01.11.2003

Zukunft? Abgesagt. Zu gefährlich!

Analyse von Sandy Starr

Ist das Weltraumzeitalter bereits Geschichte? Zwei neue Publikationen behandeln diese Frage aus unterschiedlichen Perspektiven.

Der Abschlussbericht der Untersuchungskommission zur Explosion der US-Weltraumfähre Columbia im Frühjahr 2003 (Columbia Accident Investigation Board – CAIB) untersucht die spezifischen Gründe des Unfalls, aber auch den Einfluss auf das Weltraumprogramm insgesamt. Sean Tophams Buch Where’s My Space Age? The Rise and Fall of Futuristic Design betrachtet hingegen die Erkundung des Weltraums durch das kulturelle Prisma – jener Kultur also, der die Errungenschaften des Weltraumzeitalters Vorschub leisteten – sowie die Art, wie diese im heutigen Kulturverständnis verankert sind.
Beide Publikationen illustrieren, wie optimistisch und zukunftsgerichtet die Weltraumerkundung in der Blütezeit der 60er-Jahre gesehen wurde. Der Bericht des CAIB erläutert, wie die „Apollo-Ära eine außergewöhnliche ‚Alles-ist-möglich-Kultur’ schuf, gekennzeichnet durch Hartnäckigkeit angesichts scheinbar nicht zu bewältigender Herausforderungen… Diese Kultur akzeptierte Risiko und Scheitern als unvermeidbare Aspekte im Rahmen von Weltraumoperationen.“
Sean Topham beleuchtet, welchen positiven Einfluss die Erkundung des Weltraums auf unterschiedliche Bereiche hatte, wie „die spektakulären und erfolgreichen Weltraumerkundungen und der Einsatz neuer, bislang unerprobter Mittel ... auch zu Experimenten in anderen Lebens- und Kreativitätsbereichen ermutigte, [weil] das allgemeine Gefühl vorherrschte, dass, wenn der Mensch ins All reisen könne, alles möglich sei“.

Ein melancholisches Thema von Tophams Buch ist die abrupte Art und Weise, mit der die hoffnungsvolle Ära der bemannten Raumfahrt ein Ende fand. Bis heute war der Start von Apollo 17 im Jahre 1972 die letzte bemannte Mission zum Mond. Bis dahin hatte es Pläne und Gerüchte gegeben, „Kolonien auf dem Mond zu errichten und Reisen zum Mars zu veranstalten. Die Technologie, die für Weltraumexkursionen sorgte, würde auch die Hauptprobleme auf Erden lösen helfen.“ Selbst als diese Ära sich dem Ende zuneigte, orakelten Experten, das Apollo-Programm sei „nur der Vorbote eines Mondbasis-Programms sowie der Errichtung menschlicher Kolonien auf dem Mond. Diese Pläne wurden jedoch nie Wirklichkeit… Der Mond wurde aufgegeben. Die Zukunft wurde abgesagt.“

Die großartigen Errungenschaften dieses Zeitalters waren von massiver staatlicher Unterstützung abhängig, einer Bereitschaft, erhebliche Risiken auf sich zu nehmen, sowie der amerikanisch-sowjetischen Rivalität des Kalten Krieges. Wechselnde Regierungen und veränderte politische Prioritäten führten zur Reduzierung der bemannten Weltraumerkundung.

Das Challenger-Desaster von 1986 führte schließlich zu einer weiteren Abwertung der Raumfahrt. Der CAIB-Bericht unterstreicht, wie ehrgeizig die Pläne für fortschrittlichere, mehrfach verwendbare Fahrzeuge wie das National Aerospace Flugzeug waren, wie sie aber trotz anderslautender Ankündigungen in den 90er-Jahren endgültig auf Eis gelegt wurden.

