Lügenkonstrukte Scharpings und anderer Politiker (über die auch Novo berichtete (http://www.novo-magazin.de/45/novo4538.htm) beleuchtet wurden. Willemsens Kommentar über die Gefährdung der Meinungsfreiheit trifft offenbar auch für den »liberalen« WDR zu, wenn’s hart auf hart geht. Dass die UN-Anklägerin Del Ponte derweil täuschende ITN-Aufnahmen (http://www.novo-magazin.de/itn-vs-lm/index.htm) von angeblich mit Stacheldraht umzäunten KZs in Bosnien im Gerichtsaal vorführen darf, erscheint als Selbstverständlichkeit.


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Thomas Deichmann

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