20.05.2011

Windige Geschäfte?

Analyse von Tilman Kluge

In der hochsubventionierten Windenergiebranche lässt sich viel Geld verdienen. Dass dort juristisch fragwürdige Geschäftsmethoden zum Usus gehören. Auch die Politik profitiert: Vorteilsnahme und „Friendly Benefits“ scheinen zum Spiel dazuzugehören

Über zwei Jahrzehnte lang wird über Sinn und Unsinn der Nutzung von Windenergie diskutiert. Hierbei nimmt der Problemkreis, inwieweit diese Energiebereitstellungsform zur global verminderten CO2-Emission beitragen kann, einen beträchtlichen Raum ein. Lässt man diese grundsätzlichen Erörterungen beiseite, eröffnen sich Beurteilungsräume, die nicht in windenergiepolitisch vernebeltem Blick, sondern politisch gebotener Transparenz zu betrachten sind.
Schon über viele Jahre entdeckt man regelmäßig Meldungen wie „Der Bürgermeister verlas ein Schreiben der Firma Enercon, in dem diese für die ersten zehn Jahre eines potentiellen Beringstedter Bürgerwindparks jährlich 5000-Spenden-Euro pro Windanlage zugunsten ortsansässiger Vereine versprach (....)“ (1) Im Odenwald wurde ein „Sponsoring gemeinnütziger Zwecke, falls die Kommune keine Pachteinnahmen erhält“ angeboten. (2)

Pecunia non olet

Nicht nur Bürgermeister müssen oder wollen sich mit windigen Angeboten von Herstellern und Betreibern befassen. Auch einige Gemeindegremien sind hier kreativ und lassen exemplarisch keine Unklarheit daran aufkommen, dass im Fall eines WKA-Baues mit den angebotenen Sponsoringverträgen der Windenergiebetreiber über die Bündelung durch die Stadt das Dorfgemeinschaftshaus und weitere Infrastruktur im Dorf zu erhalten seien. Eine differenzierte Ausschüttung an die Vereine werde nicht gewünscht (3).

Aufkommender Unbescheidenheit aus eigenem Antrieb („Wir hätten noch viel höhere Anforderungen an die Firma Plambeck stellen können.“(4)) kommt andernorts sogar anwaltlicher Rat zur Hilfe. In Zwischenbergen (Ostfriesland) rät Rechtsanwalt Jann Berghaus (Aurich) einem WKA-Betreiber in spe, optisch betroffenen Anwohnern Geldbeträge anzubieten.(5). Aber, Pecunia non olet, umgehend verschwanden politisch hehre Bekenntnisse zur Subsidiarität im Orcus parteiprogrammatischer Makulatur (6). Ortsvorsteher und CDU-Ratsmitglied Friedhelm Jelken ließ keinen Zweifel daran, dass der Adressat der Zahlungen wohl die Dorfgemeinschaft sein solle, die das Geld in Absprache mit den Bürgern auszahle oder in gemeinsame Projekte investiere. Es gibt potentielle Geldgeber, die diesen Anspruch von vornherein berücksichtigen wollten. Öffentlich erklärt die Firma Prowind “Prowind also provides an annual monetary benefit package for the community to use as needed”.(7) 200.000 Euro Einmalzahlung gibt es für die ostvorpommerschen Gemeinde Nadrensee, wo sich 12 Windkraftanlagen von Enertrag im Gemeindegebiet drehen. Enertrag selbst nennt dies „eine wertvolle Unterstützung in Zeiten knapper Kassen“(8).

Diese Unterstützung dürfte, wenn nicht knappe Kassen der Windenergiebranche im Übermaß durch das EEG gefüllt würden, kaum so offensiv erfolgt sein.

Friendly Benefits

Grundsätzlich kann man all dies unter „Friendly Benefits“  einordnen. Die Firma PM Renewables konkretisierte als Betreiber, dass sie 40.000 Pfund pro Jahr für 25 Jahre zahlen werde, wenn sie die Erlaubnis erhielte, 22 Windräder am Coldingham Moor zu bauen (9). Derlei ist in vielfältiger Weise im Vereinigten Königreich zu beobachten und wird dort sogar durch halbamtliche Handreichungen unterstützt. So liest man im mit dem Segen des Deputy Prime Ministers veröffentlichten “Barker Review of Land Use Planning, Final Report – Recommendations” (London 2006) die Empfehlung Nr.31 “Business should make use of the potential to offer direct community goodwill payments on a voluntary basis, when this may help to facilitate development.” Ein ebenfalls mit öffentlich rechtlichem Charakter versehener „Toolkit - Delivering community benefits from wind energy development“ widmet sich in einem ganzen Kapitel sogenannten „Kind benefits“ bis hin zur Förderung von Radwegen (10).

