01.11.1999

Zur Sache

Von Thomas Deichmann

Zahlenspiele. Leiterartikel der Novo-Ausgabe 43.

Eigentlich sollte das Erreichen der Sechs-Milliarden-Grenze der Erdbevölkerung Anlass zum Jubeln sein und nicht zum Klagen, meint NOVO-Autor Frank Füredi. Doch mit solchem Zukunftsoptimismus stehen Leute wie er am Ende des Millenniums allein auf weiter Flur. Das Geschäft mit apokalyptischen Horrormeldungen boomt weiter. Heute bedrückt die vermeintliche Überbevölkerung die Alarmisten-Gemüter. Dabei zeigt eine nüchterne Betrachtung der Lage, dass auch das Gerede um die Sechs-Milliarden-Problematik heiße Luft ist. Auch ohne UN-Bevölkerungsprogramme sinken weltweit die Geburtenraten. Legt man niedrige Schätzungen zugrunde, so wird die Erdbevölkerung etwa ab dem Jahre 2035 wieder schrumpfen. Auch bei den mittleren Schätzungen wird die Wachstumskurve bald in die Horizontale übergehen. Von den hohen UN-Schätzungen kann getrost abgesehen werden, denn sie dienen primär als alarmistische Begründung, die eigene Bevölkerungskommission nicht auflösen zu müssen.
Selbst wenn die Erdbevölkerung weiter anwüchse: warum sollte das automatisch zur Apokalypse führen? Der angebliche Zusammenhang zwischen Armut und Bevölkerungswachstum ist längst widerlegt. Und Platz gibt es auf diesem Planeten noch reichlich. Man bedenke: Siedlungen (das sind Straßen, Gebäude, Industrielagen usw.) belegen heute nur 0,36 Prozent der Kontinente und Inseln. 60 Prozent der Menschen konzentrieren sich auf 10 Prozent der Landfläche. Hingegen werden 40 Prozent der eisfreien Landfläche landwirtschaftlich genutzt, ein Drittel für Acker, der Rest als Weidefläche zumeist für Rinder und Schafe. Warum die Bevölkerungslobbyisten es dennoch nicht lassen können, die Menschen in Asien, Afrika und Lateinamerika mit Geburtenkontrollprogrammen zu überhäufen, lesen Sie ab Seite 12.

Während die einen im globalen Maßstab vor zu viel Mensch warnen, lamentieren die anderen übers Gegenteil. Die Bevölkerung in Deutschland wird bis 2050 deutlich sinken, konstatierte kürzlich das DIW. Ähnlich ergeht es unseren europäischen Nachbarn. Problematisiert wird bei diesbezüglichen Zahlenspielen vor allem das Anwachsen des Anteils der Älteren. Dabei sind solche Verschiebungen in der Alterspyramide nichts Neues. Im Laufe des Jahrhunderts hat sich der Anteil der Älteren verdreifacht. Gleichzeitig haben die industrialisierten Länder einen enormen Wohlstandzuwachs durchlebt, weshalb man sich um die Alterung bislang keine Sorgen machte. Eine schlüssige Antwort auf die Frage, warum dieses Phänomen ausgerechnet heute an den Grundfesten unserer Gesellschaften rütteln soll, bleiben die großen Warner vor der ”demografischen Zeitbombe” schuldig. Mehr zu dieser Variante düsterer Zahlenspiele erfahren Sie von NOVO-Autor Phil Mullan ab Seite 16.

Mittel zur Finanzierung des Rentensystems ließen sich vielleicht aus dem Geschäft mit dem deutschen Müll abziehen – ein äußerst fragwürdiges und lukratives zugleich, wie unser Autor Gunnar Sohn ab Seite 44 ausführt. Die Betreiber des Grünen Punkts warten alljährlich mit Müllmengen auf, für die sie horrende Summen kassieren, die aber gar nicht stimmen können, so die Meinung von Experten. Fazit: Es scheint, als habe sich das Duale System Deutschland am Grünen Punkt eine goldene Nase verdient, indem es für ein und denselben Müll mehrmals kassierte.

Eine anregende Lektüre und einen guten Rutsch ins nächste Jahrtausend wünscht


Thomas Deichmann
Chefredakteur

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