17.12.2010

Wie der Kuh ins Horn gepetzt

Kommentar von Thomas Deichmann

Es gibt auch weiterhin keine wissenschaftlichen Hinweise darauf, dass GVO eine größere Gefahr für die Umwelt oder die Lebens- und Futtermittelsicherheit darstellen als herkömmliche Pflanzen und Organismen.

Die organisierte Gentechnikgegnerschaft dürfte sich ohnehin wenig dafür interessieren, denn getreu ihres Vorsorgeprinzips geht es bei der Blockade der modernen Pflanzenzucht nicht um das, was wir wissen, sondern um Risiken, die man sich herbei träumen darf und die wir noch gar nicht kennen. Bemerkenswert ist, dass auch die offizielle Politik – Bundesministerin und Bt-Mais-Verbieterin Ilse Aigner (CSU) & Co. – bislang einen großen Bogen um eine neue Studie aus Brüssel macht: Die EU-Kommission hat am 9.12.2010 unter dem Titel „A decade of EU-funded GMO research“  eine Zusammenfassung von Ergebnissen EU-unterstützer Forschung über genetisch veränderte Nutzpflanzen veröffentlicht. Es zeigte sich im Endergebnis exakt das, was auch bei früheren solcher Studien herauskam: Seit 1982 hat die Europäische Kommission bereits mehr als 300 Mio. EUR für die Forschung zur biologischen Sicherheit von gentechnisch veränderten Organismen (GVO) ausgegeben. Mehr als 500 unabhängige Forscherteams beschäftigten sich in den letzten 25 Jahren in gut 130 Forschungsprojekten mit den möglichen Auswirkungen der Gentechnik auf Mensch, Tier und Natur. Hinzu kamen etliche Untersuchungen, die auf nationaler Ebene durchgeführt wurden. Aus den gesammelten Projektergebnissen geht hervor, dass es auch in Europa immer noch „keine wissenschaftlichen Hinweise darauf gibt, dass GVO eine größere Gefahr für die Umwelt oder die Lebens- und Futtermittelsicherheit darstellen als herkömmliche Pflanzen und Organismen.“

Zahleiche der beschriebenen Forschungsprojekte hatten ausdrücklich sogar Fragestellungen in just den Bereichen zum Gegenstand, zu denen von Seiten grüner NGOs seit Jahr und Tag Bedenken geäußert werden (mögliche Umweltfolgen, Lebensmittelsicherheit und Koexistenz von genetisch veränderten und konventionellen und „ökologisch“ kultivierten Nutzpflanzen). All die skizzierten Angstszenarien sind haltlos, schenkt man den zitierten Forschungen Glauben.

Damit ist einmal mehr und eindrucksvoll unter Beweis gestellt, dass erstens die Ablehnung der Grünen Gentechnik nicht Wissenschaftlichkeit und klassischer Vernunft beruht, sondern dass vielmehr diffuse Ängste und Verunsicherungen auf sie projiziert werden, und dass zweitens das aktuelle „Vorsorgeprinzip“ auch in diesem Bereich als Fortschrittsbremse wirkt. Noch wird die Gentechnik-Verhinderungspolitik in Deutschland und Europa in weiten Teilen der Gesellschaft als besonders klug und weitsichtig honoriert – wohl auch deshalb, weil die Konsequenzen nicht offen diskutiert und folglich unterschätzt werden: hierzulande wurde die Pflanzenzucht vor mehr als hundert Jahren erfunden, über viele Jahrzehnte war die Agrarforschung „made in Germany“ unangefochten Nummer Eins. Seit geraumer Zeit schmilzt dieser Vorsprung dahin, und es wird immer schwieriger, wissenschaftlichen Nachwuchs zu motivieren. Unternehmen in diesem Segment verlagern ihre Investitionen und ihr Engagement längst nach Amerika oder Asien, wo sich mit moderner Agrartechnologie noch richtig gut Geld verdienen lässt.

Das Nettoeinkommen der Landwirte in den USA steigt in diesem Jahr gegenüber 2009 übrigens um ein sattes Drittel auf rund 60 Mrd. Euro. Dabei ist und bleibt die Pflanzenproduktion der größte Teil dieser agrarischen Wertschöpfung. Das stärkste Wachstum gibt es (erneut) bei Baumwolle, Sojabohnen und Mais – den klassischen Kulturen, bei denen die Grüne Gentechnik auf globalem Maßstab seit 1996 unaufhörlich wachsende Anwendungsraten verzeichnet. Die europäischen Blockaden und Ökofantasien erscheinen dagegen – gelinde gesagt – weltfremd.

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