Dies alles kann zu dem Eindruck führen, vieles ginge dabei nicht mit rechten Dingen zu. Der Eindruck ist zutreffend. Besonders pikant wird dies, wenn rechtliche Schrägheiten vertraglich fixiert werden. Im Folgenden sind Einnahmen von Gemeinden dann nicht betroffen, wenn dem konkrete Leistungen gegenüberstehen, also z.B. Einnahmen für Pachten und Zufahrtswegeunterhaltung. So kann am Beispiel der Ortsgemeinde Beuren (Hermeskeil/Hunsrück) zwischen einem jährlichen Pachtzins von ca. 210.000 € sowie hohen Gewerbesteuereinnahmen ab dem 12. Jahr zum einen und einer rechtlich fragwürdigen vertraglich fixierten Einmalzahlung bei Baugenehmigung in Höhe von 171.000 € zum anderen unterschieden werden (11).

Zieht schließlich eine von schlechtem Gewissen geplagten Kommune in letzter Sekunde die Notbremse, heißt es auch schon einmal „Haltet den Dieb!“ In einem sogenannten Gestattungsvertrag war, angeblich mit dem Segen der Kommunalaufsicht, die Zahlung eines Einmalbetrages von jeweils 30.000 EUR pro WKA vorgesehen. Gegen diese Regelung in dem Vertrag zwischen der Gemeinde Selzen (VG Nierstein-Oppenheim) und der Firma Gaia wurde politisch opponiert und von dritter Seite die Einschaltung der Staatsanwaltschaft angedroht. Schließlich wurden die Zahlungsvereinbarungen per Eilbeschluss des Gemeindevorstandes gecancelt. Die Perversion windigen Denkens zeigte sich daraufhin darin, dass für den finanziellen „Verlust“ die politische Opposition verantwortlich gemacht wurde (12).

Vorteilsannahme

„Am bekanntesten sind wohl jene Fälle, in denen gegenüber Amtsträgern gesetzlich nicht vorgesehene Vorteile im Zusammenhang mit der angestrebten windkraftfreundlichen Haltung versprochen, wenn auch oft nicht eingehalten werden. Auch dann, wenn Zuwendungen an Amtsträger unterbleiben und die versprochenen Leistungen nur zum Vorteil der Gemeinde gedacht sein sollten, wird zumindest der Tatbestand der Vorteilsannahme (13) bzw. der Vorteilsgewährung erfüllt“, schreibt der Jurist Erwin Quambusch von der Fachhochschule Bielefeld (14). Mit diesen Zahlungen soll der Widerstand in der Gemeindevertretung und in der Bevölkerung gegen die Windkraftnutzung gebrochen werden. Völlig unproblematisch wäre es, wenn die Windkraftfirmen Schäden finanziell ausgleichen würden, die einer Gemeinde beim Bau der mittlerweile bis zu 160 Meter hohen „Spargel“ entstünden, wenn etwa die Dorfstraße nach dem Transport der tonnenschweren Einzelteile repariert werden muss. Doch Zahlungen, die mit der Zustimmung einer Gemeinde verknüpft sind, wecken Korruptionsargwohn (15). So betonte dann auch 2009 Rechtsanwalt Philipp von Tettau nicht zum ersten Mal, man müsse wegen der unzulässigen Verbindung von Grundstücksvergabe und Gegenleistungen die Verbindung von z. B. Nutzungsverträgen mit Sponsoringverträgen vermeiden, die bauleitplanerische Abwägung strikt von z. B. Nutzungs- und Sponsoringverträgen wie auch alle sonstigen öffentlich-rechtlichen Handlungen (Einvernehmen etc.) und Fiskalgeschäfte strikt trennen (16).

Kottan ermittelt

In Deutschland ging die Staatsanwaltschaft in der Regel immer noch mitleidig davon aus, dass in indizierten Fällen doch im Grunde der Vorsatz gefehlt habe. So habe sich ein für die Anklageerhebung gegen die Firma Winkra notwendiger Vorsatz bei den Amtsträgern und der Betreiberfirma in 15 Fällen nicht hinreichend nachweisen lassen. Formal ging es nach wie vor darum, dass die Gemeinde durch Kopplungsverträge einen unzulässigen Vorteil habe. Deshalb müsse in jedem Fall geklärt werden, welche Kopplungsverträge erlaubt und welche verboten sind. Es ist im Grunde vielsagend, dass auch weit später neue Versuche in Sachen Vorteilnahme und Betrug unter dem Deckmantel angeblicher Unbedarftheit gestartet wurden.

Es ist auch nicht auszuschließen, dass von einem Unternehmen von vornherein auch Gerichte - und Anwälte unfreiwillig gleich mit -  schlechtgeredet werden. So bewirbt die Temme AG in Trier Leistungen seiner anwaltlichen Partner mit der Feststellung „Denn oft geht Anwälten und Richtern die technische Denkwelt nicht nahe.“ Ein Schelm ist, wer glaubt, gerichtliche Verfahren in Sachen Windkraft erführen ihren Anlass regelmäßig in technischen Belangen. Jörg Temme, der „Macher“ hinter den Kulissen, war es, der Höchstselbst hinsichtlich des (inzwischen Insolventen) Windparks in Sefferweich (Eifel) ein alles andere als „technisches“ Sponsoring versprach, nämlich für erklärtermaßen soziale Zwecke.

