01.09.2000

Zuhälter unter sich

Eine Satire von Sinasi Dikmen.

Viele der Leser und Leserinnen von Novo werden die KÄS wahrscheinlich kennen. Dort, von der Bühne aus links, gleich am ersten Tisch, saßen die beiden: auffällig, südländisches Äußeres, mit vielen goldenen Ringen an den Fingern und dicken Ketten um den Hals, auch die aus Gold. “Um Gottes Willen”, dachte ich mir, als ich sie sah, “zwei Zuhälter. Hoffentlich benehmen sie sich anständig.” Der Schauspieler kann sich sein Publikum nicht aussuchen ...

Nach der Vorstellung sprachen sie mich an, luden mich zu sich ein. Ich holte mir ein Glas Wein und setzte mich zu ihnen. Der eine gratulierte mir: “So viel gelacht habe ich schon lange nicht mehr. Ich danke Ihnen, Bruder. Bruder nenne ich Sie deshalb, weil Sie und ich in der gleichen Branche arbeiten: Wir sind beide Zuhälter.” – Ich habe in meiner Laufbahn schon viele Komplimente und viel Kritik gehört, Lob und Tadel, aber dass ich ein Zuhälter sei, das hatte noch keiner gesagt. “Sie sind sauer auf mich”, kommentierte mein Gesprächspartner meine Irritation, “aber sehen Sie: Sie betreiben eine Dienstleistung, und das tun wir auch. Ebenso wenig wie Sie können wir uns unser Publikum aussuchen. So wie Sie heilen wir kranke Seelen. Wie Sie profitieren wir von der Unfähigkeit der Menschen. Gut, Sie machen keinen Unterschied zwischen Mann und Frau, wir schon ein wenig. – Macht Ihnen Ihr Beruf denn Spaß?” “Selbstverständlich”, antwortete ich. “Uns aber macht Ihr Beruf keinen Spaß”, ließ nun der andere vernehmen. “Ihnen wird er auch nicht mehr lange Spaß machen, wenn Sie weiterhin so vehement gegen die Deutschen und die deutschen Gewohnheiten opponieren. Sie sägen den Ast ab, auf dem wir Ausländer alle sitzen.” “Ich appelliere an die guten Seiten des Menschen, ich fordere ...”
“Sie fordern dazu auf, dass sich die Deutschen gegen die Unterschriftenaktion der CDU wenden, Sie fordern dazu auf, die Feindlichkeit gegen anders Aussehende, gegen Gläubige, gegen Nationen zu bekämpfen – vergessen Sie es. Künstlern entfällt gelegentlich, wo der Puls des Volkes schlägt. Sehen Sie: Mein Vater kam nach Deutschland, um D-Mark zu verdienen. Er wollte D-Mark verdienen und dann zurückkehren. Die Deutschen haben meinen Vater hierher gelockt – und dann plötzlich die D-Mark abgeschafft. Jetzt kann er nur noch Euro verdienen, und der ist die Hälfte der D-Mark wert.”

“Mein persönliches Hobby als Zuhälter”, erzählte der andere, “war ein Kampfhund. Ich fühlte mich damit in Deutschland integriert. Ein Stück deutscher Identität hatte ich mir damit angeeignet: einen Hund haben. Ein deutscher Schäferhund jedoch wäre, so dachte ich, viel zu deutsch gewesen. Darum hatte ich mich für den Kampfhund entschieden. Und? Die Deutschen haben es mir verboten. Damit hat Deutschland ein Stück, ein starkes Stück aus der Seele unumkehrbar verloren.
Wegen der sensiblen Künstlerseelen wird nun bald auch die Ausländerfeindlichkeit in Deutschland verboten werden. Die CSU will die radikalen Gruppen verbieten. Die CSU!!! So weit ist es also gekommen. Und wenn es nun schon so weit ist, dann, dann ...” –
“Was bleibt dann von den Deutschen übrig?”, setzte der andere fort. “Und aus dem Grunde haben wir beide beschlossen, uns nach Österreich abzusetzen. Dorthin, wo noch alles echt, alles unverfälscht ist. Kommen Sie doch mit uns! Allerdings unter einer Bedingung: Polemisieren Sie nie, aber wirklich nie gegen österreichische Ausländerfeindlichkeit! Dann werden wir uns vielleicht unser Publikum selber aussuchen können.”

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