„Das Problem der NASA ist nicht ihr übertriebener Ehrgeiz. Problematisch sind vielmehr ihre in den vergangenen Jahrzehnten lau gewordenen Visionen.“

Bei der Schuldfrage im Columbia-Desaster ist der CAIB-Bericht nicht eindeutig: Zum einen wird die NASA wegen ihres überzogenen Ehrgeizes, zum anderen die US-Regierung wegen ihres Mangels an Weitsicht und Investitionen kritisiert. Zuweilen tendiert der Bericht zu stark dazu, die NASA zu beschuldigen: „Die NASA war in den 90er-Jahren nicht mehr in der Lage, ihre Projekte mit der gleichen Dringlichkeit zu rechtfertigen, wie dies der Kampf der Supermächte ermöglicht hatte; es fiel ihr schwerer, höhere Budgets zu rechtfertigen. Anstatt ihre Ambitionen der neuen Situation anzupassen, fuhr die NASA mit ihrem ehrgeizigen Weltraumwissenschafts- und Erkundungsprogramm fort.“ Das Problem der NASA ist jedoch nicht ihr übertriebener Ehrgeiz. Problematisch sind vielmehr ihre in den vergangenen Jahrzehnten lau gewordenen Visionen.

Indem er das kritisiert, was die NASA eine „mächtige, menschliche Weltraumflugkultur“ nennt, droht der CAIB-Bericht die NASA zu neutralisieren; anstatt spezifische Sicherheitsvorschläge zu machen, zielt er auf die generelle Bereitwilligkeit der Organisation, Risiken zu tragen. In vernunftbegabteren Momenten erkennt der Bericht an, dass „Organisationen, die mit hochriskanter Technologie umgehen, nicht bis in alle Ewigkeit eine unfallfreie Leistung erbringen können“ und dass „jegliche Luftfahrt ein gewisses Risiko beinhaltet, was schon vor den Tagen der Gebrüder Wright der Fall gewesen ist“.

Erst wenn Risiken durch ungenügende Investitionen entstehen und nicht wegen geistiger Höhenflüge, werden sie unakzeptabel. Der Bericht weist darauf hin, dass der Erfolg der NASA, bedingt durch die neue Kurzfristigkeit der Weltraumprogramme, daran gemessen wurde, wie viele Kostenreduktionen es gab und wie effizient Zeitpläne eingehalten wurden, wobei wir, realistisch betrachtet, „den Weltraum nicht auf Fixkostenbasis erkunden können“.

In Where’s My Space Age? weist Topham darauf hin, dass Risikobereitschaft und die Entwicklung ehrgeiziger Technologien für die bemannte Raumfahrt schwerlich mit den modernen Attitüden der Vorsicht und der Anfeindung von Pioniergeist in Einklang zu bringen sind. Während jedoch einige seiner Beobachtungen sehr scharfsinnig sind, tendiert Topham dazu, die Geschichte von hinten aufzurollen. So betont er etwa in seiner Abhandlung über die Apollo 8-Mission von 1968: „Die Bilder, die von der Mondumlaufbahn aus von der Erde gemacht wurden, gaben der wachsenden Umweltbewegung ein mächtiges Symbol an die Hand. Sie zeigten die Erde als blühendes, jedoch verletzliches Objekt gegenüber dem ausgedehnten Nichts.“ Dies ist eine zutiefst moderne Interpretation – in früherer Zeit war die „Ausdehnung des Nichts“, das uns umgibt, sehr wohl in der Lage, neben Ängsten auch den Wunsch zu wecken, neue Welten zu entdecken.

An anderer Stelle behauptet Topham, dass „das Idealbild dieser Zeit die Vorstellung einer Gesellschaft mit keinerlei Verantwortung war, wo tägliche Aufgaben automatisiert waren und alle Produkte Wegwerfartikel“ – warum „keinerlei Verantwortung“ und nicht „maximale Bequemlichkeit“? Zudem argumentiert er, dass das „Weltraumzeitalter aus allen Kinder machte: Null Schwerkraft verursachte auf Erden einen Zustand von Null-Wissen, da wir unseren unbedeutenden Platz im Universum akzeptieren mussten.“ Man fragt sich: warum „unbedeutend“ und nicht „einzigartig“?