2005 zeigte der Leiter des Museumsdorfes Niedersulz (Österreich), Wolfhart Redl, 24 Weinviertler Bürgermeister wegen Vorteilsannahme (§305 StGB) an. 2007 erhob die Staatsanwaltschaft Koblenz nach jahrelangen Ermittlungen Anklage gegen vier frühere Verantwortliche der Provento-Gruppe, die zuletzt auch 26 Windparks betrieben hat. 2009 gab es fünf Jahre Haft für einen der Verantwortlichen (17). Provento sponserte auch gern Gemeinden mit potentiellen Windradstandorten. Hier ermittelt die Staatsanwaltschaft gegen Bürgermeister in Rheinland-Pfalz und in weiteren Bundesländern. Es geht um Spenden bis zu 135.000 EUR (Vorteilsannahme §331 StGB).

Die Fahne nach dem Winde?

Doch statt öffentlicher Empörung setzte sich der Rheinland pfälzische Innenminister 2007 im Mainzer Landtag für die Legalisierung von Sponsoring ein. Der Landtag sollte sich an eine Regelung in Baden-Württemberg anlehnen, die im Februar 2006 verabschiedet wurde. Dort dürfen Bürgermeister und Beigeordnete seither zur Erfüllung der Aufgaben der Gemeinde Spenden, Schenkungen oder ähnliche Zuwendungen einwerben. Voraussetzung ist, dass der Gemeinderat zustimmt und dass diese Spenden im jährlichen Bericht an die Rechtsaufsicht gemeldet werden(18). Da droht aus einem „Geschmäckle“ ein strenger Mief zu werden. In §94 Abs.3 der Gemeindeordnung RhPf heißt es seit dem 21.12.2007 „Die Gemeinde darf zur Erfüllung ihrer Aufgaben nach § 2 Abs. 1 Sponsoringleistungen, Spenden, Schenkungen und ähnliche Zuwendungen einwerben und annehmen oder an Dritte vermitteln, die sich an der Erfüllung von Aufgaben nach § 2 Abs. 1 beteiligen. Nicht zulässig sind die Einwerbung und die Entgegennahme des Angebots einer Zuwendung nach Satz 1 in der Eingriffsverwaltung oder wenn ein böser Anschein für eine Beeinflussung bei der Wahrnehmung von Verwaltungsaufgaben zu erwarten ist (....).“  Ob je ein böser Anschein für eine Beeinflussung bei deren Wahrnehmung gegeben ist, ist ein mehr als dehnbares Kriterium und genau um solche Fälle ging es bei den staatsanwaltlichen Ermittlungen.

Dahingehend warf das Amt Falkenberg-Höhe den rechtlichen Notanker in Sachen der Gemeinde Heckelberg-Grunow in Form eines klaren Hinweises. Der dortige Städtebauliche Vertrag nebst Sondervereinbarung mit einem Windenergie-Investor regelt neben der Durchführung von Planverfahren Ausgleichszahlungen zugunsten der Gemeinde Heckelberg-Brunow. „Diese Ausgleichszahlungen können als Vorteilsnahme für die Gemeinde ausgelegt werden. Bei der Übergabe von Vorteilswerten/-Gütern bedarf es zur Annahme der Genehmigung der obersten Dienstbehörde bzw. des Dienstvorgesetzten nach §37 Landesbeamtengesetz.“ (19). Möge die entsprechende Aufsichtsbehörde die nötige Umsicht gezeigt haben.

In Italien ging es hingegen wesentlich deutlicher bereits strafrechtlich zur Sache. Die italienische Finanzaufsicht nahm im Zuge einer Operation „Gone with the wind“ zwei der im Windenergie-Sektor prominentesten Geschäftsleute wegen Betrugs (20) fest. Die Polizei berichtet, dass die Sache im Zusammenhang mit der Akquisition öffentlicher Gelder für Windfarmen steht. „Gone with the wind“, wurde von der Anti-Betrugs-Einheit des Finanzministeriums installiert, begann die Arbeit 2007 und blockierte u.a. millionenschwere Subventionen. 2008 konfiszierte sie sieben im Zusammenhang mit IVPC (s.o.) stehende Windfarmen der IVPC mit 185 Turbinen in Sizilien.

Was tun?

Es wäre grundsätzlich gut, ist aber dato nicht zu erkennen, wenn die Windenergiebranche schräge Geschäftsansätze offensiv attackieren würde. Der Bundesverband Windenergie wäre hierfür eine geeignete Institution. Gleiches gilt für Politiker, wobei vor allem jene gefragt sind, die sich politisch oder gar beruflich in erkennbar besonderer Nähe zur Windenergiewirtschaft bewegen.

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