„Der Weltraum lässt sich nicht auf Fixkostenbasis erkunden.“

Etwas fundierter wird Topham, wenn er die Interpretationen der Raumfahrt im Rahmen von Kunst und Kultur der Gegenwart kommentiert. Weit davon entfernt, das Weltraumzeitalter als Manifestation der ewigen menschlichen Suche nach Abenteuer und Erleuchtung zu betrachten, erachten moderne Künstler und Kommentatoren diese Ära als exzentrische kulturelle Phase, vergleichbar den Batik-Shirts oder den Vulkanlampen. Der Optimismus dieser Zeit scheint den zeitgenössischen Künstlern befremdlich. In ihren Werken werden, wie Topham beschreibt, „die heroischen Bilder von Astronauten und Kosmonauten im Weltraum in schlaffe, leere Hüllen verkehrt“, während „Pillen nicht dazu angetan sind, einen geschäftigen, modernen Lebensstil zu unterstützen – sie sind Werkzeuge für das Überleben in Extremsituationen… Raketen sind ausgestattet mit Nahrung und Wasser und garantieren einen sicheren Schutz vor den Nachwirkungen der Apokalypse einer nuklearen Explosion.“

Moderne Kunst behandelt die Erkundung des Weltraums oft auf eine spöttische und spielerische Weise, symptomatisch für unsere schwindenden Hoffnungen darauf, die Sterne zu erobern. Im Jahr 1999 veröffentlichte die Künstlerin Aleksandra Mir ihr „Happening“ mit dem Titel „Die erste Frau auf dem Mond“, für das, wie Topham zu berichten weiß, „ein Strand bei Wijk aan Zee in den Niederlanden von Grabgeräten in eine Kraterlandschaft verwandelt“ wurde und Teilnehmer „ihre eigene Mondlandung nachempfanden, während Kinder zwischen gigantischen Sandburgen spielten“.

Die ursprüngliche Weltraumfahrt scheint dem kulturellen Kitsch anheim gefallen zu sein. In Abwesenheit bedeutender staatlicher Unterstützung müssen sogar Pioniere der wahren Weltraumerkundung ihre Arbeit in ein kulturelles Gimmick ummünzen, um Investitionen und Publicity zu erhalten. Topham beschreibt, wie die „Beagle 2“-Sonde, gegenwärtig unterwegs zum Mars, sich wie ein Stück von Cool Brittania präsentiert: „Blur komponierte einen Track, der auf einer mathematischen Sequenz basierte und als Rufzeichen fungieren soll, sobald die Beagle gelandet ist. Ein pointillistisches Gemälde von Damien Hirst wird als Instrumentenkalibrierungs-Karte genutzt, um sicherzustellen, dass nach dem Aufsetzen alles in Ordnung ist.“

Anstatt das Weltraumzeitalter für seine Verdienste um die Menschheit zu schätzen, sieht Topham die Errungenschaften dieser Zeit durch die Assoziationen mit dem Kalten Krieg als belastet, und er kommt zu dem Schluss, dass „es wundervoll wäre, das Zeitalter der Raumfahrt mit unschuldigen Augen zu betrachten und einfach nur von dem Spektakel überwältigt zu sein, aber die dunkle Geschichte, die hinter dem großartigen Experiment steht, wird auf ewig diese Sensation überschatten.“

Aber liegt das „großartige Experiment“ tatsächlich hinter uns? Während der Bericht des CAIB viele Aufrufe nach Sicherheit und Vorkehrung enthält – nachvollziehbar, bedenkt man die Katastrophe, die ihm zu Grunde liegt –, versichert er auch, dass alle Mitglieder des CAIB darin übereinkommen, dass Amerikas künftige Weltraumvorhaben die menschliche Präsenz im Orbit der Erde – und eventuell weit dahinter – beinhalten müssen. Um dies wahrzumachen, müssen diejenigen, die vorangehen wollen, die politischen Restriktionen in Frage stellen, die von unseren vorsichtigen Leitfiguren – die trotz all ihrem Gerede darüber, zu den Sternen zu reisen, risikoscheu bleiben – den Weltraumprogrammen auferlegt werden. Je eher die Lanze für die bemannte Raumfahrt gebrochen wird, desto eher mag sie uns alle wieder inspirieren.

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